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Protest im Februar 1941 in den Niederlanden: Aufflackern des Widerstandes

Am 25. Februar 1941 kam es in Holland zu einem kurzen und heftigen Protest gegen die antijüdischen Maßnahmen der deutschen Nazi-Besatzungsmacht. Nach gewalttätigen Ausschreitungen gegen Juden, die zur willkürlichen Verhaftung von ungefähr 400 jüdischen Männern im Alter von 20 bis 35 Jahren geführt hatten, legten tausende Amsterdamer ihre Arbeit nieder. In vielen städtischen Betrieben wurde gestreikt, der Straßenbahnverkehr kam weitgehend zum Erliegen und viele Geschäfte schlossen. Amsterdam war das Zentrum des Streiks, aber auch in einigen anderen Städten, darunter Zaandam, Haarlem und Utrecht, kam es zu Arbeitsniederlegungen. Von den Ergeignissen völlig überrascht, griffen die Besatzer hart durch.

Es gab Tote und Verletzte, und es wurde mit der Verhaftung von weiteren 300 Juden gedroht, wenn der Streik in den zweiten Tag gehe. So wurde dem Protest am nächsten Tag mit Gewalt und Drohungen ein Ende bereitet. Zur Erinnerung an den Streik bschloss Königin Wilhelmina 1946, dem Wappen der Stadt Amsterdam die Worte „Heldhaftig, Vastberaden, Barmhartig“ (Heldenhaft, Entschlossen, Barmherzig) hinzuzufügen, und seit der Befreiuung im Mai 1945 findet in Amsterdam jedes Jahr am 25. Februar eine Gedenkfeier statt. Im Jahre 1952 enthüllte Königin Juliana das Denkmal „De Dokwerker“ (Der Dockarbeiter). Nach dem Schock des Angriffs vom 10. Mai 1940 und der raschen Kapitulation am 14. Mai hatte die holländische Bevölkerung sich ohne viel Murren auf die neue Realität eingestellt, die durch das anfangs gemäßigte Auftreten der deutschen Wehrmacht nicht so schlimm ausfiel wie befürchtet.

Auch wenn nur eine kleine Minderheit Sympathie für die Besatzer empfand, hatten die Deutschen im ersten Besatzungsjahr 1940 keinen Grund, unzufrieden zu sein. Die Bevölkerung passte sich an, der Widerstand blieb schwach, die Kontinuität in der Verwaltung schien gesichert und die wirtschaftliche Ausbeutung war erfolgreich in Gang gesetzt worden. Allerdings meinte Arthur Seyß-Inquart, der während der gesamten Besatzungszeit Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete war und 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilt wurde, in einem Bericht an Hitler, die Holländer seien unbequem: „Man muss sehr viel mit ihnen verhandeln, wenn sie nein sagen, heißt das noch nicht definitiv nein, wenn sie ja sagen, überdenken sie die Angelegenheit noch lange Zeit.“

Aber, fügte er beruhigend hinzu: „Letztlich tun sie doch, was man will..!“ Aus deutscher Perspektive erfolgreich waren auch die ersten antijüdischen Maßnahmen verlaufen, da sie ebenfalls auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen waren. Bereits im Sommer 1940 war deutlich geworden, dass die Besatzer auf eine gesellschaftliche und ökonomische Isolierung der Juden zusteuerten. Die erste Maßnahme hierzu stammt vom 1. Juli 1940, als die Juden vom Luftschutz ausgeschlossen wurden, worauf schon bald das Verbot des rituellen Schlachtens folgte. Ernster wurde die Lage ab Ende August 1940, als Seyß-Inquarts Reichskommissariat die Anweisung erteilte, dass in der niederländischen Beamtenschaft keine Juden mehr angenommen oder befördert werden dürften.

Von dieser Maßnahme war es kein großer Schritt mehr zur Entlassung aller Juden aus dem öffentlichen Dienst. Diese Maßnahme wurde im Oktober 1940 eigeleitet, als alle Holländer, die im Staatsdienst arbeiteten, eine Erklärung unterschreiben mussten, ob sie „Arier“, „voll“ oder „halb“ Jude waren. Auch wenn sich an einigen Orten Protest regte, reichten nahezu alle 200.000 Beamten das entsprechende Formular ein und im November 1940 wurden 2.000 Personen entlassen. An einigen Orten zeigten einige nichtjüdische Kollegen ihre Solidarität. Berühmt geworden ist die flammende Protestrede des Leidener Hochschullehrers und Dekans der juristischen Fakultät R.P. Cleveringa, von Ende November 1940, die einem entlassenen Kollegen gewidmet war. In Leiden und Delft traten Studenten in den Streik, und auch in Wageningen meldeten sie sich zu Wort. Die Reaktion der Besatzer war hart und deutlich: Cleveringa, dessen Rede sehr schnell in vervielfältiger Form ihren Weg ins Land hinaus fand, wurde verhaftet und acht Monate gefangen gehalten. Die Universitäten in Delft und Leiden wurden geschlossen.

Unterdessen hatte Ende Oktober 1940 auch die Registrierung jüdischer Unternehmen begonnen, auf die Anfang 1941 die obligatorische Anmeldung aller Personen erfolgte, die „ganz oder teilweise jüdischen Blutes “ waren. Diese Aktion führte zu einer fast vollständigen Übersicht über die holländischen und die in den Niederlanden lebenden ausländischen Juden. Ebenfalls 1941 nahm die physische Bedrohung von Juden und ihrem Eigentum zu. Mit gezielten Provokationen suchte die Besatzungsmacht, unterstützt von holländischen Nationalsozialisten, die Konfrontation mit Juden auf der Straße. In Amsterdam formierten sich jüdische Rollkommandos, um sich gegen diese Gewalt zu schützen, und im Februar 1941 kam es zu einer Schlägerei, die zum Tod eines niederländischen Nazis führte.

Als Reaktion hierauf wurde das jüdische Viertel in der Hauptstadt hermetisch abgeriegelt. Einige Tage später hob man diese Isolierung zwar wieder auf, aber an den wichtigsten Zufahrtsstraßen wurden Schilder mit der Aufschrift „Judenviertel/Joods wijk“ aufgestellt, sodass ein „optisches Ghetto“ entstand, wie der Historiker Louis de Jong es genannt hat. Parallel zu diesen Einschüchterungsmaßnahmen wurde auf deutsche Initiative im Februar 1941 der Joodse Raad voor Amsterdam – Amsterdamer Judenrat – gegründet. Diese Einrichtung sollte die Juden bei der Besatzungsverwaltung repräsentieren und sich wenig später unfreiwillig zu einem Instrument der deutschen Verfolgungs- und Ausrottungspolitik entwickeln.

Zur Eskalation kam es bei der Beisetzung des holländischen Nazis einge Tage darauf, als eine deutsche Einheit der Polizei in Amsterdam eine jüdische Eisdiele stürmte, die kurz zuvor schon das Ziel von Verwüstungen und Provokationen gewesen war. In der Eisdiele verteidigte man sich mit Ammoniakgas, woraufhin Verhaftungen und harte Repressionsmaßnahmen erfolgten. Bei sehr gewalttätigen Razzien an zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden die oben bereits genannten Verhaftungen durchgeführt und rund 400 junge Männer kurz darauf in das KZ-Buchenwald und dann nach Mauthausen deportiert. Einige Monate später wurde deutlich, dass sie nicht mehr am Leben waren, und seitdem war „Mauthausen“ unter den in Holland lebenden Juden das Synonym für einen baldigen Tod.

Diese willkürliche Gewalt und die Verhaftung der jüdischen Männer, die viele Menschen in Amsterdam unmittelbar miterlebt hatten, bildeten den Anlass für den Streik am 25. Februar 1941, der von Kommunisten begonnen, aber schon bald von vielen anderen unterstützt wurde. Dieser Protestakt war nicht der Anfang einer breit getragenen Widerstandsbewegung und beendete auch nicht die Anpassung an die Besatzungsrealität des ersten Kriegsjahres, denn der Streik ebbte ja rasch ab und die Unterdrückung durch die deutschen Besatzer blieb wirkungsvoll. Trotzdem hatte sich etwas verändert. Nie zuvor waren die Nazi-Besatzer so brutal aufgetreten und nie zuvor waren die Gegensätze zwischen ihnen und einem großen Teil der Bevölkerung so deutlich sichtbar geworden.

Nach dem Februarstreik wurde deutlich, dass die freiwillige Mobilisierung der holländischen Bevölkerung im deutschen Sinne hinter den Erwartungen zurückblieb; der Druck musste erhöht werden. Wie ernst es den Besatzungsautoritäten damit war, zeigte sich, als die ersten Todesurteile gegen Widerstandskämpfer vollstreckt wurden. Umfassender wurde der Widerstand jedoch ert ab dem Februar 1943, als auch die nichtjüdische Bevölkerung mehr un dmehr die Folgen der Besatzungszeit zu spüren bekam. Zu Beginn der Deportationen im Sommer des Jahres 1942 gab es von kirchlicher Seite einigen Protest und mehrere tausend Niederländer halfen Juden, sich zu verstecken. Es wird geschätzt, dass rund 24.000 Juden eine „Untertauchaddresse“ fanden und dass hiervon 16.000 den Krieg überlebt haben.

Die übrigen 8.000 sind durch Verrat oder andere Umstände schließlich doch verhaftet und deportiert worden. Sehr umfangreich war die Hilfe also nicht, und für Juden war es viel schwieriger, ein Versteck zu finden als für Nichtjuden. Als im letzten Kriegswinter 1944/45 die Zahl der Untergetauchten insgesamt sogar auf etwa 350.000 Personen – vor allem Widerstandskämpfer und Menschen, die sich der Zwangsarbeit in Nazideutschland entziehen wollten – anstieg, war Amsterdam bereits seit Längerem „judenrein“, wie die Nazi-Besatzer im September des Jahres 1943 mit Befriedigung festgestellt hatten.

Von Rolf von Ameln

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 04/09/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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