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Die Deutschen im Zweiten Weltkrieg: Ehtnische Säuberung in West- und Nordeuropa

Für die Nazi-Führung wie auch für einen großen Teil der Eliten des „Dritten Reiches“ stand außer Frage, dass der Eroberung anderer Länder deren langfristige Umgestaltung folgen sollte. Blieb dies in den „germanisch“ apostrophierten Gebieten West- und Nordeuropas zunächst auf politische Umwälzungen beschränkt, so war für Osteuropa eine totale Umstrukturierung der Bevölkerung angestrebt. Anhand der demografischen Umgestaltungspläne wurden verschiedene Vorstellungen wirksam: zunächst tief sitzende Vorurteile gegen die „Slawen“, die man als ökonomisch und kulturell niedrig stehend abqualifizierte. Desweiteren sollten die Grenzänderungen und die Ergebnisse der „Volkstumskämpfe“ der Jahre 1920/21 rückgängig gemacht werden, in der Sowjetunion die bolschewistische Herrschaft.

Schließlich dominierte die Vorstellung, man müsse weite Bereiche Osteuropas für deutsche Zwecke umgestalten, als wirtschaftlichen und „rassischen“ Lebensraum, als Siedlungsgebiet für Deutsche und als riesiges Arbeiter- und Rohstoffreservoir für das Reich. Für die Politik wie auch für die Verbrechen in den besetzten Ländern war von ganz entscheidender Bedeutung, dass dort Besatzungsverwaltungen herrschten, in West- und Nordeuropa eher in Form von Auftragsverwaltungen, in Osteuropa aber als eine Art von kolonialem Regime. Gerade in Osteuropa gaben sich die meisten deutschen und österreichischen Funktionäre die Attitüde des „Herrenmenschen“, der Distanz wahrte zur einheimischen Bevölkerung, die er als minderwertig, oft sogar als „überflüssig“ ansah.

Deportation von Juden in der Slowakei 1942. Foto: Yad Vashem

Deportation von Juden in der Slowakei 1942. Foto: Yad Vashem

Unter den Besatzern war der Rassismus alltägliche Praxis, dort dominierten radikale Nationalsozialisten eindeutig das Klima. Im Luafe der Zeit beteiligten sich immer mehr Dienststellen an den Verfolgungen. Vor nahezu jeder Expansion stellte Heydrich sogenannte Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD zusammen, die unmittelbar nach dem Einmarsch der Truppen die „Bekämpfung der Reichsfeinde“ übernehmen sollten, zunächst vor allem durch Ermittlungen und Festnahmen, besonders in Polen 1939 und in der Sowjetunion 1941 durch Massenmorde. Die Steuerung der Einheiten lag während des Krieges beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Doch verfügten sie in ihren Einsatzgebieten über erhebliche Handlungsspielräume. In der Zeit bis 1942 wandelte man diese – befritet gedachten – Einheiten in stationäre Dienststellen um Befehlshaber oder Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD.

Bekannt geworden sind vor allem die Einsatzgruppen A, B, C und D im „Unternehmen Barbarossa“ 1941/42, doch wurde dieses Instrument schon früher und auch nach 1942 eingesetzt. Der Beginn des Krieges am 1. September 1939 markierte zugleich eine neue Qualität der nationalsozialistischen Verbrechen. Die deutsche Besatzung Polens war von Anfang an von Massenmorden begleitet. Die Verfolgung richtete sich zwar auch gegen die polnischen Juden, viel gezielter und planmäßiger jedoch gegen die polnische Intelligenz. Gemeint waren damit Politiker, Lehrer, Priester, ebenso Angehörige antideutscher Verbände. Unmittelbar nach dem Einmarsch suchten die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei anhand vorbereiteter Listen nach diesen Personen, entweder um sie zu erschießen oder um sie in Konzentrationslager – den späteren Todesfabriken – einzuweisen.

Besonders in Westpolen entwickelte sich dieses Vorgehen zu einem Programm des Massenmordes. Hier spielte die Aufstellung einer Miliz aus Angehörigen der deutschsprachigen Minderheit, des „Volksdeutschen Selbstschutzes“, eine fatale Rolle: Zwar hatten sich gerade hier Morde von Polen an Auslandsdeutsche ereignet – „Blomberger Blutsonntag“ -, die zu einer Racheaktion mit 5.000 Tötungen allein in Bromberg führten. Insgesamt deuten die deutschen Aktionen allerdings auf ein gezieltes politisches Vorgehen der Besatzungsmacht, das mit den innerethischen Auseinandersetzungen nur noch lose in Zusammenhang stand. Allein in den annektierten Gebieten, vor allem in Danzig-Westpreußen und im sogenannten Wartheland, wurden bis Jahresende über 60.000 Polen erschossen.

Zeitlich verzögert erreichte diese Terrorwelle auch die Gebiete weiter östlich, das sogenannte Generalgouvernement Polen. Besonders spektakulär wirkte dort die massenhafte Festnahme der wissenschaftlichen Elite, der Professoren an den Krakauer Universitäten. Immerhin gelang es nach internationalen Protesten einigen von ihnen, aus einem der Konzentrationslager wieder frei zu kommen. Bei einer ähnlichen Aktion in Lemberg, das Ende Juni 1941 von der Wehrmacht besetzt wurde, erschoss die Sicherheitspolizei die dortigen polnischen Professoren ohne Umschweife. Doch schon während des Polenkrieges 1939 gingen die Einsatzgruppen ähnlich wie in Westpolen vor und ermordeten auch in Zentralpolen bis zu 5.000 Polen, die man zur Intelligenz rechnete.

Deportation zur Erschiessung. Ukraine

Deportation zur Erschiessung durch Einsatzgruppen. Foto: Archiv

Als die Weltöffentlichkeit im Mai 1940 auf das Feldzugsgeschehen in Frankreich blickte, startete die Sicherheitspolizei im Generalgouvernement ihr nächstes groß angelegtes Mordprogramm. In der „Außerordentlichen Befriedungsaktion“ ermordete sie 4.000 Polen, tausende weitere kamen in Konzentrationslager, unter anderem in das extra dafür neu eingerichtete Lager Auschwitz. Noch Mitte 1942 suchte die Sicherheitspolizei systematisch nach Personen aus der polnischen „Intelligenz“ im 1941 besetzten Ostpolen, um sie zu ermorden. Die Massenmorde an echten oder vermeintlichen Eliten der osteuropäischen Völker waren nur ein Teil der „Neugestaltung“, die den Nazis vorschwebte. Parallel dazu sollte die Bevölkerungsstruktur in diesem Raum grundlegend verändert werden.

Zunächst dachten sowohl die Nazi-Führung als auch die Volkstums- und Raumplanungsexperten vor allem eine „ethnische Flurbereinigung“ in den Gebieten Polens, die bis 1919 zum Reich gehört hatten. Unmittelbar nach Kriegsbeginn 1939 überstürzten sich die Planungen und die erste Realisierung eines Programms zur Deportation. NSDAP, Inneministerium, Wehrmacht und Forschungsinstitutionen wetteiferten um die Gestaltungsmacht bei der „Entpolonisierung“ der annektierten Territorien. Mit der zentralen Koordinierung ermächtigte Hitler den Reichsführer SS Heinrich Himmler, der nun als neuer Reichskommissar für die Festigung deutschen Volstums eine Art Superministerium für die Umsiedlung der „Unerwünschten“ und die Ansiedlung von Reichsbürgern und Auslandsdeutschen gründete.

Tatsächlich dauerte es einige Zeit, bis Himmler sich im Kompetenzgerangel durchsetzen konnte. Allerdings konnte er auf den Vorteil bauen, dass ihm mit SS und Polizei ein großer exekutiver Apparat nun zur Verfügung stand. Längerfristik war die Deportation von vier bis fünf Millionen Polen und Juden aus dem neuen Reichsgebiet anvisiert, faktisch eine teilweise Entvölkerung. Da dies schon allein wegen des Bedarfs an Arbeitskräften krzfristig nicht möglich schien, „beschränkte“ sich der erste Nahplan zur Umsiedlung auf eine Million Personen. Die Verschleppungen begannen noch Anfang Dezember 1939. Für den überstürzten Beginn war vor allem die Ankunft vieler Auslandsdeutscher aus Ostpolenl, dem Baltikum und Bessarabien verantwortlich.

Nachdem Hitler im Rahmen des Nichtangriffpaktes vom August 1939 diese Gebiete Stalin zugesprochen hatte, vereinbarte er zusätzlich, die deutschen Minderheiten von dort umzusiedeln, um sie dem bolschewistischen Zugriff zu entziehen. Im annektierten Westpolen sollten sie vorläfige Aufnahme finden. Dafür wurden die dortigen Einwohner gezwungen, Platz zu machen. Man schätzt, dass alleine im Warthegau 1,5 Millionen polnische Bürger ihre Wohnungen zwangsweise räumen mussten. Am schlimmsten traf es die Menschen, die deportiert wurden. Polnische Familien holte man aus ihren Bauernhöfen oder aus ihren Wohnungen in den Städten und pferchte sie in Güterwaggons. Die deutsche Polizei verfrachtete sie in der Eiseskälte des Winters 1939/40 zumeist ins Generalgouvernement, wo die polnische Kommunalverwaltung kaum auf ihre Aufnahme vorbereitet war.

Bis März 1940, als die Regierung des Generalgouvernements einen vorläufigen Aufnahmestopp für die Transporte verhängte, wurden so über 175.000 Menschen deportiert, ein goßer Teil davon waren Juden. Die Gauleiter in den eingegliederten Gebieten konnten die Fortsetzung der Deportationen nach Osten erreichen. Erst am 15. März 1941, als der Überfall auf die Sowjetunion auf polnischem Boden vorbereitet wurde, brach man das Umsiedlungsprogramm ins Generalgouvernement komplett ab. Insgesamt gelangten über 400.000 Menschen dorthin, jeder vierte von ihnen war jüdischer Herkunft. Danach gingen die Verwalter des annektierten Teils Polens zu Deportationen innerhalb der Gebiete über. Hunderttausende von Einwohnern kamen in andere, schlechter strukturierte Gegenden oder wurden sofort zur Zwangsarbeit ins Reich deportiert.

Soweit polnische Industriegebiete als Aufnahmeziele dienten, gelangten die Verschleppten oft in Arbeitslager oder spezifische „Polenlager“. Interne Umsiedlungen wurden in vielen Teilen Polens auch mit der Anlage von Truppenübungsplätzen für die Wehrmacht begründet. Etwa 160.000 Menschen, vor allem Bauernfamilien, mussten deshalb Haus und Hof verlassen. Alles in allem wurden über eine Million Polen Opfer von Verschleppungen und Vertreibungen innerhalb ihrer angestammten Heimat.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 01/11/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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