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Israel als junger Staat: Landwirtschaft, Entsumpfung, Bewässerung

Israel als junger Staat: Landwirtschaft, Entsumpfung, Bewässerung in den 1950-er Jahren

„Um zu bestehen, müssen wir jeden Quadratmeter Boden bis zum äußersten ausnutzen und unsere ganze Kraft einsetzen!“ (Wandspruch im Israel-Pavillon, Brüssel 1958.)

Die Siedlungsformen: Welche Konsequenzen ergebn sich, wenn ein Volk nach einer Unterbrechung von mehr als 2000 Jahren wieder zur Scholle zurückkehrt? Als die ersten jüdischen Pioniere zu Beginn unseres Jahrhunderts sich in Palästina ansiedelten, fanden sie ein Land mit unerschlossenen Wasserreserven, wenig Wald und teilweise verkarstetem Boden vor. Zwar haben die Israelis zuerst die fruchtbarsten Gebiete in der Küstenebene erworben; – aber auch dieses Ziel konnte nur durch eine große kollektive Aktion erreicht werden. Für die Finanzierung des Bodenankaufs, für den Bau der Häuser, die Beschaffung der Geräte und die Ausrüstung der Siedler diente der Nationalfonds. Die Ackerbaukolonnen wählten vorwiegend die freiwillige kommunistische Gesellschaftsform des Kibbuz.

In der Kollektivierung mit Privathäusern, dem Moschav Schitufi, besorgt die Frau den Haushalt der Familie und arbeitet nur vier bis fünf Stunden für die Gemeinschaft. Daneben entstanden auch die individuellen Siedlungsformen, hauptsächlich des Moschav Ovdim der genossenschaftlich organisierten Kleinsiedler, das Moschav, das private Farmerdorf mit Privatgrundbesitz. Die Ma´barot, „Flüchtlingslager“, sind fast ganz verschwunden. An ihre Stelle traten die „Werkdörfer“, wo die Einwanderer vom ersten Tag an im Landbau unterrichtet werden. Trotz absoluter Zunahme ging der Anteil der Kollektivsiedlungen an der gesamten Landbevölkerung zurück, während sich die Zahl der genossenschaftlich organisierten Kleinsiedler erhöhte. Sie werden vermutlich für die Zukunft die tragende landwirtschaftliche Schicht in Israel bleiben.

israelische Bewässerungstechnik. Foto: Archiv

israelische Bewässerungstechnik. Foto: Archiv

Wenn auch die ländliche Bevölkerung anteilmäßig innerhalb der ersten zehn Jahre noch etwas stärker wuchs als die Gesamtbevölkerung, so ist es doch andererseits unverkennbar, dass die idealistische Stosskraft, die vor und während der Gründung des Staates von Ackerbaukolonnen ausging, langsam verpufft. Sie wird durch die Nüchternheit des Alltags ausgelöscht und durch individuelles, aber auch egoistisches Denken verdrängt. Die klösterliche Isoliertheit des Kibbuz und die Eintönigkeit des Landlebens sind keine Attraktion für Neuankömmlinge, die vielfach mit ganz anderen Vorstellungen ins Land, „wo Milch und Honig fließen“, einwandern. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die Landwirtschaft wie überall in der Welt weit weniger einträgt als die anderen Erwerbszweige. Nach den letzten zur Verfügung stehenden Zahlen beträgt der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung an der gesamten Einwohnerzahl 22,4 v.H., ihr Anteil am Volkseinkommen aber nur 12,9 v.H.

Die landwirtschaftlichen Organisationen: Die Genossenschaft spielt für die Beschaffung der Ackergeräte und den Verkauf der Feldfrüchte eine entscheidende Rolle. Das Agricultural Center, dem 172.000 in der Landwirtschaft tätige Personen angeschlossen sind, ist mit der Histadruht aufs engste verbunden. Die Famrer´s Federation zählt 7.000 Mitglieder; sie organisiert den Absatz der Citruspflanzer. Im Agricultural Council sind die genossenschaftlichen und die individuellen Kleinsiedler organisiert.

Aufforstung und Neulandgewinnung: Nach offiziellen Berechnungen betragen die Kosten für die Neuansiedlung einer Familie etwa 25.000 israelische Pfund. Davon entfällt allein ein Viertel auf die Beschaffung des für Mensch, Vieh und Pflanzenwuchs notwendigen Wassers. In der Antike wurde Israels Baumbestand fast ganz ausgerottet. Dadurch verkarsteten weite Teile des Landes. Im Laufe der Jahrhunderte zerfielen die zahlreichen, auf künstliche Bewässerung beruhenden Siedlungen im Negew. In den Steinwüsten am Toten Meer lagen einst blühende Städte, wie die in der Bibel erwähnten Sodom und Gomorrah. Der Negew ist Israels „Wilder Westen“, das Land der Zukunft und der großen Möglichkeiten; das Land der Pioniere und der Planer. Aber die Oberfläche des Negew ist heute trocken, viele Bohrlöcher geben nur salziges Wasser.

Wenn es gelingt, durch chemische Verfahren das Grundwasser zu entsalzen und die Wasserreserven der mittleren und nördlichen Landesteile nach dem Süden abzuleiten, kann aus der Negew-Wüste wieder fruchtbares Land werden. Nach den neuesten Schätzungen stehen Israel jährlich 2.000 Millionen Kubikmeter Wasser zur Verfügung. Allein die Hälfte dieser Wassermengen entfällt auf die nördliche Region mit dem Flusssystem des Jordan und des Yarmuk sowie den Sümpfen rund um den Huleh-See. Mit der Bewässerung stellt sich für Israel daher gleichzeitig das Problem der Entsumpfung. Obgleich die größeren Projekte erst in Angriff genommen wurden oder zum Teil noch der Ausführung harren, ist der Wasserkonsum Israels in den ersten zehn Jahren seit der Staatsgründung bedeutend gestiegen: 1947/48 betrug der Wasserbedarf 257, 1956/57 jedoch 1.150 Millionen Kubikmeter.

Es wird also bereits über die Hälfte des verfügbaren Wassers beansprucht. Für die restliche Nutzung wurde ein Zehnjahrsplan aufgestellt. Hand in Hand mit dem Wasserverbrauch geht die Ausdehung der kultivierten Flächen. 1948/49 betrugen die Trockenfarmgebiete 1.650.000 Dunam; die bewässerten Farmgebiete 300.000 Dunam. 1957/58 erreichten die ersteren mit 3.840.000 Dunam mehr als den doppelten Umfang, die bewässerten Flächen mit 1.225.000 Dunam das Vielfache. Bei Vollbeanspruchung der Wasserreserven sollen nochmals weitere 1.700.000 Dunam Neuland gewonnen werden. In den vergangenen zehn Jahren sind mit Hilfe der „Baumspende“ 60 Millionen Setzlinge gepflanzt worden. Geplant war allerdings die Anpflanzung von 200 Millionen Bäumen bis Ende 1959.

Eine große Rolle spielt in der Wiederaufforstungsaktion die Erweiterung des Ölbaumbestandes. Die Bestrebungen richten sich zunächst auf die Bewaldung der höher gelegenen Gebiete und auf das Pflanzen von rasch wachsenden Eukalyptusbäumen längs den Landstraßen. Mit der Wiederaufforstung soll ein natürlicher Wasserspeicher in großen Teilen des Landes geschaffen und gleichzeitig der Boden vor Erosion geschützt werden. Die gesamte Waldfläche Israels beträgt etwa 1.000.000 Dunam, wovon rund ein rundes Viertel seit der Staatsgründung aufgeforstet wurde.
Die Jarkon-Negew-Wasser-Pipelines: Nördlich von Tel Aviv liegt die Mündung des Jarkons, eines wasserreichen Flusses aus den judäischen Bergen. Trotz der großen Entnahmen der Halbmillionenstadt und der umliegenden Citrushaine hat der Jarkon bis in die jüngste Zeit ungenutzte Wassermengen ins Meer ergossen. Eines der ersten größeren Regulierungsprojekte bestand daher in der Ableitung von Wasser aus dem Jarkon nach der Negew-Wüste. Am 19. Juli 1955 wurde die erste, 108 Kilometer lange Wasserleitung eröffnet. Eine zweite, parallellaufende Pipeline, ebenfalls ein Zementrohr im Durchmesser von 165 cm, wurde 1958 fertiggestellt. Mehrere unterirdische Pumpstationen mussten eingerichtet werden, um jährlich rund 200 Millionen Kubikmeter Wasser nach dem Negew zu leiten. Die Jarkon-Negew-Wasserleitungen ermöglichen nach offiziellen Schätzungen die Ansiedlung von 400.000 Menschen und eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion um 40 bis 50 Millionen Israelischer Pfund. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die Wasserreserven des Jarkon geringer sind als ursprünglich angenommen. Für die Ausschöpfung der vollen Kapazität der Leitungen müssen daher noch etwa 50 Millionen Kubikmeter Grundwasser herangezogen werden. Die Anzapfung des Grundwassers führte im Dan-Gebiet – Umgebung von Tel Aviv – bereits zu einer zunehmdenden Versalzung infolge Nachsickern von Meerwasser. Das Innenministerium sah sich daher genötigt, radikale Einschränkungen des Wasserverbrauches zu verordnen.

Das Jordan-Negew-Projekt: Rund um den kleinen Huleh-See lagen bis vor kurzem ausgedehnte Sümpfe, deren Abfluss durch die den Jordan einklemmenden Basaltfelsen gehemmt war. Der Bau von zwei tiefen Kanälen ermöglichte die Trockenlegung und Gewinnung von 74.000 Dunam Neuland, wovon ungefähr schon heute die Hälfte genutzt wird. Der reiche, torfhaltige Boden gestattet Experimente mit neuen Kulturen. Neben Mais, Erdnüssen, Baumwolle, Kartoffeln und Zuckerrüben werden nun auch Reis, Pfefferminze und Blumenzwiebeln angebaut. Die bereits durchgeführte Huleh-Drainage ist aber nur ein Teil eines größeren Projektes: Der Bau der 250 km langen Wasserleitung vom Jordan über die galiläischen Berge bis hinunter in den Negew.

Dem Jordan sollen zwei Drittel seines Wasserbestandes, nämlich 320 Millionen Kubikmeter entnommen werden. Nach dem Projekt wird bei der B´not Yaakov-Brücke 40 m über Meeresspiegel ein Kanal bis zum Tiberias-See gegraben, welcher 200 m unter dem Meeresspiegel liegt, worauf dann das Wasser über das galiläische Bergland insgesamt fast 400 m hoch gepumpt werden muss und anschließend durch die Küstenebene nach Süden läuft. Die Arbeiten für dieses gigantische Projekt wurden bereits 1956 begonnen und zwar durch den Bau einer Wasserleitung vom Jordan ins Kischon-Tal. Inzwischen wurde der künstliche See von Beth Netufa angelegt. Die Tunnels von Ilbon und Menasche sind im Bau. Die Röhrenfabrik Juval-Gad bei Aschkelon liefert Zementrohre mit einem Durchmesser von 256 cm.

Das ganze Projekt soll bis zum Jahre 1962 beendigt sein. Die Kosten werden auf 250 Millionen Israelische Pfund geschätzt. Das Jordan-Negew-Projekt hat allerdings schwere außenpolitische Konsequenzen. Obwohl der obere Jordan-Lauf und auch die Einmündung des Yarmuks auf israelischem Gebiet liegen, würden die syrischen und jordanischen Nachbarn bei Entnahme von zwei Dritteln des Jordanwassers durch Israel in ihren Interessen schwer geschädigt. Diese beiden Länder haben ebenfalls Sorge, wie sie ihre rasch wachsende Bevölkerung ernähren können, und sehen sich durch die forsche israelische Handlungsweise in ihren Interessen beeinträchtigt. Der Versuch der UNO, zwischen Israel und Syrien eine Einigung über die Verteilung des Jordanwassers zu finden, ist misslungen, nachdem Israel den Johnson-Plan ablehnte und aufgrund eines eigenen Gutachtens durch den amerikanischen Wasserbaufachmann Cotton nun offenbar willens ist, fertige Tatsachen zu schaffen.

Dies veranlasste Jordanien, mit finanzieller Unterstützung amerikanischer Kreise den Yarmuk-Bewässerungsplan in Angriff zu nehmen. Der Yarmuk ist der wasserreichste östliche Zufluss des Jordans. Durch die Wasserentnahme ist nicht nur das israelische Jordan-Projekt gefährdet, sondern auch die israelische Landwirtschaft in der Kinneret-Gegend infolge Versalzung des Grundwassers.

Israles landwirtschaftliche Produktion: Israels Landwirtschaft basiert hauptsächlich auf dem Ertrag der Baumfrüchte, darunter besonders der Citrusfrüchte. Die Produktion von Erdnüssen konnte massiv gesteigert werden, und die Bananenernte stieg auf 20.500 Tonnen. Auch die Milch-, Eier- und Fleischproduktion erfuhr faktisch innerhalb des Zeitraumes 1956/57 eine Verdreifachung. Im Erntejahr 1957/58 erfuhr die landwirtschaftliche Produktion nochmals eine Steigerung um 10 v.H. gegenüber dem Vorjahr. Eine weitere Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ist wohl noch möglich. Aber die Begrenzung des Anbaus wird durch die langsam zur Neige gehenden Wasserreserven erzwungen, zumal auch die zunehmende Industriealisierung entsprechende Wassermengen benötigt. Außerdem fordert Jordanien als Anlieger des Jordan und seiner Nebenflüsse den ihm gebührenden Anteil!

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 12/11/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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