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Die „Villa Emma“ in Nonantola: Eine Zuflucht für jüdische Kinder

Die „Villa Emma“ in Nonantola: Eine Zuflucht für jüdische Kinder und das neue Buch von Klaus Voigt

Der Flötenspieler von Ingeborg Hunzinger-Franck aus Berlin wurde im April 2002 im Park des Palazzo di Municipale in Nonatola bei Modena aufgestellt. Die damals siebenundachtzigjährige Künstlerin war mit Dr. Klaus Voigt, dem Initiator, von Berlin angereist. Am gleichen Tag stellte Dr. Voigt sein Buch „Villa Emma – Ragazzi Ebrei in Fuga 1940 – 1945“ (Villa Emma – Jüdische Kinder auf der Flucht 1940 bis 1945) dem italienischen Publikum vor.

Jahrelang arbeitete der Historiker Dr. Klaus Voigt an diesem Thema in Italien und nun war das Buch erschienen. Zum Ehrenbürger Nonantolas wurde der Autor und Historiker vor Jahren ernannt.

Die "Villa Emma". Foto: Wollmann-Fiedler

Die „Villa Emma“. Foto: Wollmann-Fiedler

Eine Gruppe von 150 jüdischen Kindern aus Berlin, Wien, Leipzig und Frankfurt am Main sollte über Zagreb nach Palästina gebracht werden. 80 von ihnen schafften den Weg nach dort, waren in Sicherheit. Deutsche Truppen zogen im April 1941 in Jugoslawien ein. Für die zurückgebliebenen Kinder wurde es sehr gefährlich und der junge Josef Indig brachte sie in Windeseile nach Slowenien. Kurz zuvor war Slowenien unter Italien, Deutschland und Ungarn aufgeteilt worden. In einem Jagdschloß des italienischen Landesteiles waren die Kinder geschützt untergebracht, doch in der Zwischenzeit hatte die Hilfsorganisation DELASEM die Villa Emma in Nonantola gemietet, wo man sie hinbrachte. Das Landhaus hatte 40 Räume und gehörte einer Mailänder Immobilienfirma. Dort wurden sie u.a. handwerklich und landwirtschaftlich unterrichtet von dem Bauern Leonardi und auf das Leben im Kibbuz vorbereitet.

Im April 1943 kamen noch 33 Kinder aus Split hinzu. Die Gruppe zählte inzwischen 73 Jugendliche und Kinder und 18 Begleiter. Als die Deutsche Wehrmacht Nonantola besetzte, wurden die Kinder bei Familien und im Priesterseminar versteckt. Das Büro des deutschen Ortskommandanten befand sich Wand an Wand direkt neben der Abtei. Hochgefährlich wurde das Leben für diese jüdischen Kinder in dem oberitalienischen Städtchen, die Flucht wurde organisiert und in vier Gruppen flohen sie dann in die Schweiz. Zehn ältere Kinder wollten zu den Alliierten nach Süditalien, aber nur drei kamen über die Frontlinie, fünf hielten sich in Rom versteckt, kamen aber doch noch unbeschadet in die Schweiz und zwei wurden Partisanen. 1945 erreichte endlich die Mehrzahl der Kinder aus der Villa Emma nach vielen Jahren des Fliehens, des Versteckens, Palästina. Tilla Nagler Offenberger, die Älteste, der in die Schweiz geflohenen Jugendlichen, begann bereits in Genf ihr Kunststudium, Hanni Schwarz Seidenberg entschied sich in Israel für eine künstlerische Ausbildung. 2001 wurde der Nonantola-Garten an der Einstein Street in Haifa mit einem bildhauerischen Werk von Tilla Offenberger und dem Beisein des Bürgermeisters von Haifa eingeweiht.

 

Das Relief von Ingeborg Hunzinger in Nonantola. Foto: Wollmann-Fiedler

Das Relief von Ingeborg Hunzinger in Nonantola. Foto: Wollmann-Fiedler

Ingeborg Hunzinger, die älteste und sicherlich auch wichtigste Bildhauerin der ehemaligen DDR, erfuhr von Dr. Klaus Voigt in Berlin die Geschichte der Villa Emma und entschied sich spontan eine Bildhauerarbeit für die Kinder zu schaffen. So wurde der Flötenspieler, zu dessen Füßen der Drachen liegt, geboren. Dieser Flötenspieler bezwingt nicht mit Waffen den Drachen, sondern besänftigt ihn durch die schönen Klänge der Flöte.

Die Bildhauerin selbst kehrte als Tochter einer jüdischen Mutter mit Berufsverbot im Rucksack 1939 den Nazis den Rücken und ging nach Florenz, wo sie die große Liebe ihres Lebens fand, einen Kunstmaler aus Halle, der sich als Stipendiat in der Villa Romana in Florenz aufhielt. Der einjährige Rompreis folgte und weiter zog das Paar bis nach Sizilien. Kinder wurden geboren, heiraten durften sie nicht, das Rassengesetz verbot es.

1950 kam Ingeborg Hunzinger (1915 – 2009) nach Ost-Berlin in die DDR, wurde mit Aufträgen bedacht. Über 20 Skulpturen im Öffentlichen Raum zwischen Elbsandsteingebirge und Ostsee hat sie geschaffen und noch mal so viele in Berlin. Die letzte und für mich wichtigste künstlerische Arbeit wurde 1995 in der Rosenstraße im Zentrum Berlins zu Ehren der mutigen nicht-jüdischen Frauen, die 1943 den Nazis die Stirn boten, aufgestellt. Diese Frauen demonstrierten, weil sie ihre inhaftierten jüdischen Männer und Söhne freibekommen wollten, was ihnen auch gelang.

Im November 2008 schenkte die Bildhauerin der Stadt Nonantola wiederum ein künstlerisches Werk. Die gebrannten Tonteile des Reliefs wurden in Berlin – Rahnsdorf ins Auto gepackt und bei Schneesturm fuhren wir das kostbare Gut über die Alpen, den Brenner, nach Norditalien. Abenteuerlich war die Reise! Im April 2009 wurde das Relief in der Nähe des Flötenspielers im Park des Palazzo di Municipale aufgestellt.

Wie zu Beginn beschrieben, stellte der Historiker Dr. Klaus Voigt aus Berlin, im Jahr 2002 sein in Italien erschienenes Buch in Nonantola bei Modena vor, vier Jahre später erschien das Buch in der deutschen Übersetzung im Metropol Verlag in Berlin. Vor kurzem, im Juni 2016, wurde die Wiederauflage des hochinteressanten Buches „Villa Emma – Jüdische Kinder auf der Flucht 1940-1945“ erneut im Metropol Verlag in neuer Gestaltung und neuem Farbumschlag gedruckt und in die Buchhandlungen verteilt.

Von Christel Wollmann-Fiedler

 

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Von am 07/08/2016. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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