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Unterhaltung im Dritten Reich: Was die „Hamburger Illustrierte“ am 1. Februar 1937 dem Leser bot

Im besagten Blatt titelt man links unten: Hier findet ihr, was jeden freut: Viel Staunenswertes und viel Trall – Die Liebe fehlt auf keinen Fall! Drum schaut hinein: wir feiern heut.

Auf Seite 18 „erfreut“ man denn Leser mit dem Titel: Es gibt Huhn, Anton! (Eine nahrhafte Kriegsgeschichte.)

Unterhaltung im dritten Reich. Foto: Archiv/RvAmeln

Unterhaltung im dritten Reich. Foto: Archiv/RvAmeln

Es war um die Faschingszeit. In einer von der Unbill des Krieges zerstörten Gegend in Flandern. Von dem Dorf waren nur etliche Mauerreste stehen geblieben. Die dienten Offizier und Mann als behelfsmäßige Unterkunft. Die Kompanie, die hier in Ruhe lag, hatte den Fastnachtssonntag im Graben verbracht. So mußte man den Ulk auf die Tage der Ruhe aufsparen. Der Leutnant, der die Kompanie führte, stammte aus einem Städtchen am Rhein und war von Geburt ein Spaßvogel, wie sie nur die rheinische Welt gebärt. Dieser Leutnant nun sitzt in seiner zusammengeflickten Stube an einem wackligen Tisch und war gerade dabei, sich einen ulkigen Faschingsscherz zusammenzubosseln, als der Bursche Anton die Stube betritt.

„Was gibt es, Anton?“ fragte ihn erstaunt über sein Erscheinen der Leutnant. Anton, immer ans Essen denkend, antwortete kurz und militärisch: „Rindfleisch, Herr Leutnant.“ Der Leutnant lacht und meint, halb im Scherz, halb im Ernst: „Huhn gibt es, Anton, Huhn.“ – „Nein, Herr Leutnant, Rindfleisch“, wagt Anton nochmals. Jetzt setzt der Leutnant eine ernstere Mine auf und sagt deutlich: „Huhn, Anton, Huhn, kannst du dir das merken?“ – „Jawohl, Herr Leutnant“, sagt Anton und klappt die Hacken zusammen, „aber es ist Rindfleisch.“ Jetzt wird der Leutnant wütend und brüllt den armen Anton an: „Huhn, verstanden – raus mit dir.“ Ziemlich verdattert macht Anton eine wenig exakte Kehrtwendung und verläßt die Stube des Leutnants.

Jetzt erst, nach Antons Verschwinden, kommt dem Leutnant zum Bewußtsein, daß diese Huhngeschichte ja den lange gesuchten Faschingsscherz gibt. Steht auf und ruft den Fähnrich: „Fähnrich, kommen Sie mal her.“ – „Herr Leutnant?“ – „Sie gehen jetzt umgehend auf die Straße, verstecken sich hinter der Mauer und markieren, wenn Anton bei Ihnen vorbeikommt, ein Huhn – verstehen Sie mich, ein Huhn. Es gibt nämlich Huhn heute mittag.“ Damit war der Fähnrich entlassen. Anton, der Bursche, schlenderte die Dorfstraße entlang, auf der Suche nach dem Huhn. Weit und breit rührt sich aber kein Huhn. Wo sollen auch welche herkommen, denkt Anton, wenn hier schon zwei Jahre Krieg gespielt wird in dieser lausigen Gegend.

Da – auf einmal hört Anton eine Henne glucksen. Klar und deutlich. Verdammt noch mal. Wo war das? Anton rennt von Haus zu Haus, vorn herum und hinten herum. Spioniert in allen Ecken. Jetzt ist es wieder mäuschenstill. Wieder geht Anton die Dorfstraße hin und zurück, rauf und runter. Da, jetzt wieder das Gegacker! Hier muß doch ein Huhn sein! Aber Anton kann es nicht finden, die ganze Schlauheit ist umsonst. Das Huhn ist wie von der Welt verschwunden. Oben in seiner Stube steht der Leutnant und krümmt sich vor Lachen. Anton hat es satt. Geht in sein Quartier, holt sein Schießgewehr und geht auf die Jagd. Warum nicht? Hier im Feindesland kann man das ganze Jahr auf die Jagd gehen.

Außerdem kann es dem Leutnant verdammt egal sein, ob er ein Feldhuhn oder ein Suppenhuhn im Topf hat. Überhaupt so eine verrückte Idee, heute ein Huhn zu verlangen. Als ob er, Anton, zaubern könnte. Auf der Jagd ist aber auch kein Huhn zu schießen. Die Felder sind so leer, wie die Unterstände an Ratten voll sind. Was tun…Anton ergibt sich in sein Schicksal, angeschnauzt zu werden. Kehrt um und will in sein Quartier, als gerade die Postsäcke vor der Kompaniestube abgeladen werden. „Für den Leutnant nichts dabei?“ fragt er seelenruhig den Postgeneral. Doch – da, ein Paket – wenn da kein Schwein drin ist -“ meint der Postmensch noch vergnügt.

„Gib her“, sagt Anton und verschwindet mit seiner Beute in seiner Kammer, öffnet das Paket und siehe da – ein wunderschönes, gerupftes Suppenhuhn kommt zum Vorschein. Jetzt aber rein in die Küche. Das Huhn kommt in den Topf, und bald steigen wunderbare Düfte aus dem brodelnden Hafen. Ausgezeichnet schmeckt Anton die Bouillon. Oben in der Stube sitzen der Leutnant und der Fähnrich und lachen sich krank, so krank, wie sie nie zuvor im Fasching gelacht haben. Anton betritt mit der zugedeckten Terrine das Zimmer. Nur mühsam verkneifen die beiden das Lachen. „Was gibt es heute?“ fragt der Leutnant. – „Huhn, Herr Leutnant“, meldet stramm und wohlgelaunt der Bursche Anton.

Der Leutnant sieht zuerst den Fähnrich an, der Fähnrich den Leutnant und dann beide Anton. „Anton, bist du übergeschnappt?“ meint belustigt der Leutnant. „Nein, Herr Leutnant“ ist Antons lakonische Antwort. Den Rest denkt er sich wohl. Anton setzt den topf auf den Tisch. Leutnant und Fähnrich stecken die Köpfe über den dampfenden Inhalt. Wahrhaftig, ein Huhn! „Verdammt nochmal, wie hast du das angestellt, Anton? Fabelhafter Kerl bist du, da, da hast du drei Mark, gehe eine trinken.“ Anton nimmt den Taler, sagt „Danke schön, Herr Leutnant“, und haut ab. Schnell, sehr schnell. Beide vertilgen das Huhn, das ganz ausgezeichnet schmeckt, und brüten bei einer echten Mosel, wo Anton das Huhn herbekommen haben kann.

Im Dorf gibt es keines, darüber sind sie sich klar. Aber weiter kommen sie mit ihrer Wahrheit nicht. Um dem Rätselraten ein Ende zu machen, wird Anton gerufen und unter Verhör genommen. „Anton, ich sperre dich ein, wenn du nicht sagst, wo du das Huhn her hast.“ – „Jawohl, Herr Leutnant.“ Weiter ist aus Anton nichts herauszubringen. Man muß es im guten versuchen, denkt der Leutnant. „Anton, du bekommst acht Tage Heimaturlaub, wenn du es endlich sagst – “ – „Herr Leutnant, wenn ich Urlaub bekomme, sage ich -“ meint Anton. „Der Urlaub ist genehmigt, Anton. Also – “ – „Das Huhn, Herr Leutnant, ist aus dem Paket von Herrn Leutnant von der Mutter von Herrn Leutnant.“ Jetzt ist es heraus. Anton fuhr volle acht Tage zu Muttern in Urlaub. Der Leutnant hat ihm den Spaß, den er sich erlauben wollte, nicht übelgenommen. Dafür war er aus Mainz, wo man bekanntlich Spaß versteht.

Und über einen solchen „Blödsinn“ sollte der Leser im Reich eines Adolf Hitlers lachen können?

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 11/09/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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