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Alltagsleben im „Dritten Reich“ 1933: Und wieder sind die Juden Sündenböcke

„Der Angriff“, das Hetzblatt von Josef Goebbels, schrieb am Freitag, den 24. März 1933 auf Seite acht: Der deutsch-amerikanische Rasierklingenkampf / Im Lichte nationaler Volkswirtschaft:

Ein großer, einst blühender Industriezweig führt, soweit er sich keine Unabhängigkeit bewahrt hat, seit mehr als drei Jahren einen schweren Kampf gegen die amerikanische Großfirma „Gillette Safety Razor Comp.“ Seit länger als dreißig Jahren werden in Solingen, dem Zentrum der deutschen Schneidwaren-Industrie, dünne, zweischneidige Rasierklingen hergestellt. Auch Rasierapparate. Jedoch sind diese als Erzeugnisse der Metallwarenindustrie weniger stark in Solingen beheimatet. Gillette fabriziert beides, Apparat und Klinge. Er wurde durch den Weltkrieg groß, als die deutsche Industrie in ihrer Ausfuhr vollständig abgedrosselt war. Nach Beendigung des Völkerringens hatte sich dieser Kriegsgewinnler eine beachtliche Monopolstellung in der Welt verschafft.

Um so unangenehmer empfand er die nach dem Kriege wieder lebhaft in die Erscheinung tretende deutsche Konkurrenz, die zum mindesten gleichwertige Rasierklingen zu wesentlich billigeren Preisen auf den Weltmarkt brachte, so daß die Selbstrasierer immer mehr auf ihrem Gillette-Apparat deutsche Klingen verwandten. Seinen Kampf gegen die ihm lästig werdende deutsche Rasierklingen-Industrie leitete Gillette durch Erwerb der Firma Roth-Büchner, Berlin-Tempelhof, ein, die ihm durch Vermittlung eines jüdischen Bankiers in die Hände gespielt wurde. Damit war das größte und blühendste deutsche Unternehmen auf diesem Gebiete in seiner Hand.

Als die Solinger Rasierklingen-Industrie trotzdem ihren beispiellosen Aufstieg fortsetzte und die Monopolstellung Gillettes weitgehend erschütterte, kam der geschäftstüchtige Amerikaner auf eine neue Idee, um sich die ihm verhaßte Solinger Konkurrenz vom Halse zu schaffen. Millionenweise warf er teilweise als Zugabe zu Rasierseife neue Apparate auf den Markt, auf welche die seit dreißig Jahren einheitlich genormten Dreiloch-Rasierklingen nicht mehr paßten. Apparat und Langloch-Klinge, die nach maßgebenden Urteilen prominenter deutscher Sachverständiger keinerlei technischen Fortschritt oder erhöhten Gebrauchswert aufzuweisen haben, wurden in Deutschland zum Patent und Gebrauchsmuster angemeldet.

Die Solinger Rasierklingen-Industrie, in der etwa 250 Firmen mit rund 4000 Arbeitern lohnende Beschäftigung fanden, war dem Untergang geweiht, falls Gillette seinen Vernichtungsplan durchzuführen in der Lage war. In dieser Not schlossen sich die unabhängigen deutschen Rasierklingen-Fabrikanten zu einem festen Verband, um diesen ihnen aufgezwungenen Existenzkampf besser durchführen zu können. Nachdem das Reichspatentamt die von dem Patentanwalt Bohr im Auftrage der amerikanischen Firma viermal mangels schutzfähigen Inhalts abgelehnt hatte, wurde nach einer mündlichen Besprechung dennoch ausgelegt. Hiergegen setzte der Rasierklingen-Industrie-Verband im Dezember 1931 Einspruch ein, der trotz der lebenswichtigen Bedeutung für einen ganzen deutschen Industriezweig bis heute noch nicht zur Entscheidung gekommen ist.

Aus diesem Grunde konnte auch eine im Juli vergangenen Jahres eingeleitete Klage auf Löschung der Gillettschen Langlochklingen-Gebrauchsmuster bisher noch nicht entschieden werden. So geht der bisher blühende Zweig der an sich überaus schlecht beschäftigten Solinger Industrie auch langsam zugrunde, da die Nachfrage nach Langlochklingen wegen der riesigen Apparateverteilung seitens der Firma Gillette und ihrer deutschen Tochtergesellschaft Roth-Büchner immer größer wird und die Solinger Fabrikanten, gehemmt durch das langsame Arbeiten der deutschen Behörden, nicht in der Lage waren, diese an sich nicht schutzwürdige Klinge herstellen zu können. In anderen Ländern, wie z.B. Frankreich, Spanien und Canada sind längst unter Ablehnung des Einspruchs der Firma Gillette Langlochklingen für die heimische Fabrikation freigegeben worden und auch in USA stellen fast alle Konkurrenzfirmen Gillettes seit drei Jahren diese neuen Klingen in großen Mengen her.

Das Gesetz will nur den Erfinder schützen, dessen Erfindung einen wirklichen technischen Fortschritt bedeutet, aber keine Erfindung, die nichts weiter darstellt als eine mehr oder minder klug überlegte Wettbewerbsmaßnahme. Wir sind überzeugt, daß die Zeit vorbei ist, in der die nationale deutsche Industrie unter dem Kapitaldruck ausländischer Großunternehmen litt, die beschämenderweise in Deutschland immer noch willfährige Helfer, „besonders in jüdischen Kreisen“, fanden.

Und auf der letzten Seite „erfreute“ man die Leserschaft mit: „Soldatenhumor“ und beginnt mit der Überschrift „Der Favorit“: Kennt ihr noch alle das „Unterstandsspiel?“ Jeder Beteiligte fing ein – verzeihen sie das harte Wort – Läuschen. Auf einem Kistendeckel oder dergleichen war die Hindernisbahn, Start und Ziel wurden wurden mit Bleistift darauf markiert, das Nenn- und Startgeld betrug einen Groschen, „Dopping“, das darin bestand, das Tierchen vorher auf den Sekundenzeiger einer Uhr zu setzen und Karusselfahren zu lassen, um es in form zu bringen – war aber verboten. Das Rennen begann. Mit fiebernder Spannung wurde sein Verlauf verfolgt. Musketier Nieselpriems Läusin gewann mit fünf Längen verhalten. Nun Auszahlung und neuer Einsatz. Das zweite Rennen wurde gestartet. Auch dieses gewann das schnelle Tierchen, ebenso das dritte. Eine Pause mußte eingelgt werden. Die Kaffeeholer kamen mit dem Schlunz. Schnell wurde der Tisch mit dem Aermel abgefegt.

„Halt, halt“, schrie Nieselpriem und erfaßte vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger sein Läuschen.

„Mach se dot!“ schrien die anderen. „Woher denn“ sagte Nieselpriem und steckte die Fingerspitzen behutsam unter die Halsbinde, „mit dem Biest will ich nachher noch ville Jeld verdienen!“

Anhand dieser „Humoreske“ erkennt man schon, wie geistig minderbemittelt die NS-Führung handelte, die der Leserschaft solchen Schmonzes zumutete.

„Der Angriff“ war eine ganz andere Erscheinung in der Presselandschaft des Deutschen Reiches, den Josef Goebbels als Propagandaleiter von Berlin bereits im Jahre 1927 – zunächst als Wochenzeitung – gegründet hatte. Die Tageszeitung – seit 1930 – verstand sich als „Kampfblatt der Bewegung“ und die journalistischen Standards waren deutlicher als in anderen Blättern. Goebbels war mittlerweile in sein Amt als „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ – 13. März 1933 – eingeführt worden und lebte seine Machtfülle gnadenlos aus; – bis zum bitteren Ende.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 01/02/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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