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Shoah und Aghet: Armenien und Israel erinnern an Völkermorde

Erstmals fielen in diesem Jahr der Gedenktag an den jüdischen Holocaust, der Yom ha Shoah und der Gedenktag an den armenischen Genozid, Aghet, auf einen Tag, den 24. April.

Am 27. Nisan des jüdischen Kalenders, der in diesem Jahr auf den 24. April fiel, standen in ganz Israel um 10.00 Uhr nach einem Sirenensignal, für zwei Minuten das Leben still. Alle Menschen und Fahrzeuge in Israel bleiben in dieser Zeit stehen und erinnern sich der 6 Mio. jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Am 27. Nisan 1943 begann der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto, es war der erste Versuch von Juden selbst sich gegen ihre Auslöschung zu wehren. Der Staat Israel der 1948 zum Teil von Überlebenden des Holocaust gegründet wurde, bekennt sich ausdrücklich von Anfang an zur Tradition der Ghettokämpfer von Warschau.

Der Luxemburger Alphonse Kauthen (1901-1982) auf der Liste der Gerechten der Völker in Yad Vashem. Foto: Bodo Bost

Noch 213.000 Überlende der Shoah leben 2017 noch in Israel, viele haben die Vernichtungslager und Ghettos als Kinder überlebt. Viele leben heute allerdings unterhalb der Armutsgrenze, wie man in Israel eingesteht, weil die NS-Erfahrung diese Menschen ein Leben lang nicht losgelassen hat und dadurch auch ihr Berufsleben beeinträchtigt hat. Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu hatte in seiner Gedenkansprache in der nationalen Gedenkstätte Yad Vashem, wo die gesamte Gedenkkultur Israel konzentriert ist, am Vorabend an die heutigen Gefahren erinnert, die den Staat Israel bedrohen. Wörtlich nannte er den schiitischen Iran und die sunnitische Terrororganisation „Islamischer Staat“, die auch heute noch die Vernichtung des Staates Israel zu ihren Zielen erkoren haben. Er sagte: „In unserer Welt überlebt nur der Stärkere, der Schwache geht zugrunde. Wir Juden haben das selbst erfahren an unserem Volk mit der Shoah, und diese Lehre ist ständig bei uns präsent. Aus einem verteidigungslosen Volk sind wir zu einem Staat geworden mit einer Verteidigungsbereitschaft, die zu den stärksten auf der ganzen Welt gehört“. Nach der Rede entzündete Netanyahu sechs Fackeln in der Gedenkhalle von Yad Vashem, jede Fackel steht für eine Mio. Opfer. Neben der Gedenkhalle in Yad Vashem befindet sich der Garten der „Gerechten unter den Völkern“. Hier werden auch drei Luxemburger, die während der NS-Verfolgung Juden gerettet haben, namentlich geehrt: Pierre May, Victor Bodson und Alphonse Kauthen

Armenischer Völkermordgedenkpreis ging 2016 an zwei Luxemburger Stiftungen

Aghet Gedenkstätte in Armenien. Foto: Bodo Bost

Während fast alle Staaten der Erde den Holocaust an den Juden anerkannt haben, mit Ausnahme des Irans, haben den Völkermord an den Armeniern erst 23 Staaten weltweit anerkannt, Luxemburg war vor zwei Jahren der letzte. Leider gehört Israel, das sehr gute Beziehungen zu Aserbeidschan unterhält, bis heute nicht dazu. Die Armenier gedenken ihrer Opfer des Genozid von 1915-1923 im Osmanischen Reich jedes Jahr am 24. April. An diesem Tag begann 1915 mit der Verhaftung der gesamten armenischen Intelligenz in Konstantinopel die Vernichtung der armenischen Bevölkerung im osmanischen Reich. 1, 5 Mio. Menschen sollen diesem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts zum Opfer gefallen sein. Viele Überlebende retteten sich damals nach Westeuropa und in den sowjetisch besetzten Kaukasus. Erst seit 1965, dem 50. Jahrestag des „Aghet“ (große Katastrophe), wie die Armenier ihren Völkermord nennen, durften die Armenier ihrer Toten auf einem Berg, dem Tsitsernakaberd bei Eriwan gedenken. Damals erlaubten die Behörden der armenischen Sowjetrepublik den Bau eines nationalen Gedenkzentrums über der Hauptstadt Armeniens. Seit diesem Jahr, vor allem jedoch seit der Unabhängigkeit Armeniens 1991 ziehen Hundertausende, unter Führung der kirchlichen und zivilen Autoritäten auf diesen Berg und legen Blumen zum Gedenken an diese Opfer des Aghet nieder. Traurige armenische Lieder auf dem nationalen Instrument Duduk erklingen an diesem Tag in der Gedenkstätte. Noch eine Handvoll Überlebende, allesamt über hundert Jahre alt, sollen laut Zeitungsberichten noch in Armenien leben. Auch die Existenz des Staates Armenien, zumindest des Gebietes von Berg Karabach, ist auch heute noch von der Auslöschung bedroht, denn der Staat Aserbeidschan fordert dieses von Armeniern besiedelte und von armenischen Soldaten besetzte Territorium für sich zurück. Immer wieder kommt es an der „Kontaklinie“, wo sich die beiden Armeen gegenüberstehen zu Auseinandersetzungen, zuletzt vor einem Jahr Anfang April 2016, als an die 100 armenische Soldaten bei einem Überraschungsvorstoß aserbeidschanischer Einheiten getötet wurden.

Im letzten Jahr wurde zum 101. Jahrestag des Genozidbeginns auch erstmals am 24. April in Eriwan der „Aurora Prize for Awakening Humanity“ zum Andenken an Völkermordopfer heutiger Tage verliehen. Die Gründer des Preises, die in den USA und Russland lebenden Armenier Vartan Gregorian, Noubar Afeyan, Ruben Vardanyan und der Schauspieler George Clooney, beschreiben ihn als Nobelpreis für Menschlichkeit. Das Preisgeld von 1 Mio. Euro erhielt damals die aus Burundi stammende Gründerin von Maison Schalom, Maggy Barankidse, die nach dem Völkermord in ihrem Heimatland Waisenhäuser für Tausende von Völkermordwaisen errichtet hatte. Das Prinzip des Aurora Preises ist jedoch nach Vorgaben der Preisjury, dass der Preisempfänger 90% des Preisgeldes weitergeben muss an Initiativen, die sie zu ihrer Arbeit inspiriert haben. Maggy Barankidse gab zwei Drittel ihres Preisgeldes an zwei Luxemburger ONGs weiter, „Bridderlech Deelen“, das Hilfswerk des Erzbistums und die „Fondation du Grand-Duc et de la Grande-Duchesse“, eine Initiative von Grossherzogin Maria Teresa von Luxemburg, die Marguerite Barankidse als ihre beste Freundin bezeichnet. Beide Hilfswerke sind auch in diesem Jahr wieder nach Eriwan eingeladen um die Fackeln des Lichtes gegen den Völkermord an die zweite Empfängerin des Aurora Preises weiterzugeben. Im Mai wird die Post Armeniens eine Briefmarke mit der ersten Aurora Preisträgerin aus Burundi herausgeben.

Von Bodo Bost

Herr Bost ist Korrespondent der Israel-Nachrichten und lebt in Luxemburg.

 

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Von am 27/04/2017. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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