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Der Terroranschlag in der Sufi-Moschee auf der nördlichen Sinai-Halbinsel: Der aktuelle Zustand und seine Bedeutung

Am 24. November 2017 wurde in der Dorfmoschee von al-Rawdha in der Nähe der Kleinstadt Bir al-Abd (45 km westlich von al-Arisch) ein kombinierter Terroranschlag verübt. Dieser war der tödlichste Anschlag, der je von einer terroristischen Organisation in Ägypten verübt wurde. Bei dem Anschlag wurden 309 Personen getötet, darunter 27 Kinder. Zudem gab es 124 Verletzte. Die überwiegende Mehrheit waren Zivilisten, die in der Moschee am Freitaggebet teilgenommen hatten. Die meisten Bewohner des Dorfes al-Rawdha gehören dem al-Suwara-Stamm an und sind somit Teil der islamischen Sufi-Bewegung. Sie werden von den örtlichen Mitgliedern des IS-Ablegers auf der Sinai-Halbinsel als Ketzer, die getötet werden sollen, betrachtet und dienen daher als Ziel für Anschläge. Den Merkmalen des Anschlags zufolge sind wir der Ansicht, dass dieser tatsächlich vom IS-Ableger verübt wurde, auch wenn der IS dies bestritt.

Die Leichen von einigen Opfern des Anschlags in der Moschee von al-Rawdha.

Der Anschlag in der Moschee von al-Rawdha verdeutlicht die hohen operativen Fähigkeiten des IS-Ablegers auf der Sinai-Halbinsel, der in den letzten Monaten die Intensität und Raffinesse seiner Operationen erhöht hat. Unserer Ansicht nach haben sowohl der IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel als auch andere IS-Gruppierungen im Ausland zurzeit ein besonderes Interesse an der Durchführung von Vorführungsanschlägen, um zu verdeutlichen, dass sie immer noch existieren. Es sollte erwähnt werden, dass neben dem Anschlag in Ägypten vor kurzem Vorführungsanschläge in mehreren IS-Distrikten verübt wurden, darunter im Jemen und Afghanistan. Diese Anschläge zeigten deutlich, dass die operativen Fähigkeiten sowie die Motivation in den verschiedenen Distrikten des IS auch nach dem Zusammenbruch des islamischen Staates in Syrien und im Irak immer noch bestehen.

Beschreibung des Anschlags

Laut ägyptischen Medien und Meldungen des ägyptischen Generalstaatsanwalts Nabil Sadek wurde der Anschlag von etwa 25 bis 30 Terroristen verübt. Die Terroristen erreichten die Stelle mit fünf Geländewagen, auf denen Flaggen des IS positioniert waren. Einige von ihnen waren vermummt. Sie umstellten die Moschee und positionierten sich an den Eingängen und an den zwölf Fenstern. Danach warfen sie mindestens zwei Sprengsätze hinein und eröffneten das Feuer auf die Gläubigen, die zum Freitagsgebet in die Moschee gekommen waren. Dann zündeten sie sieben Fahrzeuge von Bewohnern an und flohen von der Stelle. Unserer Einschätzung nach galt die Verbrennung der Fahrzeuge der Absicht, die Evakuierung der Verletzten aus der Moschee und eine Jagd auf die Terroristen selbst zu erschweren.

Dementierung des IS

Am 26. November 2017 veröffentlichte die Nachrichtenagentur al-Haq ein etwa drei Minuten langes englischsprachiges Video, in dem behauptet wurde, dass der IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel jegliche Verbindung zum Anschlag in der Sufi-Moschee bestreitet. Im Video wird behauptet, dass die meisten der bei dem Anschlag getöteten Personen dem al-Suwara-Stamm angehören, und dass viele Mitglieder dieses Stamms dem IS dienen. Zudem wird im Video behauptet, dass eine Gruppe von Anhängern des Sufismus (eine spirituelle Strömung im islamischen Kulturkreis) in der Vergangenheit zwar vom IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel festgenommen worden war, aber danach wieder befreit wurde. In dem Video ruft ein IS-Aktivist die Sufisten sogar dazu auf, mit den IS-Aktivisten das Konzept der „Einzigartigkeit Gottes“ (Tauhid) zu studieren und sich dem Polytheismus entgegenzustellen.
In dem Video wird die ägyptische Armee beschuldigt, sie habe (durch den Anschlag) versucht, den al-Suwara-Stamm in einen Kampf gegen den IS zu zerren. Das Video wirft dem ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi vor, er habe den Suwara-Stamm glauben lassen, der IS hätte seine Söhne getötet (al-Haq, 26. November 2017).[1]

Unserer Einschätzung nach sind die Verleugnung des Terroranschlags in der al-Rawdha-Moschee von Seiten des IS und die Anschuldigungen sowohl gegen die ägyptische Armee als auch gegen Präsident as-Sisi erlogen. Denn der Anschlag in der Moschee, der von 25 bis 30 Aktivisten mit fünf Geländewagen verübt wurde, erforderte ein hohes Maß an operationellen Fähigkeiten und Raffinesse, die für den IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel charakteristisch sind. Nach Berichten in den ägyptischen Medien und der Äußerung des ägyptischen Generalstaatsanwalts schwenkten die Terroristen, die am Tatort eintrafen, IS-Flaggen. Auch die Wahl der Sufisten als Anschlagsziel passt in die Denkweise des IS. Denn der IS betrachtet die Anhänger des Sufismus als „Ketzer“ und soweit bekannt ist haben die Sufisten auf der Sinai-Halbinsel in der Vergangenheit den ägyptischen Sicherheitskräften geholfen.

Reaktionen der ägyptischen Sicherheitskräfte

Die ägyptische Armee durchsuchte das Gebiet des Anschlags. Die ägyptische Luftwaffe lokalisierte einige der Terroristen, die nach dem Anschlag geflohen waren, und griff sie an. Die ägyptische Armee veröffentlichte Fotos, auf denen die Zerstörung von zwei Fahrzeugen der Terroristen, die den Anschlag verübten, zeigen (Offizielle Facebook-Seite des Sprechers der ägyptischen Armee, 25. November 2017). Die ägyptischen Medien berichteten, dass die ägyptische Luftwaffe 15 Terroristen, die am Anschlag beteiligt gewesen waren, getötet haben. Offenbar waren dies die Terroristen, die sich in den fliehenden Fahrzeugen befunden hatten (Masrawy Nachrichtenagentur, 24. November 2017).

Am 26. November 2017 wurde auf der nördlichen Sinai-Halbinsel der Alarmzustand ausgerufen. Ägyptische Sicherheitskräfte setzten mobile Kontrollpunkte in den Straßen von al-Arisch ein (al-Watan, 26. November 2017). Zwischen der ägyptischen Armee und den „Terroristen“ kam es zudem zu Konfrontationen bei der Evakuierung von Gebäuden in der Pufferzone zwischen dem Sinai und dem Gazastreifen durch die Armee (Facebook-Seite von Sinai News, 26. November 2017). Am 27. November wurde berichtet, dass ägyptische Sicherheitskräfte im Norden Sinais eine „Sicherheitsoperation“ durchführen. In dieser Phase konzentriert sich die Operation auf die Stadt Al-Arisch, wo Dutzende von Verdächtigen festgenommen wurden (al-Masri al-Yawm, 27. November 2017).

Darüber hinaus griffen Flugzeuge der ägyptischen Luftwaffe einen Stützpunkt des IS auf der Sinai-Halbinsel an. Die ägyptische Armee veröffentlichte ein Video, in dem die Anschläge auf Basen, Waffen, Munitionen und Sprengstoffe zu sehen sind.

Präsident as-Sisi versprach, dass die ägyptischen Sicherheitskräfte einen Vernichtungskrieg gegen die Terroristen starten wird

Am 24. November 2017 hielt der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi eine Rede, in der er sich auf die Massentötung der Gläubigen in der Moschee bezog. Er versprach, dass die ägyptische Armee und die Polizei in naher Zukunft die Sicherheit und Stabilität „mit voller Wucht“ wiederherstellen würden. Er sagte: „Wir werden auf diese Tat brutal reagieren“[2] in der Konfrontation mit diesen Extremisten, mit diesen Takfiri-Terroristen (alias Salafi-Dschihadisten).

Die Sufi-Strömung „im Fadenkreuz“ des IS

Die Bewohner des Dorfes al-Rawdha gehören der Sufi-Strömung des Islams an und werden vom IS als „Ketzer“ betrachtet. Nach der ägyptischen Zeitung al-Shorouk, die sich auf eine Sicherheitsquelle stützt, ereignete sich etwa vor einem Monat ein Vorfall zwischen Terror-Aktivisten (sprich Mitglieder IS) und den Dorfbewohnern. Grund dafür war der Widerstand der Dorfbewohner gegenüber den Tätigkeiten von IS-Aktivisten gegen die ägyptischen Streitkräfte und die Polizei sowie gegen die Bewohner des Sinais. Arabische Medien berichteten, dass Mitglieder des IS-Ablegers auf der Sinai-Halbinsel bereits in der Vergangenheit Drohungen gegen die Dorfbewohner und gegen die Sufisten im Allgemeinen gerichtet hatten. In Folge des Anschlags forderte der Sufi-Orden vom ägyptischen Innenministerium, die größten Moscheen in Kairo und in den verschiedenen Landesbezirken zu sichern, da sie seit einiger Zeit auf der Zielscheibe des IS stehen (al-Masri al-Yawm, 25 November 2017).

Der Sufismus ist eine mystisch-spirituelle Strömung im Islam, die darauf ausgerichtet ist, dass Gott nicht allein durch die Sinne oder den Verstand zu verstehen ist, sondern eher durch eine innere Suche nach dem religiösen Glauben und nicht unbedingt nach materiellen Eigenschaften. Diese innere Suche beinhaltet die Kasteiung, die Isolation und die Konzentration, durch die man die Erfahrung der Vereinigung mit Gott („Ittihad“) erreichen kann. Der Sufismus vertritt zwar das muslimische Gesetz („Scharia“), nimmt jedoch an, dass das Verständnis der absoluten Wahrheit Gottes („Hakika“) und seiner Wege nur durch die Mitgliedschaft im jeweiligen Orden, durch die Befolgung der Gebote und durch gute Taten gemäß den Werten der Toleranz und des Pluralismus zu erreichen ist.

Im Verlauf des Pfads („Tariqa“) folgt der kundige Schüler („Murid“) den Anweisungen und dem Leben seines geistigen Anweisers, bis er selbst die Einheit mit Gott erreicht. In der Neuzeit wird der Sufismus von den radikalislamistischen Strömungen und die salafi-dschihadistischen Organisationen (al-Qaida und IS) verfolgt, da sie den Salafi Lebensweg und die Rituale als Ketzerei im Islam betrachten. Heute leben weltweit rund 15 Millionen Sufisten. Die meisten von ihnen sind Sunniten. Die Sufisten akzeptieren die Autorität der arabischen Regierungen, die ihre Schirmherrschaft über sie ausweiten. Die Sufisten auf der Sinai-Halbinsel unterstützen das ägyptische Regime im Kampf gegen den radikalen Islam. Unserer Ansicht nach war dies auch der Hintergrund für die Wahl von al-Rawdha als Ziel des jüngsten Terroranschlags.

Quelle: Meir Amit Informationszentrum über Geheimdienste und Terrorismus

 

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Von am 03/12/2017. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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