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Die Todesfabrik Auschwitz-Birkenau nach Ende der Nazi-Schreckensherrschaft

Nach dem Tod von Rudolf Höß im Jahre 1947 begann der Lagerkomplex, den er aufgebaut hatte, rasch zu verfallen. Einheimische aus der Umgebung rissen in Birkenau Baracken nieder, um mit den Baustoffen ihre eigenen Häuser auszubessern. Es wurden aber auch ganz andere Dinge gestohlen. Um irgendwie an Geld zu kommen gingen einige Polen zu den zerstörten Krematorien und suchten nach Gold. Sie hoben Erde aus, die mit Knochenstückchen durchsetzt war, füllten sie in eine Schüssel und wuschen das Gold mit Wasser aus. In seinem Tagebuch schrieb der Pole Janek, dass auch er in der Umgebung der zerstörten Krematorien nach Wertgegenständen suchte: „Ich erinnere mich, dass ich einen Goldzahn fand, eine jüdische Münze und ein Armband. Heute würde ich so etwas natürlich nicht mehr machen. Ich würde nicht zwischen menschlichen Überresten herumwühlen, weil ich weiß, dass das einer Entweihung gleichkommt. Aber nach dem Krieg war das Leben sehr hart, man musste wieder bei null anfangen.“

Direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges der ehemalige poltische Gefangene Stanislaw Hantz, der die Hinrichtung von Rudolf Höß miterlebt hatte, als Wachtposten an der Todesstätte von Birkenau. Er versuchte, die Einheimischen daran zu hindern, die Überreste der Krematorien auszuplündern, indem er über ihre Köpfe Warnschüsse abgab. „Wir nannten sie Friedhofshyänen“, erzählte er später. „Es war uns unbegreiflich, wie diese Leute das Massengrab durchwühlen konnten..!“ Auch wenn er nicht auf seinem Posten in Birkenau war, wusste er sofort, wenn einer von ihnen in der Nähe war: „Man konnte sie an ihrem Geruch erkennen. Sie rochen schon von weitem. Es war der Verwesungsgeruch von Leichen. Es brauchte nur einer von ihnen die Straße entlang zu gehen, und man wusste Bescheid.“

Es dauerte noch viele Jahre, bis der Schauplatz des Massenmords an den Juden in eine würdige Gedenkstätte umgewandelt wurde; erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde am Museum eine Gedenktafel angebracht, die in gebührender Weise an die Leiden der Juden erinnerte. In den Nachkriegsjahren hatte der ehemalige SS-Rottenführer aus Auschwitz, Oskar Gröning, eine Stellung in einer Glashütte bekommen, wo er sich auch hocharbeitete. Schließlich wurde er sogar zum ehrenamtlichen Richter am Arbeitsgericht berufen..!! Ohne sich der Ironie seiner Worte bewusst zu sein, tätige er folgende Aussage: „Der Personalleiter erklärte mir, dass mir meine Erfahrungen bei der Hitlerjugend und bei der SS zugute gekommen waren. Seit meinem zwölften Lebensjahr weiß ich, was Disziplin bedeutete.“ Obgleich er in den Vernichtungsprozess in Auschwitz mit einbezogen war, indem er die den Neuankömmlingen geraubten Devisen sorteirt und gezählt hatte, fühlte er sich keines Vergehens schuldig: „Wir zogen eine Trennungslinie zwischen denjenigen, die direkt am Tötungsprozess beteiligt waren, und jenen, die es nicht waren.“

Darüber hinaus berief er sich immer darauf, nur Befehele ausgeführt zu haben, und versuchte, sich mit folgenden Worten zu rechtfertigen: „Wenn eine Kompanie zum ersten Male unter Beschuss gerät, stehen auch nicht alle auf und sagen: Also damit sind wir nicht einverstanden, und gehen nach Hause.“ Einen ähnlichen Standpunkt vertraten auch westdeutsche Staatsanwälte nach dem Krieg, als es zu entscheiden galt, welche SS-Angehörigen aus Auschwitz der Kriegsverbrechen angeklagt werden sollten und welche nicht. Ein Mitglied der SS,k das weder eine führende Position inne hatte noch direkt am Töten beteiligt war, entging in der Regel einer Anklage. Aus diesem Grunde wurde auch Gröning nicht vor Gericht gestellt, als man nach dem Krieg seine Vergangenheit aufdeckte – was angesichts der Tatsache, dass er weder seinen Namen änderte noch untertauchte, nicht schwierig war. So erklärt sich, weshalb ein SS-Angehöriger aus Auschwitz, der nicht nur Zeuge der Massenvernichtung gewesen war, sondern auch in seiner Funktion als „Verwalter“ gestohlener Gelder zur „Endlösung“ beigetragen hatte, von den damaligen westdeutschen Behörden nicht für „schuldig“ gehalten wurde.

Von den etwa 6.500 SS-Schergen, die zwischen den Jahren 1940/45 in Auschwitz gearbeitet und überlebt hatten, wurden tatsächlich nur etwa 750 verurteilt. Darüber hinaus spielten auch die politischen Spannungen, die der Kalte Krieg mit sich brachte, eine Rolle. Nicht zuletzt mangelte es jedoch eindeutig am Willen aller Beteiligten. Obgleich in den Nürnberger Prozessen die SS in ihrer Gesamtheit als „verbrecherische Organisation“ eingestuft wurde, unternahm niemand den Versuch, allein die Tätigkeit als SS-Angehöriger in Auschwitz zum „Kriegsverbrechen“ zu erklären, obwohl dies die öffentliche Meinung sicher begrüßt hätte. Die Verurteilung und Bestrafung eines jeden in Auschwitz eingesetzten SS-Angehörigen, wie geringfügig auch immer, hätte eine deutliche Signalwirkung für die Zukunft gehabt. Doch nichts dergleichen ist jemals in großem Ausmaß geschehen. Was ist geblieben von dieser tragischen Geschichte? Was bleibt, ist eine Welt, in der die Mehrheit der Täter nicht bestraft wurde und in der die meisten Opfer niemals volle Wiedergutmachung erlangten.

Im Gegenteil: Viele hatten nach dem Krieg weiterhin unter Vorurteilen und Diskriminierung zu leiden. Dieses dunkle Fazit ist schwer zu akzeptieren, widerspricht es doch einem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Gerechtigkeit, dem Wunsch, dass die Unschuldigen entschädigt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Bald schon wird sich der letzte Überlebende und der letzte Täter aus Auschwitz zu jenen gesellen, die im KZ ihr Leben ließen. Es wird dann niemanden mehr geben, der noch eine persönliche Erinnerung an diesen Ort der Vernichtung hat. Und wenn dies geschieht, besteht die Gefahr, dass der Holocaust in ferne Vergangenheit rückt und eines von vielen anderen grausamen Ereignissen der Weltgeschichte wird. Im Kontext der hochentwickelten europäischen Kultur in der Mitte des 20. Jahrhunderts gesehen waren Auschwitz und die „Endlösung“ die schändlichsten Verbrechen der gesamten Menschheitsgeschichte.

Die Nationalsozialisten hatten der Menschheit vor Augen geführt, wozu gebildete, fortschrittliche Menschen fähig sind, sobald sie ihre Menschlichkeit eingebüßt hatten. Sobald dieses Wissen in das Gedächtnis der Menschheit eingegangen ist, darf es nie mehr verloren gehen. Auschwitz und die anderen Konzentrationslager der Nazis sind eine Warnung an uns alle, die uns nachfolgen werden.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 04/05/2018. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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