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Ausstellung über Oberrabbiner Emmanuel Bulz

Emmanuel Bulz, von 1958-1990 Oberrabbiner von Luxemburg und danach bis zu seinem Tod „grand rabbin honoraire“, starb vor 20 Jahren, am 4. November 1998. Die „Luxembourg School of Religion&Society“ (LSRS) widmet ihm eine Ausstellung im Centre Jean XXIII.

Emmanuel Bulz. Foto: B. Bost

Anlässlich des 20. Todestages von Grand Rabbin Emmanuel Bulz (1917-1998) zeigt die LSRS unter dem Titel „Joie de la Mitswa“ ab dem 4. November im Centre Jean XXIII. zwei Wochen lang eine biographische Ausstellung in Erinnerung an diesen Oberrabbiner mit der längsten Dienstzeit in Luxemburg. Der aus Wien gebürtige und in Jugoslawien aufgewachsene Sohn des Rabbiners von Belgrad, der 1938 in Paris ein Rabbinats-Studium begonnen hatte, setzte nach Kriegsbeginn in Chamalières im Untergrund seine Studien fort, ab 1942 schloss er sich als „Eugène Bernard“ in Clermont Ferrand der jüdischen Résistance, der „Organisation juive de Combat“ an, wo er sich auf das Herstellen gefälschter Stempel und Ausweiße spezialisierte; mit solchen gefälschten Ausweisen und Papieren konnten viele verfolge Juden die Shoah überleben. Seine erste Rabbinerstelle fand Emmanuel Bulz 1949 in La Chaux-de-Fonds in der Schweiz, wo er den Beginn des christlich-jüdischen Dialogs in Europa miterlebte und nebenbei auch ein Doktorat in vergleichendem Recht machte. Seit 1958 in Luxemburg hatte er eine seiner ersten öffentlichen Auftritte zur Einweihung einer Gedenktafel an die Opfer der jüdischen Gemeinde von Medernach am 9. November 1958. Damals sagte er: „Der heutige Tag ist der 20. Jahrestag eines anderen November, der eine traurige Berühmtheit erlangt hat. An jenem 9. November 1938 wurden hunderte von Synagogen eingeäschert, vor den Augen eines indifferenten Volkes. Zuerst verbrannte man Bücher; dann Synagogen, dann Menschen. In Medernach wurden zwölf Familien ausgetilgt. Das ist allerdings ein kleiner Teil an der unermesslichen Zahl von 6 Millionen Männer und Frauen, die für eine heidnische Zivilisation geopfert wurden…..Wir werden sie nicht vergessen. Dieses Nichtvergessen soll nicht geschehen in einem Geist der Rache. Die Bibel erinnert daran, dass das Böse im Menschen wohnt, von wo man es ausreißen möchte, daher muss man dieses Böse stets eingedenk sein“. Dies sagte ein Mann, der in der Shoah in Jugoslawien seine Eltern verloren hatte und dessen beide Schwestern Auschwitz überlebt hatten.

Bulz und Israel

Seit seiner Jugend in Jugoslawien war Emmanuel Bulz Mitglied zionistischer Bewegungen. Wladimir Jabotinski hatte er in seiner Studienzeit in Wien 1936 kennengelernt und ihn zu einer Konferenzreise nach Jugoslawien beglitet. Während seines Studiums in Paris und Chamalières war er ein Studienkollege von André Chouraqui (1917-2007). Seine beiden Schwestern waren nach ihrer Heimkehr von Auschwitz nach Palästina ausgewandert. Fast jedes Jahr besuchte auch Emmanuel Bulz Israel, wo auch seine Schwiegereltern lebten.

Emmanuel Bulz mit dem grossherzoglichen Paar in Israel 1987. Foto: B. Bost

Am 10. Februar 1985 empfing die jüdische Gemeinde in Luxemburg den israelischen Präsidenten Chaim Herzog während dessen Staatsbesuchs in Luxemburg. 1987 wurde Oberrabbiner Bulz eingeladen Großherzog Jean und Großherzogin Joséphine-Charlotte bei ihrem offiziellen Besuch in Israel zu begleiten. Auf dem Programm des Besuches standen ein Besuch in der Shoah Gedenkstätte Yad Vashem und im Diasporamuseum in Jerusalem. Es war der erste Staatsbesuch eines europäischen Herrscherpaares in Israel überhaupt. Während des Besuches wurde im Kibbuz Kfar Hahoresh in Galiäa ein « Forêt Grande-Duchesse-Charlotte » eingeweiht, der von der jüdischen Gemeinde in Luxemburg gestiftet worden war. Obwohl Emmanuel Bulz nie längere Zeit in Israel gelebt hatte, sprach er die Nationalsprache, Iwrith, perfekt. Er hatte dort das Haus seiner Schwiegereltern in Naharija geerbt, wo er fast jedes Jahr mit seiner Familie einen Urlaub verbrachte. Besonders eng lag ihm das Schicksal der Hadassah Klinik von Jerusalem mit den berühmten Chagall-Fenstern, das größte Krankenhaus des Landes, am Herzen. E.Bulz gründete in Luxemburg einen Wohltätigkeitsfonds mit dem er die Klinik finanziell unterstützte. E.Bulz stand dem Projekt Judenstaat und später dem Staat Israel als Zionist seit seiner Jugend immer sehr nahe. Obwohl seine beiden einzigen Schwestern nach Israel gegangen sind, hat er nie selbst an eine Allijah (Auswanderung nach Israel) gedacht. Vielleicht hatte gerade sein Engagement in der Resistance und der fast lückenlose Übergang von der Resistance in die aktive Dienstzeit als Rabbiner in der vom Krieg und Judenverfolgung verschonten Schweiz einen Gedanken an Allijah nie wirklich aufkommen lassen? Dennoch stand er rückhaltlos hinter dem Projekt der Staatsgründung Israels von 1948. Seine Unterstützung für Israel basierte in erster Linie auf biblischen Motiven und auf der Tatsache, dass Israel eine Staatsgründung von Überlebenden der Shoah war.

Deshalb war E.Bulz sehr enttäuscht, dass das Konzilsdokument Nostra Aetate von 1965 und die Gebrauchsanweisung zu diesem Dokument von 1974 kein Wort zum Staat Israel verlor, ja den Staat aus Rücksicht auf die arabischen Staaten, nicht einmal erwähnte. Beide Texte wenden sich an das jüdische Volk generell. Bulz bedauerte, dass das römische Dokument nicht den Mut zeigt, welche die französischen Bischöfe an den Tag legten, als sie den Juden, gerade angesichts des Holocaust, das Recht auf einen eigenen Staat zubilligten. Dies sagte er auch Papst Johannes Paul II bei dessem Staatsbesuch in Luxemburg 1985. Dennoch kritisierte E.Bulz die Regierung Israels, als Reaktion auf die Unterlassung der Erwähnung des Staates Israel, das Angebot zu gemeinsamen Gebeten zwischen Juden und Christen abzulehnen. Für E.Bulz sollte Politik von Religion getrennt werden. Im Dialog kann es auch manchmal um ein gemeinsames Schweigen gehen, sagte er.

Auf die Frage nach den wichtigsten Ereignissen in seiner 32jährigen Amtszeit als Groß Rabbiner in Luxemburg antwortete E.Bulz 1990, dass dies der Sechs-Tage Krieg in Israel gewesen sei, als die Juden in der Diaspora mit Israel mitgelitten haben und der Staatsbesuch des Großherzoglichen Paares, an dem er 1987 teilnehmen konnte.
Sein Ruf ging weit über die Grenzen Luxemburgs hinaus. So war er 1968 zusammen mit Schalom Ben Chorin Mitbegründer des christlich jüdischen Dialogs in Trier und einer der wichtigsten Organisatoren der berühmten, innerjüdischen Bibeltage von Antwerpen. Emmanuel Bulz wurde auch bekannt für seine Konferenzen, Publikationen, Reden und Radiosendungen zu u.a philosophischen, religiösen und gesellschaftlichen Themen.

32 Jahre lang, bis zum 1 Juli 1990, hat Emmanuel Bulz als Landesrabbiner in Luxemburg gewirkt. Bei seinem Ausscheiden 1990 erhielt er in Anbetracht seiner herausragenden Verdienste von der Luxemburger Regierung den Ehrentitel «Grand Rabbin honoraire». Es war das erste Mal, dass die Regierung von Luxemburg diesen Titel zuerkannte. Auch nach seiner Pensionierung blieb der Großrabbiner i. R. Bulz nicht inaktiv. Diskret, fuhr er fort als Berater im Hintergrund weiterhin seiner Gemeinde zu dienen. Er gab allen, die dies wünschten, seinen Rat. Für seine patriotische Tätigkeit hat er mehrere hohe Auszeichnungen erhalten, darunter den Titel „Ritter der Ehrenlegion“ am 6.November 1974. Einer der ersten Gratulanten war damals der Luxemburger Bischof Jean Hengen, ein Zeuge des Massakers auch an vielen Juden bei den Ardeatinischen Grotten bei Rom 1944. Gestorben ist Groß Rabbiner Bulz am 4. November 1998 in der Clinique Sainte Thérèse in der Stadt Luxemburg.

Oberrabbiner Bulz bei der Einweihung des Luxemburger Waldes im Kibbuz Har Horesh. Foto: B. Bost

Zur Ausstellungseröffnung am 4.November seinem 20.Todestag hatten sich 100 Menschen ins Centre Jean XXIII. begeben. Viele kannten Oberrabbiner Bulz noch aus seiner aktiven Zeit, darunter auch die Luxemburger Familienministerin Corinne Kahn, die einige Anekdoten aus ihrer Zeit im Religionsunterricht mit Rabbiner Bulz berichtete, der sie als Kind und Jugendliche sehr geprägt hatte. Auch die ehemaligen Konsistoriumspräsidenten Guy Aach und Claude Marx erzählten von ihrer gemeinsamen Wegstrecke mit dem Oberrabbiner und Menschen Emmanuel Bulz, dem die Luxemburger Jüdische Gemeinde viel zu verdanken hat. Auch sein Sohn Michel Bulz ist als Konsistoriumspräsident eine Zeitlang seinem Vater in eine Leitungsfunktion in der Gemeinde gefolgt. Sein Schwiegersohn Jean Jacques Wahl, der in Paris lebt wurde sogar Präsident der „Alliance israelite de France“. Beide erzählten wie sie ihr Vater und Schweigervater geprägt hat. Für die christliche Seite sprachen der ehemalige Pfarrer der Luxemburger evangelischen Gemeinde, Michel Faullimmel und der Mitbegründer des christlich-jüdischen Gesprächskreises Edouard Wolter über die wichtige Rolle die E.Bulz als einer der Initiationen dieses schwierigen interreligiösen Dialogs spielte. Der derzeitige Luxemburger Oberrabbiner Alain Naccache, der Bulz nur von Begegnungen in Frankreich kannte, versprach in seiner Ansprache im Sinne von E.Bulz die Luxemburger Synagogengemeinde, die mittlerweile eine sephardische Mehrheit hat, weiter zu leiten.

Von Bodo Bost

Herr Bost ist Journalist und Fotograf und freier Redakteur der Israel-Nachrichten, er lebt und arbeitet in Luxemburg.

 

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Von am 12/11/2018. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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