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Analyse: Die profunde Heuchelei der Niederlande gegenüber den Juden

ZUSAMMENFASSUNG: Die Haltung der Niederlande gegenüber den Juden zeigt, dass die niederländische Gesellschaft zutiefst heuchlerisch ist. Die niederländische Regierung ist nach wie vor die einzige Regierung in Westeuropa, die sich geweigert hat, das massive Versagen ihrer Vorgänger gegenüber den Juden während des Zweiten Weltkriegs anzuerkennen oder gar zu entschuldigen. Wenn man die Wahrheit der Vergangenheit ignoriert, kann die niederländische Regierung und Teile des politischen Systems als moralische Richter über andere fungieren, wobei Israel ein Hauptziel ist.

Verhaftete Holländische Juden während des Holocaust. Foto: United States National Archives

Die Niederlande sind eine zutiefst heuchlerische Gesellschaft. Um eine solche Aussage im Detail zu beweisen, wäre ein langes Buch erforderlich. Eine Abkürzung, um diese Behauptung zu untermauern, ist die Betrachtung der Geschichte der Beziehung zwischen den niederländischen Juden und der gesamten Gesellschaft.

Das extreme Verhalten der Niederländer ist nicht ohne weiteres erkennbar. Die Niederlande sind gegenüber ihren Juden nicht besonders gastfreundlich, aber man kann ihre Haltung ihnen gegenüber nicht zu den schlechtesten in Europa zählen. Nur eine Handvoll ausländischer Korrespondenten ist im Land ansässig, so dass negative Aspekte der Niederlande nur selten in die internationalen Medien gelangen.

Im Mai 1940 wurden die Niederlande innerhalb weniger Tage von den einmarschierenden Deutschen besetzt. In den folgenden Jahren wurden mehr als 70% der 140.000 Einwohner der jüdischen Bevölkerung ermordet, nachdem sie in deutsche Lager gebracht worden waren, hauptsächlich in Polen. Bei den Vorbereitungen für das, was zum Völkermord führen würde, folgten die niederländischen Behörden den Befehlen der Nazis. Die niederländische Polizei verhaftete Juden, darunter auch Babys, nur weil sie Juden waren. Niederländische Eisenbahnen transportierten Juden in das niederländische Durchgangslager Westerbork und von dort zur deutschen Grenze. Die niederländische Polizei bewachte die Juden im Lager.

Die niederländische Exilregierung in London gab der Bürokratie in ihrem besetzten Land keine Anweisungen. Ein Angestellter der Regierung in London, Henri Dentz, schrieb im Dezember 1943 einen Bericht, wonach die meisten niederländischen Juden bereits ermordet worden waren. Dieser Bericht wurde an alle Ministerien und an eine Reihe anderer niederländischer Institutionen in London, einschließlich des Roten Kreuzes gesendet. Nach dem Krieg bezeugte Dentz, dass niemand es lesen wollte.

Während die Behörden in den besetzten Niederlanden die Nazis unterstützten, half eine kleine Minderheit guter Holländer 24.000 Juden, sich zu verstecken. Ein Drittel davon wurde letztendlich verraten. Nach Angaben eines Historikers, mit dem ich sprach, waren die Niederlande das einzige besetzte Land, in dem eine Gruppe von Freiwilligen und eine spezielle Polizeieinheit bezahlt wurden, um versteckte Juden zu jagen.

Trotzdem ist die niederländische Regierung nach wie vor die einzige in Westeuropa, die sich ständig weigert, die gewaltigen Mißerfolge ihrer Kriegsvorgänger gegenüber den Juden zuzugeben. Selbst die kleinen Staaten Luxemburg und Monaco, haben ihr Fehlverhalten in der Kriegszeit eingestanden und sich entschuldigt.

In einem Interview mit einem israelischen Regierungsradiosender im Jahr 2000 sagte der niederländische Ministerpräsident Wim Kok: „Die Niederländer waren nie für das Fehlverhalten der Deutschen in den Niederlanden während des Krieges verantwortlich.“ Er erwähnte nicht die Verantwortlichkeit niederländischer Behörden, Institutionen und vieler Einzelpersonen für das Fehlverhalten in Kriegszeiten gegenüber niederländischen Juden. Es war ein klassischer Strohmann-Streit. Niemand beschuldigt die Niederländer, die Verbrechen der Nazis begangen zu haben, nur ihre eigenen.

Dieses Fehlen von Anerkennung und Entschuldigung für Straftaten und Nachlässigkeit, ist ein Schlüsselelement der Heuchelei in der niederländischen Gesellschaft. Diese Heuchelei kann man auch an anderen Orten sehen. Die Niederlande haben in den Feldzügen von 1947 und 1948 Kriegsverbrechen begangen – euphemistisch als „Polizeiaktionen“ bekannt – in ihrer damaligen Kolonie, den Niederländisch-Indien-Inseln, jetzt Indonesien.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich kaum jemand für diese niederländischen Verbrechen interessiert, selbst nachdem Informationen über sie veröffentlicht wurden. Betrachten wir zum Beispiel den Fall des niederländischen Offiziers Raymond Westerling, der während des indonesischen Krieges für die „Befriedigung“ von Teilen der Insel Sulawesi verantwortlich war. Ein Interview mit ihm, in dem er zugab Kriegsverbrechen begangen zu haben, wurde 1969 gefilmt. Kein niederländischer Fernsehsender stimmte der Ausstrahlung zu. Der Film wurde schließlich 2012 gezeigt. 1971 erzählte Westerling einem Journalisten bei einem Glas verdünntem Whisky, dass er 350 Gefangene vor ein Kriegsgericht gestellt und sie persönlich hingerichtet habe. Wieder wurden keine Maßnahmen von den Justizbehörden ergriffen. In den späten 1960er Jahren wurde der junge niederländische Historiker Cees Fasseur, offiziell wegen Ermittlungen gegen diese „Polizeiaktionen“ angeklagt. Später gab er zu, dass seine Forschung nur oberflächlich war.

1997 schrieb der Historiker Ad van Liempt ein Buch mit dem Titel: „Der Zug der Leichen“, in dem er detailliert beschrieb, wie die Niederländer in diesem Krieg etwa die Hälfte der örtlichen Gefangenen bei einem Zugtransport verhungern liessen. Van Liempt erzählte mir, dass viele es für skandalös befunden hatten, dass er das Buch geschrieben hatte. Ein mir persönlich bekannter niederländischer Filmemacher drehte 1995 einen Film über die Massenmorde von Hunderten Männern durch die niederländische Armee im Dorf Rawagede auf der Insel Java. Er erzählte mir, die Einheimischen sprachen von ähnlichen Verbrechen, die in nahe gelegenen Dörfern stattgefunden hatten.

Der niederländisch-schweizerische Historiker Rémy Limpach veröffentlichte 2017 ein Buch mit 870 Seiten und mehr als 2.400 Fußnoten über niederländische Kriegsverbrechen, die 1947 und 1948 auf Niederländisch-Indien gegen Unabhängigkeitskämpfer und kriminelle Bands begangen worden waren. Er kam zu dem Schluss, dass diese Verbrechen strukturell und nicht zufällig waren, wie zuvor behauptet worden war. Das Buch gibt viele Beispiele dafür, wie Soldaten Brandstiftung begingen, Gefangene folterten und erschossen und Frauen und Kinder getötet haben. Es erwähnt auch die Vergewaltigung von Minderjährigen. Es wurden mehrere Rezensionen veröffentlicht, aber in der niederländischen Gesellschaft gab es keine größeren Reaktionen.

Ich habe zwei führende niederländische Historiker gefragt, warum den Niederländern ihrer problematischen Vergangenheit so gleichgültig ist. Frank van Vree antwortete: „Die Geschichte der Kriegserinnerung zeigt, dass die Niederlande bereit sind, sich die Schwächen ihrer Gesellschaft anzusehen. Gleichzeitig besteht jedoch der hartnäckige Gedanke, dass die Niederlande in vielerlei Hinsicht einen Fehler gemacht haben. Aber alles in allem hat es vieles besser gemacht als andere. Das Gefühl, „wenn wir es nicht gut gemacht haben, haben wir es dennoch besser gemacht als andere“, ist in der niederländischen Kultur tief verwurzelt. Auf der einen Seite gibt es Anerkennung, auf der anderen Seite wird verdeckt.“

Hans Blom sagte: „Die Niederlande sind ein Land, in dem die Notwendigkeit Kompromisse einzugehen, schon sehr früh in ihrer Geschichte vorhanden war. Darüber hinaus kann man sagen, dass die Niederlande im 19. und 20. Jahrhundert eine Tradition entwickelt haben, zu glauben, dass „wir“ ein Land mit sehr hohen moralischen Standards sind. Im 19. Jahrhundert wurde unweigerlich klar, dass die mächtigen Niederlande gegenüber der Republik der Vereinigten Niederlande kein wesentlicher Faktor mehr waren. In diesen kleinen Niederlanden zeigte sich ein Selbstverständnis, dass es besser ist, die moralischste Nation der Welt zu sein, als die stärkste. In einer solchen Tradition eines hohen moralischen Selbstverständnisses ist es schwieriger, Ereignisse öffentlich zu behandeln und ordnungsgemäß aufzuarbeiten, was offensichtlich nicht der Fall ist.“

Der niederländische Premier Mark Rutte wagte es 2015 sogar, über die Niederlande zu sagen: „Wir haben ein wunderbar perfektes Land voller Energie und Kreativität.“

Dies sind nur einige Beispiele niederländischer Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen kriminellen Vergangenheit. Viele andere können hinzugefügt werden. Die Vernachlässigung dieser Vergangenheit ermöglicht es der niederländischen Regierung und Teilen des politischen Systems, als moralische Richter über andere zu fungieren. Und Israel ist ein Hauptziel.

Von Dr. Manfred Gerstenfeld (BESA)

Dr. Manfred Gerstenfeld ist Senior Research Associate am BESA Center und ehemaliger Vorsitzender des Lenkungsausschusses des Jerusalem Center for Public Affairs. Er ist auf israelisch-westeuropäische Beziehungen, Antisemitismus und Antizionismus spezialisiert und ist Buchautor.

BESA Center Perspectives Paper No. 1,068, January 20, 2019
Begin-Sadat Center for Strategic Studies
Bar-Ilan University, Ramat Gan, Israel.
Übersetzung: Dr. Dean Grunwald

 

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Von am 21/01/2019. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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