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Kommentar: Aller guten Dinge sind 3! Ist das so??

Die Politiker haben entschieden. Sie haben geschwiegen. Sie haben einfach abgewartet, dass die Uhr am vergangenen Mittwoch, 11. Dezember 2019, auf 00:00 sprang und damit ein sehr unrühmliches Kapitel der politischen Geschichte Israels einfach endete. Gong! Neuwahlen.

Die erste Lesung war bereits im Laufe des Mittwochs abgenickt worden, gegen 03:00 in der Nacht auf Donnerstag wurden die zweite und anschliessend die endgültige dritte Lesung mit 96 Stimmen bestätigt. Es gab sieben Gegenstimmen und keine Enthaltungen. Wo sich die fehlenden 17 Knesset Mitglieder befanden, wurde nicht dokumentiert, wahrscheinlich waren sie aufgrund der intensiven Koalitionsgespräche einfach nicht mehr in der Lage, den Diskussionen zu folgen und waren nach Hause gegangen.

Damit befinden wir uns in der absolut ungewöhnlichen Situation, am 02. März 2020 zum dritten Mal innerhalb von weniger als knapp einem Jahr an die Wahlurnen gerufen zu werden. Unsere Regierung ist die derzeit 34. seit der Staatsgründung. Sie besteht seit dem 14.05.2015.

Anders verhält es sich mit der Knesset, dem Abgeordnetenhaus, das unabhängig von der Regierung vom Wahlvolk gewählt wird. Im März 2015 gewann PM Netanyahu eine vorgezogene Neuwahl (20. Knesset). Nach regierungsinternen Problemen und dem Austritt der von Lieberman geführten Partei «Israel Beitenu» (Unser Haus Israel) Ende Dezember 2018 löste er die Knesset auf und setzte Neuwahlen für den 19. April 2019 an (21. Knesset). Die gewann er zwar knapp, aber es gelang ihm nicht, eine Koalition zu bilden. Nach dem Ausschöpfen aller Möglichkeiten löste sich die Knesset auf und es folgten die weiteren Wahlen am 17. September 2019 (22. Knesset). Das diesen Wahlen folgende Szenario ist hinreichend bekannt. Am 2. März 2020 erfolgt die nächste Wahl zur 23. Knesset. Diese Situation ist einmalig auf der Welt.

Ein Staat, der ein moderner OECD und Hightech Staat sein will, ist seit einem Jahr unregiert! Und unregierbar. Es können keine Gesetze und keine Budgets verabschiedet werden und keine Beschlüsse gefasst werden. Massgebliche Gremien sind in ihrer Arbeit blockiert.

Das Aussenministerium, derzeit vom interimistisch amtierenden Aussenminister Israel Katz gehalten, vegetiert weitgehend ohne finanzielle Basis. Die Botschaften und Vertretungen im Ausland müssen sich finanziell einschränken, Mitarbeiter sollen, so wurde empfohlen, auf Auslandsreisen verzichten. Das gilt aber offensichtlich nicht für PM Netanyahu, der Anfang Dezember noch eine als offiziös zu bezeichnende Reise nach Lissabon unternahm. Oder wie kann man zwei kurze Treffen, die noch dazu keinen nennenswerten Erfolg erbrachten sonst bezeichnen? Er traf sich am 4. Dezember mit dem US-amerikanischen Aussenminister Mike Pompeo, sowie am 5. Dezember mit seinem portugiesischen Kollegen, Antonio Costa und dessen Aussenminister Augusto Santos Silva. Dazwischen gab es zwei Abendessen in zurzeit angesagten Restaurants und viele Entdeckungsspaziergänge durch die Stadt. Nach seiner Rückkehr hatte PM Netanyahu stolz behauptet, mit Aussenminister Pompeo konkrete Pläne zur Annektierung des Jordan Tales ausgehandelt zu haben. Für ihn wäre dies ganz sicher der erste schnelle Erfolg, falls er denn wirklich noch einmal PM werden würde. Die Krönung seines politischen Lebens. Leider erwies sich das aber als kleine Schwindelei. Pompeos’ Stellvertreter beeilte sich festzuhalten: «Kein Plan, weder vollständig noch teilweise, wurde von Israel den USA während des Treffens vorgelegt.» Und Netanyahu musste zurückrudern. «Ich habe keinen ausgearbeiteten Plan mit Pompeo diskutiert, aber das Thema wurde angesprochen.» Peinlich, peinlich, die Fehler und Versuche, das eigene Fell zu retten werden immer offensichtlicher. Der zahnlose Tiger versucht, einen grossen Happen Fleisch zu ergattern, wo gar keiner angeboten wird.

Ein ganz besonderes Problem stellt das «Knesset House Committee» dar. Dieses Gremium kann erst wieder gebildet werden, wenn es eine funktionsfähige Regierung gibt. Also sicher nicht vor April 2020. Sofern bis dahin eine Koalitionsbildung gelungen sein sollte. Dieses Gremium entscheidet über zahlreiche wesentliche Fragestellungen. Zwei davon sind hier von besonderer Bedeutung. Hier, und nur hier kann der Immunitätsstatus eines MK geändert werden. Und hier werden auch sämtliche Prozedere im Zusammenhang mit Abstimmungen, Wahlen etc. beschlossen. Beides Themen, die in den letzten Wochen immer wieder andiskutiert wurden.

Die üblichen Beschimpfungen, Verunglimpfungen und Anwürfe, die wir mittlerweile tagtäglich von beiden Seiten in den Nachrichten lesen, werde ich hier nicht wiederholen. Die Breite der Äusserungen geht von geht von einer massiven Vorverurteilung von PM Netanyahu, bis zum Vorschlag der Begnadigung durch Präsident Rivlin. Falls er im Gegenzug auf den Gnadenakt mit seinem Rücktritt aus allen Staatsämtern zurücktreten würde. Was er, wie nicht anders zu erwarten, rundheraus ablehnt.

Immerhin, er hat angekündigt, per 1. Januar von allen Ministerposten zurückzutreten. Bis auf den des PM.

Wenn PM Netanyahu sich nicht wirklich bewegt, wird sich gar nichts ändern, auch nicht nach den kommenden Wahlen im März.

Die Kosten für die drei Wahlen innerhalb eines Jahres sind immens hoch. Das Budget des zentralen Wahlkomitees für den Urnengang im März werden sich auf etwa 3.8 Milliarden Schekel, das sind etwa 950 Millionen CHF belaufen und damit die Gesamtkosten für das Jahr auf 2.5 Milliarden CHF steigen lassen. Davon fällt allein an Kosten für einen zusätzlichen freien Tag für alle Israelis in Höhe von 500 Millionen CHF an. Ein unglaublicher Betrag. Wer trotzdem arbeiten muss, erhält einen Zuschlag von 200%. 90 Millionen werden für Wahlbeobachter und legale (!) Überwachungskameras budgetiert.

Das Geld, dass der Steuerzahler hier bereitstellen muss, könnten wirklich besser angelegt werden. Es könnten fünf hochmoderne Krankenhäuser gebaut werden. Oder eine Million notleidender, verarmter Menschen könnten ausreichend unterstützt werden. Auch Klassenzimmer werden dringend gebraucht und könnten so finanziert werden.

Ob unsere umliegenden Nachbarn darauf Rücksicht nehmen? Damit dürfen wir wohl nicht raten, eher mit dem Gegenteil! Harte Zeiten kommen auf Israel zu!

Von Esther Scheiner

Esther Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.

 

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Von am 19/12/2019. Abgelegt unter Israel. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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