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Die Herrschaft des Nazi-Terror-Regimes, Finanzierung der Aufrüstung und Geld für Waffen

So manche Legenden ranken sich um die Aufrüstung während der Nazi-Herrschaft, und zu den bekanntesten Halbwahrheiten gehörte die These, dass die herrschenden Nationalsozialisten die Aufrüstung allein durch die Notenpresse finanziert hätten.

Adolf Hitler hatte bei der „Machtergreifung“ im Januar des Jahres 1933 überhaupt kein Konzept, wie Deutschland die große Arbeitslosigkeit und die Aufrüstung finanzieren sollte. Obgleich die Lebenshaltungskosten während der Weltwirtschaftskrise um fast zwanzig Prozent gefallen waren, war die Furcht vor einer neuen Inflation vor allem im einfachen Bürgertum stark, denn die Erfahrung mit einer Hyperinflation und einer vollkommenen Geldentwertung war schließlich erst zehn Jahre alt und zeigte immer noch Wirkung. Die führenden Ökonomen im Reichswirtschaftsministerium versicherten Hitler dagegen zu Recht, dass ein expansives schuldenfinanziertes Arbeitsbeschaffungsprogramm die herrschende Arbeitslosigkeit erheblich senken könne, ohne eine erneute Inflation zu riskieren.

Innerhalb der NSDAP fehlte es vor allem an finanzpolitischem Sachverstand. Im März 1933 ernannte Hitler den renommierten Notenbanker und Wirtschaftsexperten Hjalmar Schacht zum Präsidenten der Reichsbank. Hitler entschloss sich für den parteilosen aber NSDAP-freundlichen Schacht wegen seines hohen Ansehens im Inland und Ausland, das für finanzpolitische Solidität bürgen und Vertrauen schaffen sollte. Während sich Schachts Amtsvorgänger Hans Luther trotz seiner politischen Willfährigkeit gegenüber einer kreditfinanzierten Aufrüstung skeptisch zeigte, war Schacht bereit, die Aufrüstung in den nächsten fünf Jahren mit 35 Milliarden Reichsmark zu finanzieren.

Schacht erfand die Instrumente für die Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms nicht selbst, sondern er kopierte die Finanzierungstechnik der letzten Weimarer Regierungen, welche die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit sogenannten Öffa-Wechseln finanziert hatten. Da die Reichsbank dem Reich nur begrenzte Kredite geben durfte, hatte die Reichsregierung eine formell privatrechtliche Gesellschaft mit Namen „Öffa“, – Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG -, gegründet. Die Öffa besaß wie jedes Unternehmen das Recht, Wechsel zur Vorfinanzierung von Aufträgen auszustellen. Während sich ein Aussteller eines handelsüblichen Wechsels nach drei Monaten zur Zahlung verpflichtete, waren diese Wechsel mit sogenannten Prolongationsscheinen ausgestattet. Ihre Laufzeit konnte auf bis zu fünf Jahre verlängert werden.

Die Empfänger dieser Wechsel in der Privatwirtschaft liefen keine Gefahr, dass die Wechsel „platzen“ könnten, denn das Reich haftete für die Rückzahlungen. Die Unternehmen konnten die Wechsel gegen einen Zinsabschlag (Diskontsatz) bei Banken einlösen, wenn sie das Geld brauchten. Von 1933 bis 1945 stellte die Öffa Wechsel in einer Höhe von 2,8 Milliarden Reichsmark aus. 1933 und 1934 finanzierte die Reichsregierung neben kommunalen und regionalen Straßenbau- und Meliorationsmaßnahmen vor allem Investitions- und Arbeitsbeschaffungsprojekte bei Reichsbahn und Post. Das größte Arbeitsbeschaffungsprojekt, die legendäre „Reichsautobahn“, wurde jedoch mit anderen Mitteln finanziert.

Für den Bau der Autobahn, der bis 1939 zirka drei Milliarden Reichsmark kostete, stellte die Reichsregierung die Überschüsse der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zur Verfügung. Obwohl die Zahl der Arbeitslosen von 1933 bis 1935 von sechs auf zwei Millionen fiel und die Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 1937 fast ganz verschwand, blieb die Beitragshöhe von sechs Prozent des Einkommens auf dem Höchststand der Weltwirtschaftskrise stehen. Es waren die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die den Autobahnbau finanzierten, während sich die einfachen Arbeitnehmer gar kein Automobil leisten konnten. Mit einem Preis von 1.700 Reichsmark wäre auch der geplante Volkswagen zu teuer für die große Mehrheit der Deutschen gewesen.

Bei der Finanzierung der Aufrüstung benutzte Reichsbankpräsident Schacht die gleiche Technik wie bei der Arbeitsbeschaffung: eine längerfristige Vorfinanzierung durch Wechsel. 1934 gründete Schacht mit dem Kapital mehrerer Großunternehmen eine Tarngesellschaft mit Namen Metallurgische Forschungsgesellschaft (Mefo), die Wechsel für die Finanzierung von Rüstungsaufträgen ausstellen konnte. Von 1934 bis 1937 stellte die Mefo Wechsel über insgesamt 12 Milliarden Reichsmark aus, eine gigantische Summe, so viel wie der gesamte Reichshaushalt vom Jahre 1934..! Weshalb aber bediente sich die Reichsregierung dieser unorthodoxen Finanzierungstechnik?

Die formell kurzfristige, aber faktisch langfristige Verschuldung tauchte im öffentlichen Reichshaushalt nicht auf. Die Regierung konnte dem Ausland das wahre Ausmaß der Aufrüstung und ihren eigenen Bürgern die wahre Höhe der Verschuldung verbergen. Schacht glaubte, dass er durch dieses Finanzierungsverfahren das Tempo der Aufrüstung und damit die Höhe der Reichsschulden kontrollieren könne. Trotz ihrer rigiden Kapitalmarktpolitik gelang es der Reichsbank nicht, mehr als nur einen kleineren Teil der laufenden Neuverschuldung mit längerfristigen Reichsanleihen zu konsolidieren. Das Sparvermögen der Deutschen reichte für die Finanzierung der Aufrüstung bei Weitem nicht aus.

Die Reichsbank drängte die Kommunen und die Länder aus dem Kapitalmarkt und hinderte die Hypothekenbanken daran, einen Großteil ihrer Hypothekendarlehen durch Pfandbriefe zu refinanzieren. Unternehmen, die keine Waffen und keine kriegswichtigen Produkte wie synthetische Textilien und Treibstoffe herstellten, konnten sich kein zusätzliches Kapital durch neue Anleihen und Aktien beschaffen. Sie waren darauf angewiesen, ihre Investitionen durch Gewinne und Rücklagen zu finanzieren. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg verzichtete die Reichsbank darauf, einen größeren Teil ihrer Anleihen über Werbekampagnen direkt an private Anleger zu verkaufen.

Dies hätte die Deutschen an die Kriegsanleihen des letzten Krieges erinnert, durch die viele Menschen ihre Ersparnisse verloren hatten. Die Mehrzahl der neuen Reichsanleihen verkaufte die Reichsbank „geräuschlos“ am Publikum vorbei an Sparkassen, Banken und Versicherungen, die einen wachsenden Teil der Sparguthaben und Versicherungsprämien darin anlegten. Schacht glaubte bis zum Jahre 1938, dass er eine zu hohe Verschuldung des Reichs durch das Zudrehen des Geldhahns stoppen könne. Hitler hatte ihm tatsächlich 1937 versprochen, er müsse ab 1938 keine neuen Mefo-Wechsel mehr diskontieren.

Schacht konnte jedoch nicht verhindern, dass die wachsenden Rüstungsausgaben durch Schatzanweisungen des Reichs gedeckt wurden, mit denen sich das Reich der Nazis direkt bei der Reichsbank und letztendlich über die Notenpresse Geld beschaffte. Mit den Vorstandsmitgliedern der Reichsbank schickte Schacht im Januar 1939 eine Denkschrift an Adolf Hitler, die vor einer drohenden Inflation durch das unkontrollierte Wachstum der Geldmenge und die Rüstungsfinanzierung durch die Notenpresse warnte. Hitler, der sich nie für Finanzfragen interessierte und geldpolitische Probleme nie verstand, bestellte Schacht für den 19. Januar 1939 zu sich.

Während Hitler enorme Detailkenntnisse über die Entwicklung der rüstungsrelevanten Industrieproduktion besaß und sich intensiv mit technischen Problemen der Rüstungsproduktion beschäftigte, hielt er geldpolitische Fragen für absolut sekundäre Probleme, die sich durch Lohn- und Preiskontrollen und langfristig von selbst lösen ließen. Schacht letzter Besuch in der Reichskanzlei endete mit einem brüsken Empfang – und mit seiner Entlassung als Präsident der Reichsbank.

Wie Schacht zum Widerstand wechselte, berichten die Israel Nachrichten in einer der nächsten Ausgabe.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 14/04/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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