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Alltag im Reich der Nazis: Pathos, Propaganda und Spekulationen im Westdeutschen Beobachter

Der „Westdeutsche Beobachter“ titelt in seiner Morgenausgabe am Samstag, 8. Mai 1937 als „Amtliches Organ der NSDAP und sämtlicher Behörden / Ausgabe Köln (Stadt):

Die deutsche Luftschiffahrt unbesiegbar! Die ganze Kulturwelt mit dem deutschen Volk in Trauer vereint. Beileidskundgebungen in allen Ländern der Erde – Weiterhin stärkstes Vertrauen auf die deutschen Zeppeline. Dieses Blatt ergeht sich auf drei Druckseiten der Beschreibung der Hindenburg-Katastrophe, stellt Vermutungen an und berichtet voller Pathos: Kapitän Lehmann seinen Verletzungen erlegen. Lakehurst, 8. Mai. Der Vertreter der Zeppelingesellschaft teilt mit, daß Kapitän Lehmann im Hospital Lakewood am Freitag um 23,05 Uhr Berliner Zeit seinen Verletzungen erlegen ist.

Westdeutscher Beobachter, Morgenausgabe am Samstag, 8. Mai 1937. Foto: Archiv/RvAmeln

Es folgt ein „Beileidstelegramm des Führers“: 30 000 Reichsmark für die Familien der Besatzungsmitglieder. Berlin, 8. Mai: Der Führer und Reichskanzler hat an die Deutsche Zeppelin-Reederei folgendes Beileidstelegramm gerichtet: „An dem schweren Schicksalsschlag, der Sie durch den Verlust des Luftschiffes „Hindenburg“ und durch den Tod zahlreicher Mitglieder der Besatzung und Passagiere betroffen hat, nehme ich herzlichsten Anteil. Ich bitte Sie, den Familien der verunglückten Fahrgäste sowie den Hinterbliebenen der in treuer Pflichterfüllung ums Leben gekommenen Angehörigen Ihrer Reederei mein tiefempfundenes Beileid, den Verletzten meine Wünsche für baldige Wiederherstellung auszusprechen. Als erste Hilfe für die Familien der Besatzungsmitglieder stelle ich Ihnen den Betrag von 30 000 Mark zur Verfügung.“

Danach schreibt die Propaganda-Maschinerie von Josef Goebbels: Und im Unglück nun erst recht!

Köln, 8. Mai: Das ganze deutsche Volk ist tief beeindruckt von der furchtbaren Tragödie in Lakehurst. Zum ersten Male in der Geschichte des regelmäßigen Transozeandienstes, der erst durch den deutschen Luftschiffbau ermöglicht wurde, hat sich ein Unglück ereignet, dessen Ursache zurzeit noch ein Rätsel bedeutet. Doch wie alle Opfer, von denen die Errungenschaften der Technik begleitet wurden, gerade für das deutsche Volk und seine Schaffenskraft noch stets ein Ansporn waren zu neuen größeren Leistungen, so wird auch der Untergang des „LZ-Hindenburg“ den siegeszug deutscher Technik nicht aufhalten. Es wäre ja auch unverständlich, wenn das Unglück von Lakehurst ein Mißtrauen gegenüber dem deutschen Luftschiffverkehr zur Folge haben würde. Denn ebenso wenig, wie man durch Unglücksfälle im Flugzeug- Automobil- und Eisenbahnverkehr vom Gedanken dieser Verkehrsmittel abgebracht werden konnte, wird die Welt gegenüber dem Zeppelinverkehr skeptisch werden. Wir erinnern nur an die vielen Eisenbahnunfälle der letzten Jahre – noch Weihnachten vor einem Jahr wurden wir bei Großheringen von einem solchen Unglück getroffen. Das alles sind aber Einzelfälle, die, gemessen an den Leistungen und an der Sicherheit und Regelmäßigkeit, mit der sich unser Eisenbahnverkehr abspielt, keine rückwirkende Bedeutung haben. So stellt auch das Unglück von Lakehurst einen Einzelfall dar, der kein Maßstab sein kann für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des deutschen Luftschiffverkehrs. Denn die bisher vollbrachten, von der ganzen Welt auch trotz Lakehurst noch bewunderten Leistungen der deutschen Zeppeline, vor allem auch die des „LZ-Hindenburg“ – wir betonten es schon – sprechen gegen den gestrigen Schicksalsschlag. Er trifft uns schwer, dieser 6. Mai 1937, ja, die ganze Kulturwelt, das beweisen die zahlreichen aufrichtigen Teilnahmekundgebungen aus allen Ländern der Erde, verneigt sich mit uns in Ergriffenheit vor den Opfern des tragischen Unglücks. Gleichzeitig aber hat die öffentliche Meinung des Auslandes mit Freude zur Kenntnis genommen von der deutschen Parole, die gleich am gestrigen Morgen unter dem Stahlgerüst des im Bau befindlichen LZ 130 in Friedrichshafen ausgegeben wurde: „Es wird weitergebaut.“

Das ganze deutsche Volk hat geschlossen diese Parole aufgenommen. Spontan wurden in großen und kleinen Betrieben Sammelaktionen für ein neues Luftschiff eingeleitet, und eine beträchtliche Summe konnte bereits nach Friedrichshafen überwiesen werden. Darin dokumentiert sich der unbeugsame Wille eines einigen Volkes, das trotz des tiefen Schmerzes der es erfüllt, auch weiterhin seinen Stolz dareinsetzen wird, Pionier zu sein auf dem Gebiet der Weltluftfahrt! Wir senken die Fahnen, aber wir kennen keine Resignation! Wir haben sooft die stolzen deutschen Luftschiffe über den deutschen Gauen kreisen sehen. Ja wir haben allesamt teilgenommen an den Riesenerfolgen unserer Luftschiffe, wir alle waren stolz auf die Bewunderung der Leistungen deutscher Technik durch das Ausland und wir werden auch alle wie ein Mann in dieser Schicksalsstunde beisammen stehen! Denn in Zeiten des Glücks sich freuen und stolz sein, das ist nicht schwer, schwieriger aber ist, im Unglück aufrecht stehen. Und das tun wir! Das ist für Adolf Hitlers Deutschland eine Selbstverständlichkeit geworden. Von neuem fassen wir die großen Aufgaben an, und daß diesem unbeugsamen Willen auch vom Ausland ein neuer Sieg gewünscht und prophezeit wird, das erfüllt uns mit besonderer Freude.
(Noch mehr Pathos war anscheinend den „Machern“ des Nazi-Blattes wohl nicht möglich. Anm.d.Verf.)

Und das Blatt titelt weiter: Commander Rosendahls Bericht über das Luftschiffunglück. Washington, 8. Mai:

Der Kommandant des Flughafens Lakehurst, Charles Rosendahl, der selbst mehrfach Luftschiffe geführt hat, macht in seinem Bericht an das Marineamt über die Katastrophe des Luftschiffes Hindenburg folgenden Angaben: Die Vorbereitungen zur Landung seien in normaler Weise erfolgt. Die Haltetaue seien aus einer Höhe von etwa 60 Meter geworfen worden. Etwa vier Minuten nach dem Herabwerfen der Seile sei Feuer im Hinterschiff erschienen, das, das sich nach dem Vorderschiff zu ausbreitete. Das Luftschiff senkte sich darauf zu Boden, das Heck voran, und war in seiner gesamten Länge von Flammen eingehüllt, als es den Boden erreichte. Es sei unmöglich, sagt Commander Rosendahl in dem Bericht, jetzt die verschiedenen Darstellungen über die Rettung der Besatzung und der Fahrgäste des Hindenburg zusammenzufassen, aber es sei klar, daß bemerkenswerte Rettungstaten von Personen innerhalb und außerhalb des Luftschiffes vollbracht worden seien. Das Feuer habe mehrere Stunden gebrannt und sei schließlich durch chemische Feuerlöscher wie durch Wasser gelöscht worden. Es sei noch zu früh, um irgendwelche Vermutungen über die Ursache des Feuers auszusprechen; das müsse durch die Untersuchungsbehörden festgestellt werden.

Und weiter geht es im „Westdeutschen Beobachter“: Das Beileid Mussolinis. Die Antwort des Führers. Berlin, 8. Mai:

Der italienische Regierungschef Mussolini hat seine Anteilnahme an das Unglück des Luftschiffes „Hindenburg“ durch folgendes Beileidstelegramm zum Ausdruck gebracht: „Die Nachricht vom Brande des „Hindenburg“ hat in Italien eine tiefe Bewegung ausgelöst. In dieser Stunde schmerzlichen Mitgefühls für die befreundete Nation steht das italienische Volk in besonderer Zuneigung eng verbunden zum deutschen Volk.“

Der Führer und Reichskanzler hat dem italienischen Regierungschef mit folgenden Worten telegraphisch gedankt: „Für die überaus herzliche Anteilnahme, die Sie zugleich im Namen des befreundeten italienischen Volkes mir und dem Deutschen Reich in so wohltuender Weise zum Ausdruck gebracht haben, bitte ich Eure Exzellenz, meinen und des deutschen Volkes tiefempfundenen Dank entgegenzunehmen..!“

Was Überlebende in diesem Nazi-Blatt zu erzählen wissen, erfährt die Leserschaft der Israel Nachrichten in einer der nächsten Ausgaben.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 08/06/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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