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Der Film im Nazis-Regime: Zwischen Unterhaltung und Propaganda im dritten Kriegsjahr

Hitler und Goebels waren nicht nur Menschenverächter, sondern auch Menschenkenner, was sie zur geschickten Propaganda befähigt hat. Und sie waren Filmfans. Kein Wunder also, dass der Film d a s Medium war, dem das Nazi-Regime die meiste Aufmerksamkeit schenkte. „Staatspolitisch besonders wertvoll“ war das Prädikat, welches das Regime nach 1933 im Deutschen Reich und nach 1938 in Österreich zahlreichen Spielfilmen verlieh. Dahinter verbargen sich nicht selten Filme mit beliebten Schauspielerinnen, gedreht von erfolgreichen Regisseuren, deren vorrangige Aufgabe es war, die Gedanken und Gefühle der Kinobesucher auf die „Ziele und Werte“ der Nazi-Ideologie zu lenken. Die Devise lautete: Propaganda durch Unterhaltung. Der nationalistische Blick auf die Geschichte, die Verherrlichung des Deutschtums und die Beschwörung eines „Großdeutschen Reiches“ paarten sich mit den Bildern rassistischer und antisemitischer Verhetzung, mit Militarismus, Durchhaltekitsch und der Abwertung eines demokratischen und emanzipierten Frauenbildes, das sich im Spielfilm während der Zwischenkriegszeit etabliert hatte. Der deutschsprachige Film in Berlin und Wien wurde umfassend gleichgeschaltet.

Filmplakate in Nazideutschland. Foto: Archiv/RvAmeln

Filmplakate in Nazideutschland. Foto: Archiv/RvAmeln

Die Rolle der Ufa: Nach dem Jahre 1933 musste in der Nazi-Filmpolitik nichts neu erfunden werden; denn die filmische Neubewertung der deutschen und europäischen Geschichte, die filmische Reaktion auf den künstlerischen Liberalismus, auf die ästhetische Vielfalt stand mit dem Übergang zur politischen Herrschaft des Nationalsozialismus auf der Tagesordnung. Dies bedeutet, dass auf allen Ebenen der Filmproduktion mit Eingriffen staatlicherseits zu rechnen war. Die deutsche Filmkonjunktur dieser Jahre basierte auf staatliche Hegemonie, künstlerischer Anpassung und in manchen Fällen auch auf subversivem Eigensinn. Der allmächtige Film-Minister, der Chef des Propagandaministriums Joseph Goebbels, griff in das Filmschaffen ein, wo immer es ihm ideologisch notwendig erschien und die meisten Filmschaffenden dienten sich ihm untertänig an. Dennoch gab es tiefe Einschnitte: Die NS-Filmpolitik bewirkte bereits 1933 inhaltliche und personelle Einschnitte, vor allem das Berufsverbot für Künstler jüdischer Herkunft.

Nach der Vertreibung der Jüdinnnen und Juden hatte sich bis Ende der 1930er-Jahre eine Gruppe sowohl von Regisseuren als auch von Schauspielerinnen und Schauspielern mit Prominenten- und Starstatus entwickelt, die eng an die Regierung und die Führung der NSDAP gebunden waren. Die zahlreichen Wochenschauberichte über Begegnungen von Hitler, Goebbels und Göring mit Schauspielern und Regisseuren sowie deren öffentliche und private Zurschaustellung zeigen nicht allein eine Instrumentalisierung der Künste und der Künstler, sondern deuten auch auf die Nähe zum Partei- und Propagandaapparat hin, die viele Filmschaffende suchten. Sie passten sich dem Geist, oder besser ausgedrückt, dem Ungeist der „neuen Zeiten“ an. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, die nach 1933 zu Ruhm und Ehre kamen, waren auch zuvor nicht unbedingt auf der Seite aktiver Demokraten zu verorten. Andere wechselten, sei es aus ideologischen Motiven, sei es aus Karrieregründen oder aus einer zeitbedingten Mischung beider, ihre Meinung oder vermieden es, überhaupt eine Meinung zu haben.

Nicht zufälligerweise wiederholte sich diese charakterliche – oder in manchen Fällen auch charakterlose – Veränderung 1945 mit dem Ende der Nazi-Herrschaft. Der Kinoflaneur Viktor Klemperer, obgleich als Jude verfolgt, während der Nazi-Zeit ein Tagebuch mit vielen Eintragungen zum Kino führte, vermerkte im Dezember 1936 „das ungeheure Kriechen vor der Regierung“, das viele Schauspielerinnen und Schauspieler öffentlich zeigten. Das Reden vom „unpolitischen Künstler“ gehört zu den Mythen der Nachkriegszeit und war außerordentlich nützlich bei der Etablierung der Nachkriegskarrieren. Das Besondere der Filmverhältnisse nach 1933/1938 ist darin zu sehen, dass sich die NS-Filmpolitik von Anfang an „rassisch“ definierte. Antisemitische Inhalte und Rollen fanden sich in zahlreichen Filmen mit geschichtlichen, Kriegs- und Variete-Themen, aber auch in Musikfilmen. Eine rassistische Verschärfung in der schauspielerischen Darstellung von Juden, in der Kamera-Arbeit und in den erzählten Geschichten findet Ende der Dreißiger- und Anfang der Vierzigerjahre, also mit dem Beginn der Vernichtungspolitik, statt.

In den Jahren vor Kriegsbeginn wurde eine filmpolitische Orientierung intensiviert, die man nur als Erziehung zum Krieg und nach 1939 als visuelle Mobilisierung von Mann, Frau und Kind für den Kriegseinsatz beschreiben kann. Doch gemäß der Ufa-Tradition schloss das die „reine Unterhaltung“ zur Ablenkung von Not, Tod und Kriegsgeschehen ein. Das militärische Desaster von Stalingrad wurde sowohl von mobilisierenden Kriegsfilmen als auch von der farbenfreudigen Abenteur-Komödie „Münchahusen“ – 1943, Regisseur: Joseph von Baky – mit Hans Albers begleitet. Und „Die Feuerzangenbowle“ – 1944, Reigsseur: Helmut Weiß – mit Heinz Rühmann war nicht weniger wichtig als der antijüdische Film „Wien 1910“ – 1943, Regisseur: Willy Schmidt-Gentner – mit Rudof Forster und Heinrich George, in dem Wiens ehemaliger Bürgermeister Karl Lueger posthum von den Nazis zu einem ihrer Vorläufer gemacht wurde.

Film und Wochenschau: Die Zahl der Spielfilme, die man in heutiger Zeit als ausgesprochene Propagandafilme bezeichnen kann, hat im Vergleich zu der insgesamt über 1.000 Spielfilme zählenden Filmproduktion zwischen 1933 und 1945 nur ein relatives Gewicht. Doch standen die „staatspolitischen besonders wertvollen“ Filme unter dem Nazi-Regime oft im Zentrum der offiziellen Filmpolitik, wurden nach Kriegsbeginn und der Besetzung großer Teile Europas durch die Wehrmacht verstärkt auch in anderen Ländern gezeigt. Nicht alle diese Filme wirkten auf den ersten Blick als Propagandafilme. Wichtiger jedoch als der eine oder andere für das Nazi-Reich „politisch korrekte“ Spielfilm mit Propagandawert war der Rahmen, in dem ein Film gezeigt wurde. Dazu gehörten die Wochenschauen vor jedem Film, bisweilen noch durch einen Kultur- oder Dokumentarfilm ergänzt. Politk oder das Geschehen im Reich der Nazis, die über Privates, Weibliches und Alltägliches vermittelt wurden, identitätsheischende kurze Skizzen aus dem Leben von Personen der NS-Führung sowie Reportagen aus Sport, Wirtschaft, Kultur, die die Rolle Deutschlands in der Welt illustrierten, betteten den Spielfilm in ein neues kulturelles und nationales Selbstverständnis ein.

Nie wurde in Deutschland und Österreich so viel Filmmaterial gesehen wie in den Kriegsjahren. Allerdings wurde den zunehmend entrechteten jüdsichen Bürgern des Reichs 1938 der Besuch der Kinos verboten. Das „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ unter der Leitung von Goebbels wurde bereits im März 1933 gegründet. Eine Tagebucheintragung von Goebbels vom 28. März 933, dem Tag seiner Rede vor den deutschen Filmschaffenden im Hotel Kaiserhof, lautet: „Der Film kann nur gesund werden, wenn er sich wieder auf sein Deutschtum besinnt und im deutschen Wesen die Wurzeln seiner Kraft sucht.“ Eingerahmt ist dieser Satz von Bemerkungen über die am selben Tag geplante Veröffentlichung des Boykotts gegen die jüdischen Bürger Deutschlands. Der Rahmen der neuen Filmpolitik war gegeben! Die Alternative Propagandafilm oder kommerzielles Unterhaltungskino lösst sich in einer sachlichen Diskussion über den deutschsprachigen Film 1933 bis 1945 kaum aufrecht erhalten, da es nicht nur um die Inhalte eines Spielfilms geht, sondern genauso um den Kontext, die gesellschaftliche, kulturelle und militärische Situation, in dem ein Film entstanden ist und sein Publikum erreicht.

Noch der unpolitischste Film kann politisch instrumentalisiert werden, und ein Propagandafilm kann so überzogen sein, dass er beim Publikum nicht ankommt. Der Durchhaltefilm „Kolberg“, der letzte Propagandafilm des untergehenden Nazi-Reichs, kam noch in die Kinos, wenn auch schon nnicht mehr überall. Am 19. März 1945 schreibt Gobbels im Angesicht des zunehmenden Zusammenbruchs der deutschen Ostfront: „Kolberg haben wir nunmehr räumen müssen. Die Stadt, die sich mit einem so außerordentlichen Heroismus verteidigt hat, konnte nicht mehr länger gehalten werden. Ich will dafür sorgen, daß die Räumung von Kolberg nicht im OKW-Bericht verzeichnet wird. Wir können das angesichts der starken psychologischen Folgen für den Kolberg-Film augenblicklich nicht gebrauchen.“ Die Wirklichkeit des Films – Volksaufgebot, Widerstand bis zum Letzten – schien dem Chefpropagandisten nun wichtiger als die militärische Wahrheit. Eindrucksvoller konnte nicht bewiesen werden, dass Propaganda immer ein Stück Wirklichkeit enthält, indem sie Illusionen mit tödlichem Ausgang und katastrophalen Folgen bewirken kann. Draußen fielen die Bomben der alliierten Bombergeschwader, zerbröckelte das „Tausenjährige Reich“ unter dem Vormarsch der Alliierten, und in den Kinos sangen die Besucher mit Zarah Leander „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 16/12/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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