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Die Justiz im 3. Reich: Urteil im Namen des Volkes gegen eine Ordensschwester

Die „National Zeitung“ titelte auf der ersten Seite in der Ausgabe von Samstag, 18. Mai 1935:
Das Urteil gegen Schwester Wernera. Fünf Jahre Zuchthaus wegen Devisenverbrechens. Raffinierteste Manöver.

National Zeitung. Foto: Archiv/RvAmeln

National Zeitung. Foto: Archiv/RvAmeln

(Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung) Berlin, 18. Mai. Heute begann vor dem Berliner Schnellschöffengericht im kleinen Schwurgerichtssaal des alten Kriminalgerichtsgebäudes in Berlin-Moabit der Prozeß gegen die 42 Jahre alte Katharina Wiedenhöfer wegen wiederholten Devisenverbrechens in der Zeit von 1932 bis 1934. Dieser Prozeß hat insofern besondere Bedeutung, als die Angeklagte Wiedenhöfer Ordensschwester des katholischen Vinzentinerinnenordens ist. Die Angeklagte hat als Nonne den Namen Schwester Wernera. Die Ermittlungen, die seinerzeit nach den ersten Aufdeckungen im Kloster der Vinzentinerinnen in Köln angestellt wurden, ergaben, daß umfangreiche Devisenverschiebungen nach Holland und Belgien von den Nonnen betrieben wurden.

Allein auf die Veranlassung der Schwester Wernera-Wiedenhöfer wurden 262.000 Reichsmark an eine Schwester in Belgien gezahlt und von Belgien aus wurden dann diese Beträge nach Holland geschmuggelt und dort in Gulden umgetauscht und ohne Genehmigung der zuständigen Devisenstelle ein Teil der Gesamtsumme – etwa 70.000 RM. – zur Amortisation einer amerikanischen Anleihe der Vinzentinerinnen verwendet. Für die restliche Summe kauften die Vinzentinerinnen Schuldverschreibungen in Holland. Diese raffinierten Devisenmanöver müssen jeden Deutschen, ob Katholik oder Nichtkatholik, aufs äußerste befremden. Bisher hatte man im allgemeinen angenommen, daß sich die Schwestern eines katholischen Ordens andere Aufgaben stellen, als den Staat zu betrügen und dunkle Geldgeschäfte zu tätigen.

Bekanntlich hat Erzberger schon vor langen Jahren in einem Rundschreiben an katholische Klöster und Würdenträger eine genaue Anweisung gegeben, wie die Klöster Gelder am sichersten anlegen, und vor den Zugriffen der staatlichen Steuerstellen geschützt werden könnten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, festzustellen, daß der Orden des hl. Vinzenz eine G.m.b.H. ist, und als solcher in die Handelsregister eingetragen wurde. Drei Schwestern traten als Geschäftsführerinnen auf. Der Staatsanwalt hat bei dem großen Umfang der Devisenschiebungen und der Vielzahl der daran beteiligten Ordensschwestern nach Abschluß der Ermittlungen die Aufteilung des Prozesses in einzelne Strafverfahren beschlossen.

Die Angeklagte Wiedenhöfer, die von dem Staatsanwalt als die geistige Urheberin all der Vergehen bezeichnet wird, hatte sich bei der heutigen ersten Verhandlung zu verantworten. In der Voruntersuchung hatte sie sich mit der schwierigen Finanzlage ihres Ordens zu verteidigen versucht. Bei Beginn der Verhandlung wurde die angeklagte Schwester Wernera in ihrer Schwesterntracht aus dem Untersuchungsgefängnis, in dem sie sich seit dem 19. März d.J. befindet, auf die Anklagebank gebracht. Nachdem die Angeklagte zunächst einen kurzen Ueberblick über ihr Leben gegeben hat und den Aufbau des Ordens schilderte, wurde zum Verständnis für die Sachlage in der Verhandlung zunächst die Vermögenslage und die Handelsgeschäfte des Ordens aufgezeichnet.

Nach der Angabe der Angeklagten schloß die Bilanz der finanziellen Transaktionen 1927 mit einem Vermögen von 7 Millionen Reichsmark. Seine Geschäfte tätigte der Orden über die Universumbank in Berlin, die in Amsterdam eine Filiale errichtete. Der Vorsitzende geht dann weiter auf die verschiedenen Transaktionen und Anleihen des Klosters ein, bei denen u.a. eine 100.000-Dollar-Amerika-Anleihe und eine holländische Anleihe von 200.000 RM. mit 7 1/2prozentiger Verzinsung eine Rolle spielen. Durch die hohen Zinsen der Anleihen ist der Orden dann in finanzielle Schwierigkeiten gekommen, die auf Anraten des Leiters der Universumbank dadurch beseitigt werden sollten, daß die Schuldverschreibungen für die holländische Anleihe in Holland aufgekauft werden sollten und dann eine Umschuldsaktion in die Wege gleitet werden sollte.

Als Vermittlerin in Belgien sei eine Schwester Dorothea aufgetreten. Durch diese sei das zum Ankauf der Schuldverschreibungen nötige Geld unter ihrer Schwesterntracht nach Kerkrade, wo es ein einem Pater namens Haas in Empfang genommen wurde, in Empfang genommen wurde, gebracht worden. Dieser hat dann die weiteren Transaktionen durchgeführt, die der Devisenstelle nicht bekannt waren. In dem weiteren Verlauf der Verhandlungen kommt dann die Sprache auf die Korrespondenz, die über die Devisenverschiebung geführt wurde. Einer dieser Briefe schließt: „Beten wir, daß in unserem Vaterlande sich alles so regelt, wie es für die Sache Gottes am besten ist“. Als der Vorsitzende dieses Schreiben verliest, kommt es zu einem erregten Zusammenstoß zwischen dem Staatsanwalt und der Angeklagten.

Der Staatsanwalt hält der Nonne auf der Anklagebank vor, ob ihr nicht zum Bewußtsein gekommen sei, daß die Verstrickung des Namen Gottes mit derartigen Schiebergeschäften eine Gotteslästerung allerschlimmster Art sei, worauf die Angeklagte erwiderte: „…das ist bei uns so Brauch“. Auf die Frage, ob es in diesem Falle nicht besser weggelassen worden wäre, oder ob diese Formel im Kloster eben nur eine leere Formel sei, weiß die Angeklagte nichts zu antworten. Als einziger Zeuge wird dann der Zollinspektor vernommen, der die Durchsuchung des Klosters leitete. Er schilderte kurz die Schwierigkeiten, die man ihm machte, als er mit seinen Beamten das Kloster betreten wollte. Er wurde abgewiesen mit der Begründung, Männer hätten in dem Kloster keinen Zutritt.

In Wahrheit wird wohl weniger die Tatsache, daß Männer die Durchsuchung vornehmen wollten, maßgebend für die Eintrittsverweigerung gewesen sein, als vielmehr die berechtigte Angst, daß die Schiebergeschäfte der Nonnen in Köln aufgedeckt werden könnten. Gegen Ende der Verhandlung kam die Sprache auf ein Schreiben der Oberin dieses seltsamen Klosters, das beschlagnahmt werden konnte. Die Oberin hatte die Schamlosigkeit besessen, die verhafteten Schwestern und die im Untersuchungsgefängnis saßen, wegen des ihnen befohlenen Ablegens der Schwesterntracht dadurch zu trösten, indem sie die Inhaftierten darauf hinwies, auch der Herr Jesus habe, als er von den Häschern verhaftet wurde, seine Kleidung ablegen müssen.

Zur Frage der Strafzumessung übergehend, wies der Staatsanwalt den Einwand zurück, daß die Angeklagte aus einer gewissen Weltfremdheit gehandelt haben könnte. Sie sei nach ihrer ganzen Vorbildung und in ihrem Pflichtenkreis in geschäftlichen Angelegenheiten durchaus bewandert gewesen und habe auch die deutschen Devisenvorschriften gekannt. Die Angeklagte habe nicht für die Kirche gehandelt, sondern sei nach den Bestimmungen der Devisenvorschriften zu bestrafen. Das Urteil müsse auch eine abschreckende Wirkung haben, denn wenn das Klosterleben in Deutschland noch einen Sinn haben sollte, dann dürften derzeitige Elemente nicht mehr in den Klöstern verbleiben.

Die Angeklagte habe sich des Volksverrates in der schlimmsten Form schuldig gemacht und sei nicht günstiger zu behandeln, als wenn sie Landes- oder Hochverrat begangen hätte. In den Abendstunden verkündete dann der Vorsitzende, Amtsgerichtsrat Jordan, das Urteil, das im wesentlichen dem Antrag des Staatsanwaltes entsprach. Die Angeklagte wurde wegen fortgesetzter und vorsätzlicher Devisenverbrechen zu einer Gesamtstrafe von fünf Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust und 140.000 Mark Geldstrafe verurteilt; an Stelle der Geldstrafe soll im Nichtbeitreibungsfalle eine Zuchthausstrafe von weiteren 14 Monaten treten. Ferner wurde die Einziehung eines Betrages von 250.000 Mark angeordnet; für die Einziehung haftet die Charitative Vereinigung in Köln-Nippes.

Es muß jeden Laien empören, wenn er hier in der Verhandlung vor einem Gericht bestätigt hören muß, daß ein Kloster, das früher einmal im Volk als Hort reiner Gläubigkeit angesehen wurde, nun die Gelegenheit benutzte, um Geldgeschäfte zu tätigen, wobei, wie in diesem Falle, die Ordensschwestern erheblich mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten mußten.

Und dies war die Rechtsprechung im Reich des Adolf Hitlers und seiner ihm ergebenen Justiz.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 24/08/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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