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Mit den „High Rollers“ unterwegs zur Luftaufklärung: McDonnel RF-4C Photo-Phantom

Die ehemaligen US-Piloten Lt. Jeff Turney (Flugzeugführer) und Lt. Kent Toppert (Waffensystemoffizier) des Nevada-Corps erinnern sich und schildern ihren damaligen Auftrag:

Jeff Turney: „Unser Auftrag war die taktische Luftaufklärung im Hochgeschwindigkeitstiefflug. Wir trainierten, gegnerische Ziele aufzuklären und zu fotografieren. Die Nachrichtenabteilungen der Air force und Army entschieden dann, wie die jeweiligen Ziele zu bekämpfen waren. Wir flogen unsere Einsätze bei Tag und bei Nacht. Natürlich war dies am Tag einfacher. Man sah alles, was um einen herum geschah; man konnte geschickter navigieren, Geländevorteile nutzen wie Bergtäler, Seen oder Gabelungen von Straßen. Man konnte sein Ziel visuell erfassen, anfliegen und seine Fotos schießen. In der Nacht war all das weitaus schwieriger.

McDonnel RF-4C Photo-Phantom. Foto: US-Army

Die RF-4 hatte, verglichen mit modernen Kampfflugzeugen, noch ein relativ veraltetes Radarsystem, aber es war ein Geländefolgradar vorhanden – und genau das brauchten wir, um unseren Auftrag optimal erfüllen zu können. Für den Geländefolgeflug konnten wir drei verschiedene Einsatzhöhen vorwählen: 1.000 Fuß (300 m), 500 Fuß (150 m), 250 Fuß (75 m). Gewöhnlich – bei Nacht- oder Trainingsflügen, flogen wir in 1.000 Fuß Höhe, einfach deshalb, weil in dieser Höhe die Radarbildauflösung am besten war. Im Ernstfall müssten wir natürlich viel tiefer fliegen!

Die F-111-Piloten mit ihren hochmodernen Bordcomputern hatten es da einfacher. Sie warn uns auch darin überlegen, dass sie ihren Autopilot auf die Radaranlage bzw. den Bordrechner aufschalten konnten. Dies hieß, sie ließen ihre Maschinen im automatischen Geländefolgeflug fliegen, nahmen also in 75 Meter Höhe die Hand vom Steuerknüppel und ließen den Computer agieren.Wir mussten das manuell regeln. Das konnte ganz schön schwierig werden, wenn man in der Nacht da draußen unterwegs war, im Dunkeln auf geringer Höhe flog, nichts sehen konnte und sich auf seinen Hintermann verlassen musste, der nach den Schatten auf seinem Radarschirm navigierte.

Es gibt da ein paar Stellen in Nevada, wo wir meist unsere Trainingsflüge absolvierten, da waren keine Ortschaften, keine Lichter oder Türme. Da herrschte tiefschwarze Nacht, absolut nichts zu sehen – noch nicht einmal der Horizont. Im Ernstfall hätten wir zwar die meisten unserer Einsätze bei Tag geflogen, vielleicht nur 30 Prozent bei Nacht. Da die Nachttiefflüge aber so schwierig waren, mussten wir viel Trainingszeit auf sie verwenden. Ob wir nun im Einzelfall ein Ziel bei Tag oder Nacht anflogen, hing immer vom Grad der Bedrohlichkeit ab. Wenn wir zum Beispiel mit Flak-Rohr oder älteren Flak-Raketen-Stellungen rechnen müssten, deren Radarsysteme wir unterfliegen konnten, da würde man solche Einsätze am Tage fliegen, weil dies unsere Überlebenschancen beträchtlich erhöhte.

Aber gegen modernere Zielerfassungs- und Zielverfolgungsradaranlasgen, mit einer Abdeckung 30 Meter über dem Boden, eingesetzt zu sein, da würden wir den Gegner nicht einmal kommen sehen, es sei denn, wir gingen so tief wie möglich runter, denn nur unter 30 Meter hätten wir eine reelle Chance gegen feindliche Waffen gehabt. Andere Flugzeuge, zum Beispiel feindliche Abfangjäger, machten uns nicht annähernd soviel Sorgen. Erstens flogen wir in einer ganz anderen <Verpackung>. Dann flogen wir sehr tief, daran hat man uns gewöhnt und das beherrschen wir. Etwa 75 Prozent unserer Einsätze spielten sich knapp über dem Boden ab.

Wir prügelten unsere Maschinen förmlich runter, und dies so schnell wie möglich. Wir wussten, dass Jagdflieger mit ihrem Radar lieber mittlere Höhen abdeckten, als sich in unsere Niederungen herab zu begeben. Geschwindigkeit, das war der andere Vorzug, den die RF-4-Phantom besaß. Sie hob hervorragend ab, hatte keine störenden Außenlasten – wir hatten die Nase vorn. Das machte schon einen Unterschied, wenn man schnell auf hohe Geschwindigkeiten kommen wollte. Es gab zu der Zeit nur zwei Flugzeugtypen, die es mit uns im Tiefflug aufnehmen konnten – eine davon ist unsere. Egal, was kam, wir zündeten den Nachbrenner – und weg waren wir. Auf unseren Trainingseinsätzen flogen wir normalerweise eine Geschwindigkeit von 890 km/h – im Ernstfall konnten wir wohl noch gute 100 km/h zulegen.

Unsere RF-C4 konnte im Tiefflug auch ohne Nachbrenner Mach 1 erreichen, und mit Nachbrenner schafften wir sogar Mach 2,2; das hing von der Reaktionsschnelligkeit des Piloten ab. Einer ist sicher so gut wie der andere – der Unterschied lag vielleicht bei ein paar hundertstel Sekunden. Auf 30 Meter Höhe und bei einem Tempo von 1.000 km/h, da blieb allerdings nicht viel Zeit zum reagieren. Bei unseren Nachteinsätzen stützten wir uns auf das Infrarot-Abtastgerät. Alles, was die Infrarot-Sensoren erfassten, wurde uns im Cockpit angezeigt und zugleich auch auf film festgehalten. So konnte man nach der Landung den gesamten Flug analysieren. Da man in der Nacht schnell vom Kurs abkommen konnte, passierte es schon manchmal, dass wir mit Aufnahmen zurückkehrten und nicht so ganz sicher waren, was wir da eigentlich fotografiert hatten.

Daher begannen wir unsere Filmaufnahmen immer an einem vorher festgelegten, markanten Geländepunkt. So konnten wir später den Flug für jeden Zeitpunkt genau rekonstruieren. Unsere Infrarot-Sensoren sprachen zwar nicht auf Tarnnetze oder ähnliches an. Sobald aber ein Objekt Wärmeabstrahlung abgab, wurde es von unseren Sensoren erfasst. Deshalb setzten wir die Infrarot-Kameras auch bei Tage ein, um auf diese Weise beispielsweise verborgene Fahrzeuge aufspüren zu können. Selbst eine Einzelperson, die sich im Freien aufhielt, wurde von ihnen registriert. Unser Verbrauch an Filmmaterial war nur sehr gering. Auf etwa 3 Meter Film konnten wir, abhängig von Flughöhe und Geschwindigkeit, einen Geländeausschnitt von 30 km festhalten – und wir hatten 500 m Film an Bord.

Wie weit wir uns auf feindliches Gebiet vorwagen konnten, hing von der Treibstoffmenge ab, die wir mitführen konnten. Normalerweise würden wir zunächst in großer Höhe so weit wie erforderlich vordringen, dann im Tiefflug die Geländevorteile ausnutzen. Wir gehen so tief runter, dass der Gegner auf dem Radarschirm nicht mehr unterscheiden konnte, ob es sich um unsere Maschine oder eine Störung vom Boden her handelte. Da jedoch immer mehr Doppelradarsysteme eingesetzt wurden, die bewegliche Ziele herausfilterten, verlor diese Taktik an Effektivität. Im Ernstfall, wenn man wusste, dass irgendwo feindliche Geschütze lauern, wäre man mit Sicherheit so tief wie möglich geflogen – und wenn man bis auf 3 m runtergehen musste.

Alle Aufklärungseinsätze wurden praktisch unbewaffnet durchgeführt; wir flogen aber immer noch Einsätze in Zweierformation, um uns gegenseitig absichern zu können. Bei Nacht war das allerdings etwas schwierig. Man musste sehr dicht fliegen, um den Schutz so effektiv wie möglich zu halten, konnte den anderen aber nicht sehen. Dann aber wurden unsere RF-4Cs mit Luft-Luft-Raketen ausgerüstet, so dass wir uns gegebenenfalls verteidigen konnten. Das hieß natürlich noch lange nicht, dass wir ab dann auch die Aufgaben unserer Jagdflieger mit übernehmen und bei der Luftabwehr mitmischen konnten. Dennoch waren wir sehr froh, im Ernstfall eine Bedrohung für die anderen darzustellen.

Aber selbst ohne Waffen hätte ich immer versucht, meine Maschine so zu manövrieren, dass meine Flugzeugnase auf den Gegner zeigt. Wenn man nämlich hinter einem Gegner sitzt, wusste der nie so genau, ob und welche Waffe man an Bord hatte. Auf alle Fälle stellte man für ihn eine potentielle Gefahr dar, und nur das zählte. Unser Ausbildungsprogramm sah auch Trainingsflüge im Verbund mit anderen Flugzeugen vor, z.B eine Jägereskorte vom Typ F-15. Die Jäger begleiteten uns bis ins Einsatzgebiet und zurück zur Basis. Oder wir trafen uns an einem vorher festgelegten Punkt. Sie flogen mit uns bis zur Verteidigungslinie und drehten dann wieder ab. Auf unserem Rückflug trafen wir wieder mit ihnen zusammen.

Der Sinn der Übung war in beiden Fällen derselbe! Es kam der Moment, in dem jeder gleichzeitig an dieselbe Stelle vordrang. Das bewirkte taktische Ablenkung beim Feind, das minderte seine Beweglichkeit, denn es setzte sein Radar matt! Da wird alles weggefegt, was sich in den Weg stellt. Und wenn schließlich der Feind die Übersicht vollkommen verloren hatte, dann verließen wir diesen chaotischen Schauplatz, tauchten nach unten weg und gingen unserer eigentlichen Aufgabe nach.

Die Kombination verschiedener Flugzeugtypen in einer Gruppe – es konnte sich um 15, 20 oder mehr Maschinen mit speziellen Aufgaben handeln – bedeutete ein hohes Maß an Flexibilität am Ort des Einsatzes. So konnte die F-15 als Luftüberlegenheitsjäger eingesetzt werden, die <Wild Weasels> zur elektronischen Kampfführung, die F-16 als Bomber. Letzterer Typ führte auch Luft-Luft-Raketen mit und konnte auf dem Rückflug den Luftraum klären. Außerdem standen uns die F-111, Tornados, Jaguars und die F-4 zur Verfügung. Um das ganze zu koordinieren, musste uns ein AWACS – Airborne early Warning and Control-System – Fliegendes Frühwarn- und Leitsystem – da draußen begleiten, das uns Details im Gesamtzusammenhang geben und jeden einzelnen von uns im Auge halten konnte.

Die Lasge konnte ganz schön verworren werden, vor allem, wenn man bedachte, dass wir den Funk nicht benutzen konnten. Jede Luftwaffe verfügte über Fachleute, die sofort die gegnerische Frequenz erfassen und stören konnte, sobald man die Sendetaste drückte. Daher verließen wir uns immer auf ein exaktes Timing. Wir bekamen eine genau vorgegebene Zeit, zu der wir unser Ziel überfliegen mussten. Verpasste man diesen Zeitpunkt, so war es aus, denn nur wenig später kam man einem anderen in die Quere. Man liefe Gefahr, von Splittern der Bomben getroffen zu werden, die kurz zuvor abgeworfen wurden. Je exakter das Timing eingehalten wurde, desto enge die Formation.

Mit geballter Kraft konnte man den Feind schwächen, nur so hatte man die Chance, seinen Auftrag mit heiler Haut erfüllen zu können. Unsere Ziele waren ganz unterschiedlich, mal so groß wie die Golden Gate Bridge in San Francisco, mal so klein wie eine einzelne Flak-Rohr-Stellung. Daher konzentrierte sich unser Training auf die kleinsten Ziele. Wenn man eine einzelne Wasserpumpe in der Wüste finden konnte, würde man mit Sicherheit auch die Golden Gate Bridge entdecken..! Wir suchten auf unseren Karten mit großem Maßstab immer die kleinen Ziele – eben so eine einsame Pumpe in der Wüste. Dann flogen wir raus, fotografierten sie und erarbeiteten die taktisch beste Angriffsmethode; nicht nur für einen Angriff aus der Luft, sondern auch am Boden, da die meisten unserer Ziele letztendlich durch Heeresverbände ausgeschaltet werden sollten.

Das war wichtig für die Art, wie wir fotografierten. Was soll ein einfacher Soldat mit der üblichen Luftaufnahme anfangen? Er brauchte ein Bild, das seiner Perspektive entsprach, also schräg nach vorne aufgenommen. Wir hatten daher auch die Möglichkeit, Ziele mit einer Seitensicht-Kamera zu fotografieren, das bedeutete schräg, aus größerem seitlichen Abstand. Das war sehr wichtig bei einem Ziel, das verteidigt wird. Ich selbst glaubte fest daran, wenn ein Feind merkt, dass wir ein Ziel für so wichtig hielten, so wird er es seinerseits schützenswert finden. Die Seitenansicht-Kamera erlaubte es uns, bis zu einer Entfernung von fast 5 km noch scharfe Fotos zu machen.

Damals fragten sich viele Menschen, warum wir noch eine Phantom und taktische Luftaufklärung brauchten, wo wir doch Flugzeuge wie die SR-71 und die Aufklärungssatelliten hatten. Ausschlaggebend war die Flexibilität und die Schnelligkeit, mit der wir den Auftrag erledigten, nicht die Qualität der Bilder. Meistens vergingen keine zwei Stunden, bis wir den Auftrag durchgeführt hatten; da lag der entscheidende Unterschied. Niemand konnte sagen, ob der Satellit im richtigen Moment in der richtigen Position das richtige Bild machte oder ob das Wetter mitspielte. Jeder hat seinen eigenen Job, und das ist eben unserer.“

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 26/03/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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