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Propaganda im Zweiten Weltkrieg: Gejagt von deutschem Unterseeboot

Das Oberkommando der Wehrmacht gab im September 1939 bekannt: Ein U-Boot-Kommandant erzählt. Ekelhaftes Septemberwetter, Grauschwarzes Atlantikdünung fegt über das Deck. Auf unserem U-Boot krachen die Brecher gegen die eiserne Wand des Turms, grünweiße Gischt spritzt den Männern auf der Brücke in die Gesichter, die seit ein paar Wochen keine Rasierklinge mehr gesehen haben. Fest wickeln die Männer sich in ihr Lederzeug. Wenn man wenigstens rauchen könnte. Aber jetzt – ausgeschlossen! Weiß der Teufel, wie weit man im Dunkeln ein brennendes Streichholz sehen kann. Zwei Augenpaare spähen über das Wasser. Nichts! Nichts! Hat das da vorne nicht eine verfluchte Ähnlichkeit mit einem Schiff? Mal etwas näher betrachten. „Fahrzeug in Sicht.“

Deutsche U-Boote im 2. Weltkrieg. Foto: British War Archiv

Der Kommandant klettert auf die Brücke. Himmelherrgott! Vielleicht ein Kriegsschiff, denkt er und bekommt ein wenig Herzklopfen. Nein, leider nicht. Aber immerhin ein ganz netter Brocken. Wenn es bloß nicht so dunkel wäre… „Morsen!“ In unregelmäßigen Intervallen blitzt die Morselaterne auf. „Stoppen Sie sofort!“ Der Kerl denkt nicht daran. Im Gegenteil, er fängt an zu qualmen wie ein erdbebenreifer Vulkan und holt aus seinen Maschinen heraus, was drin ist. Das deutsche U-Boot hängt sich hinter ihn. Auskneifen, mein Lieber? Kommt nicht in Frage! „SOS! Chased by German submarine….“, funkt der Fremde. Klarer Fall. Kein Neutraler, den man vielleicht wieder laufen lassen muss, sondern ein richtiggehender Engländer.

Warte, mein Junge! Der Brite ist nicht ungeschickt. Er versucht, sich zwischen dunkle Wolken und U-Boot zu schieben, um dem Deutschen aus den Augen zu kommen. Die aber sind zäh wie Jagdhunde. Die See ist ziemlich grob geworden. Mit dem großen Geschütz lässt sich ein sicherer Schuss beim Engländer nicht anbringen, und auf die Flak-Maschinengewehre reagiert er sauer. Zwei Stunden sitzt dem ausreißenden Frachter unser U-Boot auf dem Nacken, dann erst kann der Kommandant das Geschütz gebrauchen, und der Brite gibt auf. „Fanad Head“ heißt er. „Fanad Head“ — unten im Boot wird eifrig Lloyds Register gewälzt. Da ist er: „Fanal Head“, 4.600 Tonnen, dann und dann und da und da erbaut usw. usw.. Befriedigt wird das Buch zugeklappt.

Na also, ein hübscher und netter Brocken für Churchills Verlustliste… Die Leute von der „Fanal Head“ machen keine Schwierigkeiten mehr. Nach dem Funksignal: „Take the boats!“ verlassen sie das Schiff und gehen in die Boote. Dicht bei dem Briten stoppt unser U-Boot. Wozu soll man den Kahn mit einem kostbaren Torpedo versenken, wenn ein paar Sprengpatronen denselben Dienst tun? Außerdem kann man sich ja mal ansehen, was der Kerl an Bord hat. Das kleine Dingi wird klargemacht, und ein lebhafter Verkehr zwischen U-Boot und dem britischen Dampfer entwickelt sich. Der 1. Wachoffizier und ein Mann gehen an Bord des Briten, um den Kasten zu durchstöbern.

Was sie da ans Tageslicht bringen, ist nicht schlecht, ein paar Hammelkeulen, Speckseiten und Arme voll Brote, die man in der wohlgefüllten Speisekammer der „Fanad Head“ gefunden hat. Man kann sie selber ganz gut gebrauchen oder auch der Besatzung der „Fanad Head“ mitgeben, falls die sich nicht ausreichend verproviantiert haben sollte. Das kleine Dingi fährt lustig hin und her. Ein großer Teil der Besatzung vom U-Boot hat sich an Deck eingefunden. Schließlich fahren ein Obermaschinist und ein Funkoffizier mit Sprengpatronen zum Briten hinüber, um dem Kahn den Rest zu geben. Dazu aber kommt es nicht. Vom Ausguck werden Flugzeuge gemeldet – englische Sturzkampfmaschinen.

Die Sache wird brenzlig. Der Kommandant gibt Befehl zum Alarmtauchen. Wie die Wiesel verschwinden die Männer unter Deck, während die Alarmklingel rasselt. Das Turmluk wird zugeworfen, Luftschacht, Dieselauspuff geschlossen, die Freiwache stürzt sich auf die Tauchstationen. Das Boot verschwindet unter dem Wasser, während die ersten Bomben der englischen Flugzeuge krachen. Das Boot ist sicher, denkt der Kommandant, aber draußen auf der „Fanad Head“ hat er vier Leute. Nein, fünf sind es, denn der Unteroffizier im Dingi konnte sich nicht schnell genug ins U-Boot retten. Fünf Leute im Feuer der englischen Bomben. Der Kommandant beißt die Zähne zusammen. Diese gottverdammten Briten vom „Fanad Head“ denkt er, haben uns mit ihrem Notsignal die Flieger auf den Hals geholt.

Aber das ist nun einmal nicht zu ändern… Nach ein paar hundert Metern geht das U-Boot auf Sehrohr-Tiefe. Im Boot ist es totenstill. Fast lautlos wird das Sehrohr ausgefahren. Der Kommandant drückt seine Augen aufs Okular. Das Wasser im Einblick wird hellgrün, immer heller, und dann… „Himmelherrgott!“, der Kommandant unterdrückt einen äußerst unchristlichen Fluch. Etwas fast Groteskes ist passiert: Das getauchte U-Boot hat sein Dingi mitgeschleppt. Die lange Wurfleine muss sich irgendwo am Boot verhakt haben. Hier gibt es nicht viel zu beraten. Das U-Boot muss sein Dingi loswerden, und zwar sofort, denn selbstverständlich müssen auch die Engländer schon gemerkt haben, was passiert ist.

Von selbst fährt ein unbemanntes Dingi nicht über das Wasser. Ein schweres Küchenmesser wird bereit gelegt. Dann taucht das U-Boot auf. Während jeder Mann der Besatzung den Atem anhält, wird das Turmluk aufgerissen, ein Mann stürzt an Deck, kappt die Wurfleine, spring zurück -. In diesem Augenblick stürzt ein feindliches Flugzeug auf das U-Boot zu. Es ist ein unwahrscheinliches Glück, dass es bereits seine letzte Bombe veworfen hat, denn es eröffnet nur ein MG-Feuer auf das tauchende Boot. Ein paar Einschläge in den Turm, dann schließt sich das Wasser des Atlantiks wieder über unser U-Boot. Verdammt dicke Luft draußen… Warten bis es dunkel wird, rät einer. Aber was soll das für einen Sinn haben?

Es ist klar, dass die Flugzeuge längst Zerstörer herangefunkt haben, die bis zur Dunkelheit ja wohl aller Voraussicht nach an Ort und Stelle sein werden. Warten – Unsinn! Und unsere fünf Mann auf der „Fanad Head?“ Der Kommandant entschließt sich zu einem tollen Manöver. Er will unter Wasser längsseits der „Fanad Head“ gehen, auftauchen, die fünf Mann schnell an Bord nehmen, wieder tauchen und diese trotz der Schinken und Speckseiten so ungastliche Stätte verlassen… Die Leute auf der „Fanad Head“ haben den Bombenregen der Engländer über sich ergehen lassen müssen. Sie haben Deckung gesucht, so gut es eben ging, doch die Bombensplitter haben keinen verschont. Aber Gott sei Dank, nur einer ist schwerer verletzt. Ein Splitter scheint ihm den Unterarm durchschlagen und die Pulsader getroffen zu haben.

Inzwischen hat sich die Geschützbedienung des Flugzeuges angenommen und gibt ihm eine Probe deutscher Schießkunst, sodass es 200 Meter vom Dampfer entfernt abstürzt. Der Pilot hält sich an den Trümmern seines Flugzeuges, der Beobachter ist verschwunden, wahrscheinlich verletzt und ertrunken. Und nun vollbringt ein deutscher Seemann ein Heldenstück, das Mister Winston Churchill in den Kommentaren zu seinen Kampfberichten wahrscheinlich ungern erwähnt sieht: Der Heize von unserem U-Boot, obgleich er von einem Bombensplitter in den Rücken getroffen ist, sich ins Wasser stürzt, die 200 Meter bis zu dem verwundeten Engländer schwimmt und ihn auf den Dampfer holt. Dort zieht man ihn an Deck.

Zwei Mal hat sich unser U-Boot unter Wasser langsam an die „Fanad Head“ herangeschoben. Der dritte Versuch gelingt. Das U-Boot hebt sich dicht neben der „Fanad Head“ aus dem Wasser und schlägt hart an die Wand des britischen Dampfers an. Die fünf Mann vom Prisen- und Sprengkommando schwimmen die paar Stöße zum U-Boot und ziehen ihre Kameraden an den Wurfleinen hinter sich her. – Bloß der Engländer zögert. Wir torpedieren den Dampfer, Idiot“, brüllt einer zu ihm hinüber. Jetzt begreift er, springt ins Wasser, wird ins U-Boot gezogen, das Turmluk wird geschlossen; – wir tauchen ab. Ein Torpedoschuss vernichtet den Schauplatz der dramatischen Ereignisse dieser Stunden: Die „Fanad Head“ verschwindet gurgelnd in den Fluten des Atlantik.

Das war am 14. September 1939.

Trotz der vielen Widersprüche in der Wiedergabe des „Kommandanten“ vom Geschehen auf See, glaubte man dem Oberkommando der Wehrmacht jeden nur erdenklichen „Mist“, der seitens der Nazi-Propaganda n o c h „ritterlich“ den „Volksgenossen“ zur Kenntnis gebracht wurde.

Das alles sollte sich im Kriegsverlauf noch um vieles ändern.

Von Rolf von Ameln

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Von am 14/09/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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