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Der Untergang der Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944: Operation Bagration

Während die Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 als Schlüsselereignis des Zweiten Weltkrieges galt, wird oft nicht zur Kenntnis genommen, dass im Sommer 1944 mindestens ebenso heftige Kämpfe an der sogenannten Ostfront stattfanden. Trotz der Wende vor Moskau 1941 war die deutsche Wehrmacht 1942 noch in der Lage gewesen, zum Kaukasus und nach Stalingrad vorzudringen und 1943 bei Kursk eine große Offensive – „Zitadelle“ – zu starten. 1944 war das Gesetz des Handelns endgültig auf die Rote Armee übergegangen. Diese war nach den anfänglichen Niederlagen reorganisiert worden, wobei man -etwa bei den Uniformen- bewusst auf die zaristische Vergangenheit anknüpfte.

Russland-Nord, deutsche Soldaten mit Raketenpanzerbüchse, Spätsommer 1944. Foto: Archiv/RvAmeln

Das sinnlose Verheizen der Rotarmisten im blinden Angriff wurde durch bessere Planung und Truppenführung ersetzt. Bis Mai 1944 wurden die deutschen Truppen zur Räumung der Halbinsel Krim gezwungen und weitgehend aus der Ukraine gedrängt. Im Norden musste die Heeresgruppe Nord die Belagerung Leningrads aufgeben. Dadurch war der zentrale Bereich der Ostfront, die Heeresgruppe Mitte, in eine exponierte Lage geraten. Genau da sollte die „Operation Bagration“, die große Offensive der Roten Armee im Mai 1944 ansetzen, zeitgleich mit der Landung der Alliierten in Frankreich. Beide Operationen wurden verschoben – „Bagration“ begann letztlich am 22. Juni 1944, genau drei Jahre nach dem „Fall Barbarossa“, dem deutschen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion.

Die Heeresgruppe Mitte mit vier Armeen – 36 Divisionen – hatte einen Frontbogen von 700 Kilometern zu verteidigen. Da Adolf Hitler den Angriff im Süden erwartete, wurden die meisten Panzerkräfte den Heeresgruppen Nord- und Südukraine zugeteilt; nach der Invasion in der Normandie wurden weitere Verbände abgezogen. Vorschläge, die Front auf besser zu verteidigende Stellungen zurückzunehmen, lehnte Hitler vehement ab, obgleich sich die Anzeichen einer sowjetischen Offensive mehrten. Die Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Ernst Busch mit rund 850.000 Soldaten war der stärkste in der Sowjetunion stehende deutsche Großverband; – durch die schlechte Versorgungslage allerdings ein „Kartenhaus vor dem Einsturz!“

Hinzu kamen die Aktionen der Partisanen, denen es unmittelbar vor dem sowjetischen Angriff gelang, die deutschen Eisenbahnverbindungen mithilfe von über 10.000 Sprengfallen für zwei Tage lahmzulegen. Für die Planung der sowjetischen Offensive zeichnete General Andrei Antonow als Chef des Operationsstabes verantwortlich, für die Durchführung die Marschälle Alexander Wassilewski – Koordinator der Ersten Baltischen und der 3. Weißrussischen Front – „Front “ ist das sowjetische Äquivalent einer Heeresgruppe – und Georgi Schukow – Koordinator der 1. und der 2. Weißrussischen Front. Die sowjetischen Truppen zählten 1,5 Millionen Mann mit 30.000 Geschützen, 5.200 Panzern und 5.300 Flugzeugen.

Zum Vergleich: Die Heeresgruppe Mitte hatte 900 Panzer und 1.350 Flugzeuge – dies allerdings nur auf dem Papier. Bei Beginn der sowjetischen Offensive waren gerade 61 Jagdflugzeuge einsatzbereit. Für die Versorgung der weitgehend motorisierten sowjetischen Truppen wurden 25.000 Tonnen Dieselkraftstoff pro Tag veranschlagt. Es gelang, den Aufmarsch geschickt zu tarnen und die Deutschen durch Schein-Konzentrationen und Attrappen über die wahren Absichten der Roten Armee zu täuschen. Der Angriff begann am 22. Juni mit einem massiven zweistündigen Artilleriebeschuss der deutschen Stellungen. Erstes Ziel war die Einnahme von Witebsk und Orscha und die Ausschaltung der deutschen 3. Panzerarmee durch die 1. Baltische und die 3. Weißrussische Front.

Ab dem 23. Juni griff die 2. Weißrussische Front die Stellungen der 4. deutschen Armee bei Mogilew an, ab 24. Juni ging die 1. Weißrussische Front gegen die 9. Armee bei Bobruisk vor. Damit sollten in einem weiten Zangenangriff große Teile der Heeresgruppe Mitte eingeschlossen werden. Die deutschen Truppen wurden zurückgedrängt, die heftig umkämpften Orte weitgehend zerstört. Von den 1941 noch 170.000 Bewohnern von Witebsk etwa waren noch 118 übrig. Der Rückzug durch die weißrussischen Waldgebiete und Pripjet-Sümpfe unter ständigen Angriffen der sowjetischen Schlachtflieger, wurde zum Desaster – nur die Hälfte der Soldaten der 4. Armee konnte sich über den Dnjepr zurückziehen.

Bei Borrisow gelang es der sowjetischen 5. Garde-Panzer-Armee am 1. Juli die Beresina zu überqueren und am 3. Juli Minsk einzunehmen. Damit war die deutsche 4. Armee am Ostufer der Beresina eingeschlossen. Bis zum 11. Juli fielen im Kessel bei Minsk rund 70.000 deutsche Soldaten, 35.000 wurden gefangen genommen. Nur einzelne Soldaten und kleine Gruppen erreichten bis August die deutschen Linien, die sich inzwischen in Ostpreußen befanden. Im Jahre 1812 war an der Beresina auch die Armee Napoleons auf dem Rückzug von Moskau vernichtet worden. Ende Juni wurde Generalfeldmarschall Walter Model neuer Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte.

Mehrere Generäle wurden abgelöst, dabei lag die Verantwortung für das Desaster in erster Linie bei Hitler selbst, der einen rechtzeitigen Rückzug untersagt hatte. Im Juli bestand im mittleren Bereich der Heeresgruppe Mitte keine zusammenhängende Front mehr. Model versuchte, den sowjetischen Vormarsch durch Gegenangriffe wenigstens zu verzögern. Ende Juli waren auch die sowjetischen Truppen erschöpft und litten unter Nachschubschwierigkeiten. Gleichzeitig musste sich die Heeresgruppe Nord zurückziehen. Um Vilnius in Litauen kam es bis 14. Juli zu heftigen Kämpfen: die deutschen Verbände mussten die letzten Positionen in Russland täumen und nach Lettland ausweichen.

Ende Juli erreichte die Rote Armee die Bucht von Riga. Erst im August wurde die Front im Baltikum einigermaßen stabilisiert. Weiter im Süden griff die Rote Armee bei Brody am 13. Juli die Heeresgruppe Nordukraine an. Am 24. Juli wurde Lublin besetzt, am 27. begann der Vormarsch auf Warschau, doch gelang es den deutschen Truppen in einer letzten erfolgreichen Großoperation Anfang August, eine Abwehrfront herzustellen. Zu den Begleiterscheinungen der „Operation Bagration“ gehörte der Aufstand der im Untergrund gebildeten „Polnischen Heimatarmee“ in Vilnius, Lublin und vor allem in Warschau; – damit wollten die Polen einer Vereinnahmung polnischen Gebiets durch die Sowjets zuvorkommen.

Der Aufstand wurde – trotz der Luftunterstützung durch westliche Alliierte – niedergeschlagen. Später wurde den Sowjets vorgeworfen, ihren Vormarsch ganz bewusst verzögert zu haben, um die demokratisch-westlichen polnischen Patrioten auszuschalten und so leichteres Spiel bei der kommenden Vereinnahmung Polens zu haben. Allerdings waren die sowjetischen Truppen bereits abgekämpft und litten unter mangelndem Nachschub. In den Kämpfen des Sommers 1944 verlor die Wehrmacht Hitlers rund 400.000 Soldaten, davon 150.000 Kriegsgefangene, die Rote Armee hatte fast 180.000 Gefallene und Vermisste sowie fast 600.000 Verwundete zu beklagen.

Die „Operation Bagration“ hatte die Front bis zu 600 Kilometer nach Westen verschoben, sowjetische Truppen standen an der Ostsee und vor Warschau. Damit verlor die „Großdeutsche Wehrmacht“ ihre operative Handlungsfähigkeit an der Ostfront. Zusammen mit „Overlord“ im Westen markierte „Bagration“ den Anfang vom Ende des „Dritten Reiches“. Durch den raschen Vormarsch der Roten Armee gelang es erstmals, deutsche Konzentrations- bzw. Vernichtungslager einzunehmen. Nachrichten von den dort begangenen Verbrechen schürten, von der Propaganda unterstützt, den Hass auf alles Deutsche und trugen so zu den Gräueltaten von Rotarmisten gegenüber deutschen Soldaten und der Zivilbevölkerung im Jahre 1945 bei.

Die schweren Verluste an der Ostfront waren einst ein zusätzliches Motiv für die Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 loszuschlagen um Hitler ins Jenseits zu befördern; – bekanntlich scheiterte dieser Versuch, der Krieg dauerte fast noch ein Jahr. Die deutschen Verluste vonn Mitte 1944 bis Kriegsende waren ungefähr genauso hoch wie die gesamten Verluste der fünf ersten Kriegsjahre zusammen.

Und dann behauptet ein Mister Gauland von der AfD, dass die letzten 1.000 Jahre deutscher Geschichte nur ein „Vogelschiss“ wären. Der Mann gehört entweder aus dem Bundestag entfernt oder aber via Zwangsjacke in die Irrenanstalt.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 14/06/2018. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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