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Die Probleme des politischen Sekretärs in Rom, Werner Beck – nach seinen Aufzeichnungen

Beck hatte im Jahre 1941 Probleme, denn auf seinem Schreibtisch war ein Schreiben vom Reichssicherheitshauptamt, Abteilung IV-B 4 gelandet, in welchem er um einen Bericht über die Möglichkeiten ersucht wurde, um Juden aus Italien nach dem Osten zu deportieren. Für solche und andere heikle Angelegenheiten unterhielt Werner Beck enge Beziehungen mit Mussolinis verschlafenen Bürokraten, denn unter anderem war er zuständig für die Rekrutierung italienischer Arbeiter, die man in den Rüstungsbetrieben ins Reich schickte. Aber auch er konnte keine Wunder bewirken; – und diese „Sache mit den Juden“ hielt er für hoffnungslos, denn selbst die fanatischsten italienischen Faschisten lachten über die Nürnberger Gesetze.

Die meisten Italiener kamen mit den dort lebenden Juden gut zurecht, man mochte sie und hatte Mitleid mit ihnen. Er knüpfte Kontakte, verhandelte mit amtlichen Stellen, erhielt nur Absagen und sandte eine gut gefüllte Mappe zurück ins Reich. Damit war für ihn die Angelegenheit erledigt; – dachte er. Doch es kam ein weiteres Schreiben jenes Obersturmbannführers aus dem Reichssicherheitshauptamt, dem die Abteilung IV-B 4 unterstand, er teilte mit, dass er persönlich nach Rom kommen würde. Für einen Obersturmbannführer hatte er schon einen recht anmaßenden Ton, aber ein SS-Führer war schon etwas ganz anderes als ein Offizier der Wehrmacht.

Als Ableger von Hitlers Schläger-Abteilungen, der jetzt zu einer aufgeblähten Privatarmee von Nazi-Getreuen gediehen war, stellt die SS in Werner Becks Augen nur eine Elite regierungstreuer Polizisten dar, obgleich der Status des „Ehrenführers der SS“ zu einem Unterpfand unverbrüchlicher Treue zum System der Nationalsozialisten geworden. Und doch schien dieser Obersturmbannführer Eichmann einiges Gewicht zu besitzen, denn als nächstes erhielt der deutsche Botschafter in Rom ein kurzes und bündiges, streng geheimes Schreiben von Reinhard Heydrich, einem SS-Obergruppenführer von beängstigendem Ruf, der gleich nach Himmler kam, aus dem hervorging: „Tun Sie, was Eichmann sagt.“

Von dieser Aussage verwirrt verlangte der Botschafter von Beck einen genauen Bericht über Eichmanns Abteilung IV-B 4, was natürlich nun Beck zwang, sich mit dem gesamten leidigen und undurchsichtigen Gewirr von Sicherheitsdiensten zu beschäftigen, das selbst die ältesten Beamten des Auswärtigen Dienstes nicht durchschauten. All das war ein Streben nach politischer Hausmacht. Bei der Abteilung IV des Sicherheitshauptamtes handelte es sich um die alte Gestapo, die Göring aus der Preußischen Politischen Polizei umgeformt hatte in einen Zweig des Geheimdienstes. Das neue Reichssicherheitshauptamt war eine unheiliche, schwer zu fassende, allumspannende Behörde, aber genau das, was die Partei wollte, eine geheime Polizeiorganisation, die außerhalb der Justiz operierte und nur Hitler persönlich verantwortlich war!

Die Abteilung B der Gestapo befasste sich mit den Sekten. Als vierte „Sekte“ galten die Juden. Abteilung IV-B 4 des RSH war somit das Referat für Judenangelegenheiten. Als dessen Chef bestimmte Obersturmbannführer Eichmann das Schicksal sämtlicher Juden in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten; die Juden galten als „Sicherheitsanglegenheit“..! Eichmann traf kurz nach dem Attentat auf Heydrich in Rom ein. Trotzdem das Benzin knapp war, kam er mit dem Pkw aus Berlin angereist. Er hielt nichts vom Fliegen. In dem feudal eingerichteten Empfangssalon der deutschen Botschaft wurde zwischen den drei Männern beim Kaffee nur unverbindlich geplaudert.

Danach delegierte man Eichmann an Werner Beck. In Becks Büro angekommen wurde Eichmann anmaßend und beschwerte sich über die italienischen „Operettenfiguren“, die in den staatlichen Verwaltungen saßen und keine Einsicht in der „Judenfrage“ zeigten. Aber zusammen mit dem Auswärtigen Amt werde die Sicherheitspolizei die Sache mit den Juden trotz der italienischen Regierung schon in Ordnung bringen. Denn in den Augen des Führers, meinte Eichmann, gäbe es für das Judenproblem keine Grenzen. Der unerschütterliche Wille des Führers gehe dahin, den Kontinent von den Juden zu säubern. Und deshalb müsse Herr Doktor Beck als politischer Sekretär in Rom schon etwas mehr leisten, als nur negative Berichte nach Berlin zu senden.

„Aber Italien ist kein besetztes Gebiet, es ist ein souveräner Staat und ein vollwertiger militärischer Verbündeter. Diese Juden sind immer noch italienische Staatsbürger.“ Eichmann in seiner schwarzen Uniform grinste Beck an, aber er, Eichmann, sei gekommen, um ihm Richtlinien zu vermitteln. Einen entscheidenden Punkt, sagte Eichmann, der sich für sein Thema erwärmte und eine Zigarette nach der anderen rauchte, solle Beck sich stets vor Augen halten: dass man Italien unbedingt dazu bringen müsse, ein paar Juden, und seien es noch so wenige und auf welcher Basis auch immer, sofort an Deutschland auszuliefern. Sei dieser Schritt getan, der Grundsatz festgeschrieben und das Eis gebrochen, werde der Widerstand gegen die deutsche Politik nach und nach zusammenbrechen.

Diese Erfahrung habe er mehrfach gemacht, denn trotz schwerster Besteuerung gäbe es Tricks, den Juden ihren Besitz zu erhalten – da helfe nur, sie selbst wegzuschaffen. Dann bleibt ihr Reichtum zurück und kann konfisziert werden. Wenn eine Regierung erst einmal ein paar Juden ausliefere und dann merke, wie lohnend das für sie sei, ändere ihre Haltung sich gewöhnlich, und sie würde zum warmen Befürworter dieses Vorgehens. Das sei in einem nach dem anderen Land so gewesen. Die kleinmütigen Politiker müssten nur selbst einmal lernen, wie leicht es sei, wie wenig ihre Bevölkerung im Grunde dagegen hätte,, wie bereitwillig die Juden sich fügten, wie ungerührt der Rest der Welt zusehe und welcher Gewinn in der weisen Politik des Führers liege.

Die Situation der in Italien lebenden Juden erfordere einen überzeugenden Diplomaten. Das Auswärtige Amt habe Herrn Doktor Werner Beck wärmstens empfohlen, und der Reichsführer SS erwarte zuversichtlich positive Ergebnisse. Je klarer Eichmanns Gedankengang wurde, desto weniger gefiel er Werner Beck. Er hatte genug Andeutungen über die mit Juden gefüllten Lagern im Osten gehört. Antisemiten – willige Geschöpfe Ribbentrops – waren im Auswärtigen Dienst in der Überzahl. Einer der schlimmsten von ihnen war ein Unterstaatssekretär, der ausgerechnet noch Martin Luther hieß und eine streng geheime Abteilung des Auswärtigen Amtes leitete, die irgendwie mit jüdischen Angelegenheiten zu tun hatte.

Beck hatte sich mit diesem Säufer auf einem Empfang in Berlin unterhalten. In schon ziemlich betrunkenem Zustand hatte Luther vertraulich zwinkernd preisgegeben, den Juden werde es in den Lagern im Osten „endlich mal gezeigt“ – so, wie der Führer es vorhergesagt habe. In Deutschlands „besseren Kreisen“ überging man dieses Thema mit Schweigen..! Obwohl sich Werner Beck hin und her wand, seine Argumente vortrug, was die Souveränität Italiens anging, unterbrach ihn Eichmann, dessen Gesicht einen straffen, strengen Zug annahm: „Genug, Doktor Beck, sprechen wir offen miteinander. Kann der Reichsführer bald mit einem positiven Bericht hinsichtlich der Juden rechnen? Alle Unterlagen, über die wir gesprochen haben, erhalten Sie morgen per Kurier.

„Ich werde mein Bestes tun“, entgegnete Beck. Mit einem breiten Grinsen sagte Eichmann: „Ich bin froh, dass ich gekommen bin und wir uns gründlich ausgesprochen haben. Wenn Sie nur wollen, können Sie ein Bündel voller Energie sein. Tun Sie nun mal was für den Führer.“ Eichmann ließ sich von Beck noch ein Glas Kognak einschenken und leerte es mit einem Zug. Als Werner Beck durch die Halle mit Eichmann zum Ausgang der Botschaft hinausging, tauschten sie Belanglosigkeiten über den Verlauf des Krieges aus. An der Tür der Botschaft drehte er sich um und grüßte: „Sie tragen hier eine große Verantwortung, Doktor Beck. Viel Glück. Heil Hitler.“

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 22/08/2018. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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