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Was die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg über Hitler und das Nazi-Regime dachten I.

Nach dem Selbstmord des „Führers“ und Eva Braun dauerte der Krieg nur noch einige Tage, dann, am 8. Mai 1945 war er zu Ende; – Hitler war tot. Doch sein „Nachleben“ begann, Gerüchte machten die Runde. Viele Deutsche hatten ihre Zweifel, denn es gab keine Leiche, nicht einmal ein Foto, das beweisen konnte, was der „Großdeutsche Rundfunk“ den „Volksgenossen“ kund tat. Oft tauchte die Frage auf, wo der „Führer“ wohl stecken würde. Auch die Alliierten rührten kräftig in der Gerüchteküche, Stalin glaubte nie an Hitlers Tod. Der Markt der Desinformationen blühte rege.

Als die ersten Einzelheiten über den Selbstmord des Ehepaares Hitler bekant wurden, begannen unter den Deutschen wie fast überall in der restlichen Welt, von unterschiedlichen Interessenten ausgemalt, abenteuerliche Geschichten zu kursieren, die den Weg in die neue Presse fanden: Hitler ist mit einem Unterseeboot abgetaucht und in das ewige Eis der Antarktis entkommen, oder: Hitler züchtet Kakteen auf einer Hazienda in Andalusien oder Argentinien. Hitler schmiedet nach Non-Stop-Flug neue Pläne am Fuße des Fudschijama in Japan. Hitler wurde in Antwerpen gesichtet, zusammen mit Eva, in einer Luxus-Limousine, mit geänderten Vornamen; Eva heiße jetzt Martha und Adolf heiße jetzt Johann, oder: Hitler auf der Elbe in einer Yacht gesichtet, als er das Weite suchte.

Der Berichterstatter der Zeitschrift „Quick“, Doktor Herbert Tichy, wollte ihn gar in Tibet aufgespürt haben. Ein anderes Mal schrieb er, der „Führer“ halte sich in einem Dorf im Hunsrück auf. Tichy erhoffte sich so eine große „Dollar-Belohnung“; doch daraus wurde wohl nichts. Dann, gleich nach dem Krieg kursierte ein Witz mit politischem Drall, an dem Verschwörungstheoretiker bis heute ihre helle Freude haben: Kommt der „Führer“ auf allen vieren aus seinem Berliner Bunker gekrochen, richtet sich auf und schlägt vor einem sowjetrussischen General die Hacken zusammen: „Geheimagent X-18 meldet gehorsam: Befehl ausgeführt! Deutschland zerstört!“

Sogenannter „Humor in Trümmern“, die im „Feld Unbesiegbaren“ hereingelegt vom eigenen Oberbefehlshaber, der zugleich Chef der fünften Kolonne gewesen sein soll. Der Nazi-Diktator ein Moskau-Mann, im Grunde ein „Roter“? Es lachten herzhaft die, die schon immer dagegen gewesen sein wollten, und mit Zufriedenheit schmunzelten die Konservativen., die sich als „Steigbügelhalter“ verkannt sahen. Besser konnte man sich damals von den Nazis und dem eigenen Mitmachen nicht distanzieren, als Hitler an den alten und neuen Feind, die Bolschewisten im Osten, zu übergeben. Über Jahrzehnte hinweg wurde das Propagandabild strapaziert: Hitler in Pankow und Moskau, als Wiedergänger in mancherlei Verkleidung. Aber wenn schon nicht er selbst, dann zumindest sein Faktotum, der „Satansbraten“ Martin Bormann.

Jedoch den Vogel schoss bei den ganzen Gerüchten Reinhard Gehlen -1902 bis 1972- ab, Adolf Hitlers Spezialist für „Fremde Heere Ost“, der nach dem Krieg bis zum Jahre 1968 mit legendärem Ruf als Chef des Bundesnachrichtendienstes der Bonner Regierung mit Rat und Tat zur Seite stand. In seinen 1971 veröffentlichten Memoiren, die in den Augen der kritischen Leser ihn selbst bis auf die Knochen und sein mysteriöses Handwerk bis auf den giftigen Kern entlarvten, stößt man auf die „Tatsachen-Behauptung“, die unter den mancherlei Pleiten in diesem Metier wie ein riesenhafter Fliegenpilz hervor sticht. Würde es auf dieser, unserer Welt mit rechten dingen vorgehen, hätte allein schon dieses „Erkenntnis-Produkt“ zur Abschaffung aller Nachrichtendienste führen und ihrem Boss eine Anstellung als Schießbudenfigur auf Jahrmärkten einbringen müssen, wo ihnen jeder rechtschaffene Mensch ihnen bunte „Stoffbälle auf die Gurke“ hätte werfen können. Die „Offenbarungen“ trugen dem ehemaligen „Meisterspion“ ordentlich „Kessef-Kies“ ein, nicht nur die runde halbe Million Deutsche Mark, die der „Welt“ ein Vorabdruck wert war. Gehlens Glanzstück wörtlich: „Martin Bormann, Hitlers engster Vertrauter, arbeitete seit Beginn des Russlandfeldzuges für die Sowjets und lebte nach dem Krieg, perfekt abgeschirmt, in der Sowjetunion als politischer Berater.“

Beim Militärtribunal zu Nürnberg vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 gegen die „Hauptkriegsverbrecher“ fehlte Adolf Hitler, aber alles drehte sich um ihn und seine „Befehle“, zumal sich von den führenden Nazis des NS-Regimes, neben Goebbels, auch Heinrich Himmler und Martin Bormann, dem Prozess entzogen hatten. Die zwei erst genannten hatten sich selbst vom Leben in den Tod befördert, Bormann blieb unauffindbar, bis Jahrzehnte später seine Knochen bei Ausschachtungsarbeiten im Berliner Untergrund entdeckt wurden und den angeblichen Gewissheiten, wo er sich überall herumgetrieben hatte, ein Ende bereiteten. Hermann Göring, der „Superstar“ unter den Angeklagten, gab den „Stellvertreter“ zum Besten.

Bevor man sein Todesurteil vollstrecken konnte, brachte auch er sich mit einer Zyankali-Kapsel um. Das Aufsehen erregte dieser Prozess in der ganzen Welt, denn derartiges hatte es zuvor noch nie gegeben. Auch in der von den Alliierten in den Besatzungszonen unter Aufsicht gestellten Presse wurde pflichtgemäß sehr ausführlich darüber berichtet. Ob es die Deutschen interessierte, was mit den Kriegsverbrechern geschah, mag dahingestellt sein..! Man hatte andere Sorgen. Im Verlauf des Prozesses kamen durch Zeugen und Dokumente die Verbrechen der Nazis ausführlich in konkreten Einzelheiten zur Sprache; – auch das größte unter den großen Verbrechen, die sogenannte „Endlösung“ -, die Vernichtung der europäischen Juden.

Doch schnell prägte sich in Deutschland der Begriff „Siegerjustiz“, verbreitet war die Ansicht, dass mit diesem Tribunal gegen die „Spießgesellen“ des dämonischen Diktators die Schuldfrage abschließend geklärt worden sei. Und recht schnell zählten sich viele Deutsche zu den ersten „Opfern“ des NS-Regimes, und alles wurde auf Adolf Hitler uns seine „Befehle“ abgewälzt. Doch die Geschichtsschreibung ging noch weiter.

Davon berichten wir in der nächsten Ausgabe der Israel Nachrichten.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 24/03/2019. Abgelegt unter Israel,Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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