Meine Seite

Abonnieren

  • Subscribe via Email
  • Facebook
  • Twitter

Das Saarland erinnert an den Widerstandskämpfer Willi Graf

Im Jahr 2018 jährt sich der 100. Geburtstag und der 75. Todestag des Widerstandskämpfer Willi Graf. 15 von seinen 25 Lebensjahren hatte Willi Graf im Saarland gelebt. Die Landeshauptstadt Saarbrücken, die Willi-Graf-Schulen und die katholische Kirche in Saarbrücken haben dies zum Anlass genommen, 2018 ein Willi Graf Gedenkjahr auszurufen.

Ehrengrabstätte Willi Graf in Saarbrücken. Foto: B. Bost

Willi Graf, der von 1922 bis 1937 in Saarbrücken gelebt hatte, gehörte in München der studentischen Widerstandgruppe Weißen Rose an. Seine Wurzeln hatte der am 2. Januar 1918 im niederrheinischen Kuchenheim geborene Willi Graf allerdings in seinem katholischen Glauben und in der Jugendarbeit der katholischen Kirche in Saarbrücken. Das Saargebiet gehörte 1933 bei der Machtergreifung Hitlers noch nicht zu Deutschland, in einem fast zwei Jahre dauerndem Abstimmungskampf kämpften Teile der katholischen Kirche an der Saar für eine Rückkehr nach Deutschland und ein kleinerer Teil unter Johannes Hoffmann für den Status Quo, dem Verbleib unter dem Völkerbundmandat bis zum Verschwinden Hitlers. Die Eltern von Willi Graf betrieben in Saarbrücken den Johannishof, das Bildungshaus der katholischen Kirche im Saargebiet, wo sich ein großer Teil des Abstimmungskampfes innerhalb der kath. Kirche widerspiegelte. Sein Lehrer und Mentor in Saarbrücken war der spätere Kardinal Joseph Höffner, der während des Krieges in seinem Pfarrhaus an der Mosel und in seinem Elternhaus im Westerwald zwei jüdische Kinder versteckte und posthum als Gerechter unter den Völkern von Yad Vashem geehrt wurde. Nach Abitur und Arbeitsdienst begann Willi Graf Ende 1937 in Bonn sein Medizinstudium. 1940 wurde Graf zur Wehrmacht eingezogen, als Medizinstudent wurde er zum Sanitäter ausgebildet und an der Ostfront eingesetzt. Dort wurde er Zeuge der nationalsozialistischen Verbrechen. „Das Elend sieht uns an“, schrieb Willi Graf, erschüttert über das Warschauer Ghetto in sein Tagebuch. Seit April 1942 konnte Willi Graf sein Studium in München fortsetzen, wo er die Medizinstudenten Hans Scholl und Alexander Schmorell kennenlernte. Zusammen bildeten sie die „Weiße Rose“.

„Nieder mit Hitler!“

Willi Graf Gedenkstätte auf dem Friedhof St Johann in Saarbrücken. Foto: B.Bost

In insgesamt sechs Flugblättern prangerten sie die menschenverachtende Politik Adolf Hitlers an und riefen zum Protest gegen sein Terror-Regime auf. Ihre Schriften wurden in Deutschland und später auch im Ausland per Post und durch Flugblätter tausendfach verbreitet. Alexander Schmorell und Hans Scholl schrieben 1942 die ersten vier Flugblätter. Auf Schmorell ging eine wichtige Passage im zweiten Flugblatt zurück, das den hunderttausendfachen Judenmord in Polen als „das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen“ anprangerte. Zum ersten Mal machten Nazigegner aus der Studentenschaft in Deutschland damit den Holocaust öffentlich. Seit Dezember 1942 ist Willi Graf an der Diskussion des fünften Flugblattes der Weißen Rose beteiligt. Im Winter 1942/43 unternahm Willi Graf mehrere Reisen auch an die Saar, bei denen er ehemalige Kameraden aus der katholischen Jugend traf. Er hoffte, in ihnen Mitstreiter zu finden. Nur vier von ihnen, darunter die Geschwister Bollinger aus Saarbrücken, sagten Unterstützung zu. Graf hatte eine in Einzelteile zerlegte Druckmaschine ins Saarland geschmuggelt, den die Geschwister Bollinger bedienten, im Februar 1943 nahm er im Zug von Saarbrücken nach München einen Koffer voller Flugblätter mit. Graf war der Logistiker der Widerstandgruppe, er beschaffte Geld und zog mit Hans Scholl und Alexander Schmorell nachts los, um in München 29. Mal Parolen wie „Nieder mit Hitler!“ an Häuserwände zu schreiben. Im Februar 1943 traf Willi Graf auch Falk Harnack, dessen Bruder Arvid als Kopf der Berliner Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ im Dezember 1942 hingerichtet worden war. Schon die Überschrift „Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland“ zeigte, dass die Gruppe sich nicht mehr isoliert sah. Die Flugblätter weisen auf die kommende Niederlage hin. Zum ersten Mal werden Vorstellungen für ein neues Deutschland formuliert. Anders als die Männer des 20. Juli 1944 haben die Mitglieder der „Weißen Rose“ jedoch nicht zum gewaltsamen Umsturz aufgerufen. Ihr Widerstand war in erheblichem Maße von einer christlichen Denkweise motiviert gewesen.

Nicht die Rekrutierungsreisen von Willi Graf wurden den Widerstandskämpfern zum Verhängnis, sondern eine leichtsinnige Flugblatt-Aktion in der Münchner Uni. Ein Hausmeister der Universität beobachtete am 18. Februar 1943 Hans und Sophie Scholl beim Abwerfen von Flugblättern in den Lichthof der Universität und alarmierte die Gestapo. Am gleichen Tag wurden die Mitglieder der Weißen Rose verhaftet. Am 22. Februar 1943 sterben die Scholls und Christoph Probst bereits unter dem Fallbeil. Am 18 April 1943 wurde Willi Graf gemeinsam mit Alexander Schmorell und Professor Kurt Huber, der das sechste Flugblatt formuliert hat, vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt. Während Huber und Schmorell bereits nach zwei Monaten hingerichtet wurden, wurde Willi Graf immer wieder von der Gestapo, die ihn als Kopf der Gruppe einstufte, verhört. Grafs Vater richtete in dieser Zeit an alle möglichen Stellen und bei verschiedenen einflussreichen Personen, darunter dem Stahlbaron Herrmann Röchling einem Vertrauten Hitlers, Hilfs- und Gnadengesuche für seinen Sohn. Willi Graf blieb in den Verhören standhaft und schwieg. Deshalb hatten seine Saarbrücker Freunde Heinz und Willi Bollinger Zeit, die Maschine, mit der die Flugblätter der Weißen Rose vervielfältigt worden waren, in der Saar zu versenken. Am 12. Oktober 1943 wurde auch Willi Graf im Alter von 25 Jahren, als Letzter, wie alle anderen Mitglieder der Weißen Rose, durch das Fallbeil hingerichtet. In einem geschmuggelten Abschiedsbrief an seine Schwester Anneliese richtete er seinen Freunden aus: „Sie sollen weitertragen, was wir begonnen haben. Für uns ist der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang wahren Lebens.“

Willi Graf Gedenk- und Erinnerungsstätte in Saarbrücken. Foto: B.Bost

1946 erfolgte auf Veranlassung der Familie Graf die Überführung von Willi Grafs Gebeinen nach Saarbrücken, wo er seither im Familiengrab auf dem Alten Friedhof St. Johann bestattet ist. Die Stadt Saarbrücken und auch die kath. Kirche haben sich jahrelang sehr schwer getan mit der Erinnerung an den Widerstandskämpfer, obwohl der Johannishof in Saarbrücken, wo Willi Graf groß geworden war, nach dem Krieg unter dem christsozialen Ministerpräsident Johannes Hoffmann ein Zentrum des politischen Lebens an der Saar wurde. 1947 hatte der Freiburger Generalvikar, noch geurteilt, „Graf und seine Gesinnungsgenossen hätten nicht in Einklang mit den christlichen Moralgrundsätzen“ gehandelt. Mittlerweile erinnern mehrere nach ihm benannte Gebäude, darunter die Willi-Graf-Realschule und die Willi-Graf-Gymnasien in Saarbrücken und München, an sein mutiges, eigenverantwortliches Handeln. Bald könnte sogar in München ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet werden, sein Mitstreiter Alexander Schmorell ist bereits ein Heiliger der orth. Kirche.

Abschluss des Gedenkjahres in Saarbrücken ist am 12. Oktober, dem 75. Todestag von Willi Graf, eine Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung auf dem Friedhof St. Johann und am 1. November um 10 Uhr ein ARD-Fernsehgottesdienst zum Gedenken an Willi Graf in der Jugendkirche eli.ja in Saarbrücken.

Von Bodo Bost

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.

Von am 18/01/2018. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!

Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.