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500 Millionen Reisende können sich nicht irren – ein Vogelschutzgebiet in Israel

Yotam wartet am Eingang des Agamon Naturschutzparks im oberen Galiläa, nur knapp 22 KM Luftlinie von nördlichsten Grenze Israels zum Libanon entfernt. Im Sommer arbeitet er in der Beringungsstaion des Parks, während der Wintermonate betreut er hauptsächlich Touristen.
 
„Tiere und Menschen leben hier in Eintracht miteinander, weil wir ihre Bedürfnisse erkannt haben. Das Hulagebiet ist ein Arbeitsplatz, der einzig ist auf der Welt.“ schwärmt Yotam. Er ist 53 Jahre, lebt im nahen Kibbuz Kfar HaNasi, hat an der Universität Haifa Biologie studiert, und sich dann der Vogelkunde zugewandt. „Jedes Jahr im Herbst und Frühling konnte ich vom Campus aus riesige Vogelzüge beobachten, die auf dem Weg in ihr Winterquartier und zurück über Israel fliegen.“
 
Plan des Naturschutzgebietes

Plan des Naturschutzgebietes

 
Am Eingangsbereich ist es zugig, das halb offene Zelt ist ungeeignet für den Winter. Nur die zischende und dampfende Cafémaschine im Kiosk verbreitet einladende Düfte. Der süße, mit Kardamom gewürzte Café schmeckt großartig!
 
Golfwagen, Fahrräder und ein spezielles Beobachtungsmobil stehen für den Rundweg zur Verfügung.
 
Besonders spannend ist die Fahrt mit dem zum Beobachtungsmobil umgebauten Anhänger, der von einem rumpelnden Traktor gezogen wird. Drei Sitzreihen sind quer zur Fahrtrichtung stufenförmig eingebaut, so dass die Touristen einen ungehinderten Blick auf die Vögel haben. Dieses Gefährt darf auch Wege befahren, die für andere Fahrzeuge, aber auch für Fahrräder und Fußgänger nicht zugänglich sind. Das mag dafür entschädigen, dass man nach der 1 ½ stündigen Rundfahrt ziemlich durchgeschüttelt sein muss!
 
Den ersten Kilometer nutzt Yotam, um zu erzählen. „1948 begannen die Bauern, die sumpfige Hulaebene, Brutstätte von Malariamücken, trocken zu legen. So wollte man ca. 60 Quadratkilometer wertvolles Agrarland gewinnen. Es gab damals schon „Grüne”, die sich heftig dagegen wehrten. Drei Quadratkilometer des Gebietes blieben dank der Proteste unangetastet und wurden 1964 das erste Naturschutzgebiet des Landes.“
 
„1994 hatten wir ein Problem. Der Boden hier besteht weitgehend aus Torf. Das wurde uns aber erst klar, als zwei Kilometer nördlich ein großes Gebiet geflutet wurde, und im Jahr darauf etwas geschah, was niemand vorhersehen konnte. Im Sommer trocknete das Gebiet völlig aus, im folgenden Winter gab es gewaltige Überflutungen. Untersuchungen ergaben, dass die Torfschicht unter ihr bisheriges Niveau gesunken war. Phosphate und Nitrate wurden ausgewaschen und sickerten über das Grundwasser in den See Genezareth, unseren größten Süßwasser Speicher, der nicht verunreinigt werden darf.
 
Der Torf begann unterirdisch zu brennen, die Feuer waren nur schwer zu löschen.“
 
Welche Pflanzen rund um den See wachsen, sieht man in einem Biotop. Jetzt, im Januar, gibt es nur wenige Blüten. Große Schautafeln können zwar die blühende Vielfalt von Wasserlilien und Seerosen sowie der gelben Iris nicht ersetzen zeigen aber, wie es hier ab dem Frühjahr aussieht. Derzeit dominieren der Rizinusbaum mit seinen fingerförmigen, dunkelgrünen, von roten Adern durchzogenen Blättern und die Papyrusstaude mit ihren zarten, fedrigen Blättern.
 
Auf einem der Begrenzungspfosten hat ein Eisvogel seinen Beobachtungsplatz bezogen. Metallischtürkis schimmert sein Rücken, während die Baufedern braun sind. Auffallend ist der weiße Latz zwischen dem beeindruckenden Schnabel und der Brust. Ungewöhnlich ist die lange, melodische Tonfolge, die er in mehreren Variationen produziert.
 
Ein wenig erinnert sie an den elektronisch unterstützten Technosound. Jedes Mal, wenn er eine Melodie beendet hat, hüpft er kurz auf und dreht sich um etwa 90° um die eigene Achse.
 
Auf einmal ertönt ein infernalischer Lärm, schrill, eine Kakophonie, so dissonant, dass sie an Dutzende noch nicht eingestimmte Orchester erinnert. Plötzlich öffnet sich der Schilfgürtel!
 
Hier überwintern derzeit ca. 32.000 Vögel.

Hier überwintern derzeit ca. 32.000 Vögel.

Abertausende von hellgrauen Kranichen bevölkern das flache Wasser und den Uferstreifen! Hier und da stecken kleinere und größere Gruppen die Köpfe zusammen, als plauderten sie miteinander. Es sind in diesem Jahr ca. 32.000 Vögel, die im Winter hier bleiben und nicht mit ihren Artgenossen weiter nach Süden ziehen.
 
Zweimal im Jahr landen hier mehr als 500 Millionen Vögel auf ihrem Weg nach Süden. Sie erholen sich von den Anstrengungen der hinter ihnen liegenden Reise und fressen sich Kraftreserven für die noch vor ihnen liegenden mehr als 3000 KM Wüstenstrecke an. Die kräftigsten Vögel bleiben über den Winter hier, sie haben noch die Möglichkeit, ihren „Futternapf“ zu verteidigen. Die schwächeren müssen sich nach ein paar Tagen wieder auf den Weg machen.
 
„Früher haben sie die umliegenden Erdnussfelder leergefressen, die Bauern sind schier verzweifelt. Wenige Tage, nachdem die Kraniche landeten, waren die Felder kahl, die Ernte ruiniert. Klar, dass die Bauern sich darüber nicht freuten!“ erinnert sich Yotam.
 
Abhilfe soll das „Kranich Projekt“ schaffen. Mit einem finanziellen Aufwand von rund 340.000 Euro, gezahlt von den Bauern, der Nationalparkbehörde und dem Landwirtschaftsministerium wurde ein eher unorthodox anmutender Plan entwickelt.
 
Mit dem „Kranich“ Projekt gelingt es, die Vögel in einem Dreistufenplan zu „erziehen“. Unmittelbar nach ihrer Landung dürfen sie sich in den bereits grob abgeernteten Feldern sattfressen und ihre Kraftreserven auffüllen. In der zweiten Stufe werden sie von den Feldern vertrieben. Erst im Januar, wenn sich die meisten Vögel wegen der Futterknappheit auf den Weg nach Süden gemacht haben, werden Futterstationen eingerichtet, an denen sich die hier gebliebenen verpflegen können.
 
Am Himmel taucht ein Zug in perfekter V-Formation auf.
 
Zugvögel kennen die Gesetze der Thermik. Fast ohne Flügelschlag steigen sie in weit gezogenen Kreisen auf, nutzen einen „thermischen Lift“, einen Luftstrom, der sie in die Höhe und in die gewünschte Richtung bringt. Am Tag orientieren sie sich an der Sonne, am Verlauf der Flüsse und Küsten, an den Bergen und Ebenen, in der Nacht am Stand der Sterne.
 
Der Wind bringt einen unangenehm beißenden Geruch, die Hinterlassenschaften der Vögel gehören auch zur Natur. Unweit dieses sumpfigen Uferteils erhebt sich ein Eukalyptuswald.
 
Sein aromatischer, leicht stechender Geruch, der sofort in die Nase steigt und sie von den anderen, unangenehmen Gerüchen befreit, liegt über der Beobachtungsplattform, die in den See hineinragt. Hier haben sich unterschiedliche Entenarten angesiedelt. Die schillernd bunten Kopffedern der Stockenten-Erpel prägt das Bild. Weiters leben auf dem See metallisch-schwarz glänzende Blässhühner einträchtig neben der vom Aussterben bedrohten, beige-weiß getupften Marmelente, die mit einer Gruppe von ca. 30 Paaren vertreten ist und der Moorente, die mit vier Paaren einen winzigen Anteil stellt.
 
Es liegt eine wunderbare Ruhe über dem See, die nur unterbrochen wird, wenn sich Vögel zu einem Rundflug aufmachen. Wie leicht es ihnen gelingt, sich aus dem Wasser zu lösen, ist bewundernswert: Einige wenige, kräftige Flügelschläge, Wasser spritzt und schon erheben sie sich in die Luft!
 
Auf einmal wird es laut: Aus zwei eigenen Bussen quellen grell-bunt gekleidete Touristen. Die Männer haben Fotokameras mit übergroßen Teleobjektiven, die Frauen begnügen sich mit Handys, um den Daheimgebliebenen zu berichten, wo sie sich gerade befinden.
 
Offensichtlich sind die Vögel als Fotoobjekte nicht so interessant wie der Golfwagen, der von einer Menschentraube umlagert ist. Jeder nimmt einmal darin Platz, jeder fotografiert jeden. „Ist das Euer Wagen? Stellt euch doch mal daneben!“ Lautes Gelächter begleitet die Aufforderung an Yotam, die Frau, die gerade Platz genommen hat, in den Arm zu nehmen. Er kennt das offensichtlich und kommt mit mildem Lächeln dem Wunsch nach.
 
Die Vögel sind unruhig geworden und haben sich weiter in die Mitte des Sees zurückgezogen.
 
Zwischen den Sumpfpflanzen hat sich ein Otterpaar eingerichtet. Die dunkelbraunen Knopfaugen beobachten die menschlichen Gäste ohne besondere Irritation. Sehr gemütlich nehmen sie ihre Fressen auf, drehen sich dabei hin und her und verschwinden mit einem leisen “Platsch“ im Wasser.
 
Nur die kreisförmigen Wellen belegen, dass da eben noch etwas war.
 
Plötzlich durchschneidet ein kreischendes Gebrüll die Ruhe, steigert sich fast bis zur Unerträglichkeit, geht in einen schrillen Pfeifton über und flaut langsam wieder ab. Ein Kampfjet der israelischen Luftwaffe verschwindet im Tiefflug Richtung Norden.
 
Von Esther Scheiner
 
Redaktion Israel-Nachrichten.org
 
Bildnachweis:
Abbildung 1und 5: http://www.agamon-hula.co.il/node/20
Abbildungen 2 – 4 und 6 – 9: von mir
 
 

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Von am 26/02/2014. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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