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Propaganda gegen das Nazi-Reich in der „Deutschen Volks Zeitung“ im Oktober 1934

Auf der letzten Seite schreibt die „Deutsche Volks Zeitung“, ein Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands: Attentat auf Hitler? Eine Behauptung Streichers. Angesichts der Schwierigkeiten des bevorstehenden Winters – über den Goebbels selbst sagte, daß „die Emigranten recht haben können, daß es ein schwerer Winter werde“, machen die Nazi-Bonzen die verzweifelten Anstrengungen, die Stimmung der Bevölkerung durch erfundene „Gefahren“ aufzuputschen. Ein beliebtes Mittel waren da schon immer erfundene Attentatsabsichten, mit denen sich leicht sehr genehme, von den Tagesschwierigkeiten ablenkende Pogrome, hervorrufen zu lassen.

Der Psychopath Streicher hat die diesjährige Winterattentatskampagne eröffnet. In seiner Nürnberger Rede behauptete er wörtlich: „Wir haben Beweise dafür, daß während der letzten Nürnberger Tagung ein Mann für 50.000 Mark zu einer Tat gedungen war, die euch schaudern machen würde.“ Streicher deutete damit zweifellos ein „Attentat“ auf Hitler an; allerdings macht er es so plump und dumm, daß die Absicht, die Streicher und die anderen Nazibonzen mit solchen Erfindungen verfolgen, zu leicht zu durchschauen ist.

Und weiter geht es in einer weiteren Kurzmeldung: Pogromstimmung in Nürnberg. Nürnberg, 17. Oktober. In einer Massenversammlung mit dem Thema „Der Kampf geht weiter“ nahm Streicher Stellung gegen „Gerüchte“, die während seines Kuraufenthaltes in Bad Woerishofen verbreitet worden seien“. Gemeine Lügen und Verleumdungen hätten jetzt, kurz nach dem Reichsparteitag, versucht, die Arbeit der nationalsozialistischen Arbeiterpartei zu stören. Die Partei werde, zusammen mit der Nürnberger Polizeidirektion, gegen diese Verleumdungen einen „rücksichtslosen Vernichtungskampf führen!“ In diesem Zusammenhang wendet sich jetzt das Polizeipräsidium Nürnberg-Fürth in großen Plakaten an die Bevölkerung. In denen nach Aufzählung von über einem Dutzend solcher „Gerüchte“ gesagt wird, daß eine Anzahl der Verleumder bereits gefaßt sei. Um auch die übrigen Verbreiter der Gerüchte fassen zu können, wird die Bevölkerung aufgefordert, alle zu melden, jeden rücksichtslos zu denunzieren, der amtlich nicht bestätigte Nachrichten verbreitet. Die Namen der Denunzianten – „Mitteiler“ ist das neudeutsche Wort dafür -, würden auf Wunsch geheim gehalten.

Weiter geht es mit „Upton Sinclairs Wandlung“: Neuyork, 17. Oktober – Upton Sinclair, der Kandidat der Demokratischen Partei bei den bevorstehenden Gouvernementswahlen in Kalifornien, veröffentlichte in der Zeitschrift „Liberty“ sein Programm der „Rettung der Demokratie vor dem Faschismus und im Endresultat vor dem Bolschewismus“. Der Redakteur der Zeitschrift, die stark faschistisch orientiert ist, erklärt, daß „Sinclair ein guter Gouverneur wäre, wahrscheinlich der beste, den jemals Kalifornien hatte, wenn er auf die Prinzipien der Konfiszierung des Grundbesitzes und der Industrieunternehmungen zugunsten der Regierung Verzicht leistet“. Hier ist hinzuzufügen, daß Sinclair bei seiner Aufstellung als Kandidat der Demokratischen Partei sich von seinem Programm der Uebergabe des Großgrundbesitzes und der Industrieunternehmungen an die Regierung lossagte und überhaupt alles tat, um das Mißtrauen des Großkapitals ihm gegenüber zu beseitigen.

Im Mittelteil schreibt das Blatt: Kurgast im Reich. Albert M. ist seit zwei Jahren erwerbslos. Er war im Krieg und ist heute in der Kriegsfürsorge. Im Sommer hat ihn seine Organisation auf 12 Tage in einen Kurort geschickt. Ins Dritte Reich! Es war sehr schön. Das Essen war gut, das Wetter angenehm, die Kurgäste bezahlten den lieben Saarländern die Mollen. Es fehlte an nichts, sogar fünf Mark Taschengeld gab man ihnen. Mit einem Wort: für die Kriegsbeschädigten gibt es nur ein Paradies auf Erden, es heißt: Das Dritte Reich. Manche von den 2000 Deutschlandfahrern kamen mit diesem Eindruck heim. Unser Albert aber war nachdenklicher von Natur.

Mußt mal nachsehen, wie es im Arbeiterviertel zugeht. Mit zwei Kameraden begab sich der Kurgast Albert auf die Suche. Auf einem Holzstamm saßen drei Arbeiter. Albert und seine Begleiter hoben die Hand: „Heil Hitler..!“ Die Drei schauten auf, als ob man sie in ihrer Ruhe gestört hätte. „Guten Morgen“, gaben sie zur Antwort. Albert hat sie gezählt. Dreißig Arbeiter waren es, die er mit „Heil Hitler“ begrüßte. Nur zwei gaben das Heil Hitler zurück. Die anderen schwiegen oder sagten „Guten Morgen.“ Aber nicht das wollte mir Albert erzählen. Etwas anderes, viel interessanteres, ja wunderbares. Standen sie da am Bahnsteig, auf den Zug wartend.

Die zwölf paradiesischen Tage waren um. Tritt eine Frau an ihn heran, ganz nahe an ihn heran, er hatte sie vorgestern beim Abschiedsfest gesehen. Auf der Bluse das Abzeichen mit Schwert und Hakenkreuz – das Kriegsfürsorgeabzeichen. „Rot Front“ – leise aber klar sagte es die Frau zu ihm. – „Aber Frau, wie kommen Sie dazu?“ – „Und ich sage Ihnen nochmal: Rot Front!“ – „Wie können Sie sich das erlauben. Ich kann zum ersten Schutzmann gehen und dann…“ – „Und dann käme ich in ein Konzentrationslager. Einmal komme ich sowieso dahin. Aber – Sie werden mich nicht anzeigen. Sie nicht!“ – „Wieso wissen Sie das?“ – „Ich hatte Sie vorgestern beim Absingen des Horst-Wessel-Liedes beobachtet. Nein, Sie sind kein Nationalsozialist. Gestern suchte ich Sie den ganzen Tag, wollte Sie sprechen, vergeblich.“

Der Zug ratterte in die Station ein. Albert konnte ihr noch die Hand drücken. Dann verschwand alles, der Bahnhof, die Fahnen, die Frau, die wie ein Märchen war!

Mag sein, dass hier mit gutem Willen niedergeschrieben wurde, wie es im Reich des Adolf Hitlers zuging.

Aber: Ab dem Jahre 1941 fuhren noch ganz andere Züge…….

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 16/03/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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