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Vor 100 Jahren in Jerusalem: „Die Kreuzfahrer sind zurückgekommen“

Franz von Papen, der spätere Reichkanzler und Steigbügelhalter von Adolf Hitler, verhinderte vor 100 Jahren als Offizier im Stab von General Falkenhayn, einen Kampf um Jerusalem zwischen Deutschen und Briten. So konnte der britische General Allenby am 11. Dezember kampflos in der Stadt einziehen und erklären:“ Die Kreuzfahrer sind nach 730 Jahren zurückgekommen“

Jerusalem war vor hundert Jahren eine Stadt von 50.000 Einwohnern, jeweils ein Drittel davon waren Juden, Christen und Muslime. Die osmanischen Besatzer, allen voran der Anführer aller Muslime der Kalif Abdülhamid, kümmerten sich kaum um diese angeblich drittheiligste Stadt des Islams, die als tiefste osmanische Provinz galt. Aus diesem offenkundigen Desinteresse heraus hatten die osmanischen Autoritäten auch die ersten jüdischen und auch zionistischen Niederlassungen um Jerusalem herum zugelassen. Dies änderte sich jedoch mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, als Jerusalem bedingt durch die feindlichen arabischen Beduinenstämme, die von den Briten unter Lawrence von Arabien gegen die Türken aufgewiegelt wurden, zur Frontstadt geworden war. Im November 1914 hatte der osmanischen Marineminister und Kommandeur der vierten Armee, Ahmet Dschemal, Jerusalem zu seiner Residenzstadt gemacht und vor dem Felsendom unter einer jubelnden Menge zum Dschihad gegen die Alliierten aufgerufen.

Erich von Falkenhayn mit Kemal Pascha und Franz von Papen (3. Reihe), am 11. Juli 1917 während einer Inspektion in Nazareth. Foto: B.Bost

Dschemal, der einer der vier Hauptverantwortlichen am armenischen Genozid war und deswegen 1922 von einem armenischen Studenten in Tiflis erschossen worden ist, war auch ein erbitterter Gegner der Zionisten, er befahl im Sommer 1917 die Ausweisung aller Juden aus Palästina, die ausländische Pässe besaßen. Diese Maßnahme wurde jedoch nach Intervention des deutschen Botschafters in Konstantinopel zurückgenommen, weil damals viele der 100.000 ausländischen Juden in Palästina auch deutsche Pässe besaßen und viele der deutschen Soldaten im Land auch jüdischen Glaubens waren.

Unter der Herrschaft Dschemals verhungerten in Jerusalem 10000 Menschen, weitere 10000 flüchteten aus der Stadt, die dazu noch von einer Heuschreckenplage wie zu biblischen Zeiten heimgesucht wurde, die viele Menschen als Strafe Gottes verstanden.

In Jerusalem befand sich keine größere militärische Garnison, die Front zwischen dem Osmanischen Reich und den Alliierten, die in Ägypten ihr Hauptquartier hatten, lag im Süden Palästinas, zwischen Gaza und Beerscheba, damals kleinere Städte. Nach einigen frühen Niederlagen gegen die Briten und Beduinen am Suezkanal und in Aqaba, befanden sich die osmanischen Streitkräfte seit 1915 permanent in der Defensive. In Palästina waren 1917 die Fronten in Bewegung geraten, nachdem die Alliierten im März versucht hatten Gaza zu erobern. Der britische Oberbefehlshaber in Ägypten, Sir Archibald Murray, hatte im März die Weisung seiner Regierung erhalten Jerusalem baldmöglichst einzunehmen. Nur mit Hilfe einiger deutscher Elite-Einheiten konnte die Front bei Gaza bis 8. November 1917 noch gehalten werden. Die türkische Armee war jedoch in Auflösung begriffen, die Hälfte der Soldaten waren, weil es nichts mehr zu essen gab, desertiert. Deutsche Soldaten sollten sie ersetzen.

Nachdem der osmanische Oberbefehlshaber Kemal Pascha der spätere Staatsgründer Atatürk, als Oberbefehlshaber abdanken musste übernahm der aus dem Kreis Thorn in Westpreußen stammende preußische General Erich von Falkenhayn Ende September 1917 den Oberbefehl über die osmanisch-deutschen Truppen in Palästina. Auf britischer Seite hatte im Juni General Edmond Henry Allenby (1861-1936) das Oberkommando übernommen und eine grundlegende Umstrukturierung der Truppen begonnen. Am 5. November hatte Erich von Falkenhayn in der Augusta Viktoria Stiftung auf dem Ölberg sein Hauptquartier aufgeschlagen, für knapp vier Wochen beherrschten deutsche Truppen, die jetzt fast 15.000 Soldaten stellten, die Heilige Stadt. Unter diesen Soldaten war auch der spätere Auschwitz Kommandant Rudolf Höß. Die deutschen Soldaten fühlten sich in Jerusalem wie zu Hause. Dank sieben deutscher Schulen war Deutsch neben Arabisch die zweitwichtigste Sprache auch unter der Jugend in Jerusalem. Das Transportwesen ganz Palästinas war in der Hand von 2200 württembergischen Templern, die im deutschen Stadtviertel von Jerusalem die Wiederkunft des Messias erwarteten. Auch im Gesundheitsbereich waren die 10 deutschen und österreichischen Stiftungen in Jerusalem dominierend. Seit dem Besuch von Kaiser Wilhelm II. in Jerusalem 1898 gab es sogar eine deutsche Post und eine deutsche Bank in Jerusalem, die den deutschen Soldaten den Eindruck vermittelten eigentlich zu Hause zu sein.

Am 2. November 1917 hatte der britische Außenminister, Lord Balfour, den Juden versprochen in Palästina eine Heimstätte für die Juden zu errichten. Dies motivierte die britischen Truppen, unter ihnen auch eine jüdischen Legion und viele australische und indische Truppen zusätzlich. Nach der Eroberung von Gaza gelang ihnen im Handstreich auch die Einnahme des osmanisch-deutschen Hauptquartiers bei Et Tine am 9. November 1917, in der Nähe des heutigen Beit Schemesch. Im Durcheinander hatte eine türkische Batterie sogar das eigene Hauptquartier unter Feuer genommen. Dies sorgte für Panik unter den türkisch-deutschen Truppen. General von Falkenhayn befehligte am 12. November einen erfolglosen Gegenangriff Richtung Et Tineh von Jerusalem aus, ein letzter Entlastungsangriff für Jerusalem scheiterte am 27. November.

Franz von Papen rettete Jerusalem vor der Zerstörung

Erich_von_Falkenhayn. Foto: B.Bost

Unter den deutschen Verteidigern von Jerusalem brach eine Diskussion aus über die Sinnhaftigkeit einer Verteidigung der Heiligen Stadt. Falkenhayn, der Erfinder der „Blutmühle von Verdun“, wollte die prestigeträchtige Stadt „auf die die ganz Welt mit höchsten Interesse schaut“, mit allen Mitteln verteidigen. Es war der spätere Reichskanzler Franz von Papen, Stabschef der 4. Türkischen Armee in Palästina unter General Erich von Falkenhayn, der für eine freiwillige kampflose Räumung plädierte. Von Papen, der 1933 Hitler als Vizekanzler zur Kanzlerschaft verhelfen sollte, überzeugte seinen Vorgesetzten, am 9. Dezember räumten die Deutschen Jerusalem und verlagerten ihr Hauptquartier nach Nazareth. Mit ihnen nach Nazareth ging der lateinische Patriarch Camusso, ein Freund von Franz von Papen. Damit gingen 400 Jahre osmanischer Herrschaft zu Ende. Der 9. Dezember war ein Feiertag für die Juden in Palästina, das Freudenlied „Hava nagila“ entstand an diesem Tag. Am 11. Dezember zog General Allenby, auf Weisung aus London zu Fuß, an der Spitze einer internationalen Truppe, die aus vier Kontinenten stammten, am Jaffator in Jerusalem ein. Dort erklärte er: „Die Kreuzfahrer sind nach 730 Jahren zurückgekommen“. Er hatte sein Ziel, noch vor Weihnachten in der Heiligen Stadt zu sein erreicht. Allerdings kam die Offensive Allenbys im judäischen Bergland danach für fast ein Jahr ins Stocken. Erst im Oktober 1918 erreichten die Alliierten Syrien, was zur Kapitulation und zum Untergang des Osmanischen Reiches führte.

Von Bodo Bost

Gil Yaron, Jerusalem, ein historisch-politischer Reiseführer, München 2007
Werner Neulen, Feldgrau in Jerusalem,
Das Levantekorps des kaiserlichen Deutschland, München, 1991

 

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Von am 08/12/2017. Abgelegt unter Welt. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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