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Eine Unterhaltung mit Frieder Schuller – Teil 2

Lieber Leserinnen und Leser,

vor Jahren schrieb ich über den umwerfenden Film „Im Süden meiner Seele“ über die beiden Nachkriegsjahre in denen Paul Celan in Bukarst lebte. Der Text erschien damals in den Israel Nachrichten. Nun haben wir wieder ein Celanjahr, 100 Jahre Geburtstag und 50. Todestag. Von Frieder Schuller, dem Regisseur des Films, habe ich mir die Geschichte erzählen lassen.

Christel Wollmann-Fiedler

Fortsetzung des ersten Teil der Unterhaltung:

C.W.-F. Ich komme nochmal auf die Idee des Films zurück

Frieder Schuller. Foto: Archiv

F.S. Es sind natürlich die Bukarester Jahre. Ich merke hier in Deutschland, dass wenige davon wissen, dass die „Todesfuge“ als erstes in rumänischer Sprache erschienen ist. Ich musste auch etwas anbieten, was ich vom Stoff her beherrsche, wo ich überlegen bin hier in Deutschland. Dann dachte ich, wenn ich das an Originalschauplätzen in Bukarest drehen kann, ist das was Besonderes. Als Celan in Bukarest wohnte, gab es im kommunistischen Land noch den König. Wenn ich gewusst hätte, dass dieses kommunistische Regime vier Jahre nach meinem Drehen zu Ende geht, hätte ich noch gewartet. Es wäre einfacher für mich gewesen.

C.W.-F. Ich finde aber besonders schön und authentisch, dass Sie den Film noch in der besagten Zeit gedreht haben. Nicht, weil die Zeit großartig war, nein, die Atmosphäre in der Stadt war eine völlig andere und das fand ich in dem Film „Im Süden meiner Seele“ so besonders

F.S. Oh, ja, das stimmt natürlich. Damals traf ich noch einige Zeitzeugen, die es jetzt nicht mehr gibt. Eine alte Dame nach der anderen konnte mir erzählen und jede sei die erste Freundin von Paul Celan gewesen. Die Frauen liebten ihn. Vielleicht waren die Bukarester Jahre sogar die schönsten in seinem Leben. Er war fröhlich und lebte gern. Das verstehen viele Deutsche nicht. Wieso Celan? Er muss ja tieftraurig gewesen sein, gar depressiv. Wie kann man ihn so fröhlich darstellen, aber so war er damals. Mir wurde immer wieder erzählt, dass er ein lebenslustiger junger Mann, schön und erfolgreich war.

C.W.-F. Aber er wollte dann doch in die westliche Welt.

F.S. Na, ja, es bahnte sich eine neue Diktatur an damals in Bukarest

C.W.-F. Jetzt verlassen wir Bukarest und springen direkt 120 km nördlicher in die Karpaten, nach Siebenbürgen. Wann ist Ihnen der Gedanke mit dem Dorfschreiber gekommen? Stadtschreiber gab und gibt es hier und dort, doch Dorfschreiber?

F.S. Ich bin in Katzendorf/Cata geboren, mein Vater ist dann als Pfarrer in ein anderes Dorf gegangen und ich habe zuletzt in Hermannstadt gelebt. Nach der Wende stand das Katzendorfer Pfarrhaus leer, weil kein Pfarrer mehr dort war. Für mich als deutscher Staatsbürger war es möglich, dort ein Haus haben zu können. So übernahm ich das Haus. Mit Hilfe meiner Söhne bauten wir aus und machten eine Art Festspielhaus daraus. Vor 20 Jahren war das.
Im Sommer bin ich meistens dort, meistens von Juni bis Oktober. In diesem Jahr sind wir wegen Corona nicht gefahren. Das Dorfschreiberfest mache ich meistens im Spätherbst. Der jetzige Dorfschreiber Thomas Perle ist mal in Katzendorf, dann wieder in Wien. Ein Jahr lang kann der Dorfschreiber kommen und gehen. Er hat seine eigene Wohnung im Ort und wird verköstigt von einer Köchin. Es ist dort ein riesiger Garten, es ist genug Platz und er kann in Ruhe arbeiten. Seit 2011 gibt es den Dorfschreiber.
Zuvor hatte ich in Katzendorf bereits Kulturtreffen organisiert. Schon 1992, zum ersten Mal nach der Revolution, nachdem der Kommunismus gefallen war, veranstaltete ich ein Deutsch-Rumänisches Kulturtreffen. Damals kam ein Bus mit sechzig Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Deutschland. Dieter Lattmann, Mitbegründer und damaliger Vorsitzender des Vereins Deutscher Schriftsteller, VS, selbst Schriftsteller und Bundestagsabgeordneter, begleitete den Bus nach Katzendorf. Eva Leipprand, ebenfalls Politikerin und Schriftstellerin und spätere Vorsitzende des VS war auch dabei. Es wurde ein Riesenfest. Wissen Sie, damals, 1992, waren alle neugierig, niemand kannte Rumänien. Es war eine Aufbruchstimmung, die kaum zu beschreiben ist. Die Leute wollten sehen, wollten erfahren, wie es hier ist. Alle zwei Jahre habe ich dann das Kulturtreffen wiederholt und 2011 kam dann der Dorfschreiberpreis. Er ist geboren aus diesem Kulturtreffen in Katzendorf.

C.W.-F. Danke, Frieder Schuller, nun sehen wir uns erneut Ihren Film „Im Süden meiner Seele“ am 5. September 2020, im Bundesplatzkino in Berlin an. 100. Geburtstag von Paul Celan aus Czernowitz feiern wir und denken an den 50. Todestag des Dichters in Paris. Organisiert hat Dr. Ingeborg Szöllösi vom Deutschen Kuturforum östliches Europa in Potsdam diese Gedanken an Paul Celan.

Das neue Buch von Frieder Schuller kam gerade mit der Post, deshalb möchte ich es erwähnen. „Ossis Stein“ erschien im Jahr 2020 im Pop Verlag in Ludwigsburg, ISBN 978-3-86356-305-9. Zwei Theaterstücke „ Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch“ und „Tanz mit der Stille“ sind im Inhaltsverzeichnis zu lesen. Das erstgenannte Theaterstück wurde 2012 im Radu-Stancu-Nationaltheater in Hermannstadt uraufgeführt. In Hermannstadt wurde Oskar Pastior, genannt „Ossi“, 1926 geboren.

Von Christel Wollmann-Fiedler

Frau Wollmann-Fiedler ist Journalistin, Fotografin und Autorin der Israel-Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Berlin und in Bukarest, Rumänien.

 

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Von am 08/09/2020. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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