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Wider das Vergessen: Die Todesfabriken der Nazis; Massenmord im Jahre 1944, 7. Teil

Im Jahre 1944 wurde Auschwitz zum Schauplatz des größten Massenmordes an Juden in der Geschichte der Menschheit. Bis zum Frühling dieses Jahres lag die Zahl der Todesopfer noch mehrere Hunderttausend unter der von Treblinka. Aber im Frühsommer 1944 erlebte Auschwitz ein hemmungsloses Morden von ungeahntem Ausmaß. Der größte Teil der Juden, der ihm zum Opfer fiel, stammte aus Ungarn. Bereits im Frühjahr beschloss Hitler gegen seinen wankelmütigen Verbündeten Ungarn vorzugehen, da dieses Land noch von den Nazis weitestgehend verschont geblieben war. Dabei hatte es das Regime natürlich vor allem auf die ungarischen Juden abgesehen.

Die 760.000 ungarischen Juden hatten zwar die Auswirkungen einer antisemitischen Gesetzgebung zu spüren bekommen, lebten jedoch noch in intakten Gemeinschaften und waren auch noch zum größten Teil im Besitz ihres Hab und Gutes. Ungarische Juden im wehrpflichtigen Alter waren zum Arbeitseinsatz in Lagern an der Ostfront herangezogen worden, wo viele tausend ums Leben kamen. Aber die jüdische Gemeinde hegte doch die Hoffnung, der Verfolgung entgehen zu können, eine Hoffnung, die mit der Besetzung Ungarns durch die Nazi-Wehrmacht mit einem Schlag zunichte gemacht wurde. Die deutsche Soldateska marschierte am 19. März 1944 in Ungarn ein, und bereits am nächsten Tag nahm SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann die Enteignung und Deportation der jüdischen Bevölkerung des Landes in Angriff.

Zuerst aber beschlagnahmte Eichmann die herrschaftliche Villa Aschner auf dem noblen Rosenhügel in Budapest, die er zu seinem neuen Domizil erklärte. Inzwischen war die „Endlösung“ der Nazis in eine neue Phase getreten. Eichmann wurde im Gegensatz zu seinen „Kollegen“ im Generalgouvernement 1942 in Polen nicht nur mit der Ausrottung der jüdischen Bevölkerung beauftragt. Unter Zugrundelegung der ernsten militärischen Lage für Hitlerdeutschland und des zunehmenden Bedarfs an Zwangsarbeitern sollten diejenigen Juden, welche die deutschen Kriegsanstrengungen durch ihre Arbeitskraft unterstützen konnten, ausgesondert werden. Aus Sicht des Nazi-Regimes war Auschwitz dafür der ideale Ort, da inzwischen Doktor Mengele und seine „Kollegen“ auf dem Gebiet der Selektion hinreichend Erfahrungen gesammelt hatten. Auschwitz sollte als riesiges „menschliches Sieb“ die aus Ungarn kommenden Juden aussondern, die als Zwangsarbeiter in den Fabriken im Reich eingesetzt werden konnten.

Eichmanns Iniative schien zunächst in Ungarn dem allzu bekannten judenfeindlichen Vorgehen der nationalsozialistischen Machthaber zu entsprechen. Er versicherte sich für die anstehenden Deportationen erfolgreich der ungarischen Polizeikräfte und half mit bei der Organisation der Ghettorisierung der jüdischen Bevölkerung.außerhalb von Budapest. Die Deutschen hatten ursprünglich gefordert, dass 100.000 ungarische Juden „ins Reich“ geschickt werden sollten, aber nach der Ghettoriesierung der Juden sagten die Behörden Ungarns zu, dass die restliche jüdische Bevölkerung folgen könnte, denn es erschien ihnen „am einfachsten“, die jüdischen Familien, die jetzt ohne Nahrungsmittel dastanden, den Nazis zu überlassen. Eichmann konnte dies nur recht sein.

In Auschwitz jedoch gab es in der Erwartung eines „außerordentlichen Zustroms“ Änderungen an der Lagerspitze. Arthur Liebehenschel, der im November 1943 die Lagerkommandantur übernommen hatte, wurde nach Majdanek in der Provinz Lublin versetzt. Kein anderer als Rudolf Höß wurde Kommandant der SS-Garnison in Auschwitz. Die Kommandanten von Auschwitz 1 und Auschwitz-Birkenau berichteten nun nur noch an ihn persönlich. Höß konnte es kaum erwarten, seinen neuen Posten anzutreten; im Angesicht der ungeheuren Aufgabe, die vor ihm lag, hatte ihm die Führung der SS jegliche Vergehen, die er in der Vergangenheit begangen haben mochte, verziehen.

Am 9. Mai 1944, gerade einen Tag nach seiner Rückkehr ins Lager, ordnete Höß an, die Vorbereitungen für die Ankunft der ungarischen Juden zu beschleunigen. Da man seinem Vorgänger den Vorwurf der Inkompetenz machte, beschloss Höß, andere Seiten aufzuziehen. Gerade erst hatte man den Schienenstrang, der Birkenau mit der knapp zwei Kilometer entfernten Hauptstrecke verband, fertig gestellt, so dass die Transporte direkt ins Lager, zu einer nur einhundert Meter von den Krematorien 2 und 3 entfernten Rampe, gelangen konnten. Höß befahl außerdem, umgehend die Schornsteine des Krematoriums 5 instand zu setzen und fünf große Gruben auszuheben, in denen man Leichen von Juden verbrennen konnte.

Er wusste aus „Erfahrung“, dass die Ermordung der Juden wenig Probleme bereiten würde; – schwieriger würde es sein, sich Hunderttausender von Leichen auf einmal zu entledigen. Für die meisten Juden in Ungarn war dies der Beginn eines Alptraums. Der Wechsel von relativer Freiheit und Wohlstand zu Gefangenschaft, Armut und Hoffnungslosigkeit geschah viel abrupter als in jedem anderen von den Nazis besetztem Land, in dem die „Endlösung“ umgesetzt werden sollte. Über 400.000 Juden wurden nach Auschwitz verbracht, von denen die überwiegende Mehrzahl in die Gaskammern geschickt wurde. Das Lager hatte nie zuvor eine Massenvernichtung diesen Ausmaßes erlebt: Innerhalb von von weniger als acht Wochen wurden mehr als 320.000 Juden umgebracht.

Um mit den eintreffenden Transporten Schritt halten zu können, wurde die Zahl der Sonderkommando-Häftlinge, die in den vier Krematorien „arbeiteten“, von 200 auf knapp 900 (!) erhöht. Diesen Sonderkommandos fiel die grauenhafteste „Arbeit“ im Lager zu. Sie mussten die Neuankömmlinge auf ihrem Weg in die Gaskammer beruhigen und anschließend dort „sauber“ machen. Zudem musste ein Kommando toten weiblichen Häftlingen die Haare abschneiden. Niemand hatte sie darauf vorbereitet; – sie wurden in die Hölle von Auschwitz geschickt. Wie sollten sie auch wissen, dass das Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS im Augsut des Jahres 1942 die Führung von Auschwitz und anderen Konzentrationslagern angewiesen hatte, „Menschenschnitthaar“ zu sammeln, damit es „der Verwertung zugeführt wird“.

In einem Schreiben von SS-Obergruppenführer Oswald Pohl hieß es weiter: „Menschenhaare werden zu Industriefilzen verarbeitet und zu Garn versponnen. Aus ausgekämmten und abgeschnittenen Frauenhaaren werden Haargarnfüßlinge für U-Boot-Besatzungen und Haarfilzstrümpfe für die Reichsbahn angefertigt..!“ Die Häftlinge der „Sonderkommandos“ lernten schnell, dass sie sich, um zu überleben, anpassen mussten; – obgleich auch sie immer wieder „ausgetauscht“ wurden. Während ein Transport nach dem anderen in den Keller des Krematoriums gebracht wurde, eigneten sie sich eine „gewisse Routine“ an. Die Neuankömmlinge wurden in den langen unterirdischen Entkleidungsraum geführt, und während die SS-Schergen „schnell, schnell“ brüllten, mussten sie sich ausziehen und wurden angehalten, sich zu merken, wohin sie ihre Kleidung gelegt hatten, da sie diese nach der Dusche wieder anziehen würden.

Viele Frauen riefen trotzdem noch: „Schande, was für eine Schande!“, als sie gezwungen wurden, nackt zur Gaskammer zu rennen. Manche begriffen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging, aber niemand konnte etwas tun. Die Nazis hatten alles in der Hand. Sie hatten all das vor vielen Jahren geplant; also verlief alles „reibungslos“. Die Gaskammern der Krematorien 2 und 3 befanden sich unter der Erde, was die Zufuhr von Zyklon B erleichterte. Sobald eine Kammer voll war, wurden die Türen fest verschlossen. Dann öffneten Mitglieder der SS, die auf dem Dach der Gaskammer standen, die Luken, die ihnen Zugang zu den Schächten boten, die in die darunterliegenden Kammern führten. Im Anschluss daran wurden die Kanister mit Zyklon B hinunter gelassen; sobald das Gas unten angekommen war, wurden die Luken wieder geschlossen. Wenn nach einer gewissen Zeit das Schreien und Kratzen verstummt war, wurden starke Ventilatoren angestellt, um das Gas zu entfernen.

Das Sonderkommando musste die Leichen aus der Gaskammer entfernen und mit einem Aufzug zu den Öfen des Krematoriums befördern, die sich zu ebener Erde befanden. Danach mussten sie die Gaskammer mit Wasserschläuchen abspritzen, um das Blut und die Exkremente an den Wänden und auf dem Boden zu entfernen. Diese grauenhafte Arbeit wurde meist nur von zwei gefühlskalten SS-Schergen beaufsichtigt..Selbst als die Massenvernichtung ihren Höhepunkt erreichte, war höchstens eine Handvoll SS-Männer anwesend. Dadurch hielt man die Zahl der Deutschen, die ähnlich wie die Einsatzgruppen im Osten „psychologische Schäden“ davontragen konnten, möglichst gering. Ende der ersten Juliwoche 1944 waren fast 440.000 ungarische Juden in Auschwitz eingetroffen, wovon die Mehrzahl bei ihrer Ankunft ermordet wurde.

Dantes Inferno muss ein Himmel gegenüber Auschwitz gewesen sein.

Fortsetzung folgt.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 18/03/2018. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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