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Politische Analyse: Beziehungskrise – Russland und der Iran an einem Kreuzweg?

Angesichts der Berichte über die Verständigung zwischen Israel und Russland und über die militärische Situation in Syrien befürchtet Teheran, dass sich Putin von ihnen entfernt und sich der Achse Riad-Jerusalem nähert.

Der Eindruck in Israel nach dem Besuch von Premierminister Netanyahu in Moskau im Mai und nach mehreren Erklärungen führender russischer Amtsträger ist, dass eine Art Abkommen zwischen Israel und Russland ausgehandelt wurde, in dem „der Iran nicht mehr länger in Syrien sein wird“. All diese Berichte und Gerüchte machen es schwierig, zwischen Wahrheit und nur Wunsch zu unterscheiden. Natürlich müssen wir, um zu versuchen die Situation zu verstehen, das Thema aus dem russischen und iranischen Blickwinkel betrachten und uns nicht nur mit dem zufrieden geben, was wir als Israelis sehen wollen.

Israelischen Publikationen zufolge wird sich Russland verpflichten, alle „nicht-syrischen Streitkräfte“ aus dem Süden des Landes zurückzuziehen, im Austausch für ein israelisches Abkommen das die Pro-Assad-Truppen weiterhin die Kontrolle über die Region Quneitra, Dera’a und Suwayda behalten.

Verteidigungsminister Lieberman hat Moskau besucht und alles läuft scheinbar reibungslos zwischen Russland und Israel. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass die Dinge nicht so einfach sind und dass mehr vor sich geht als man sieht. Das offizielle Russland hat davon Abstand genommen das Thema überhaupt anzusprechen und hat den Bericht in keiner Weise als verbindlichen Deal beschrieben.

Der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow sagte, er habe keine Informationen über ein Abkommen zwischen Israel und Russland.

Während Außenminister Sergej Lawrow sagte, dass „die Streitkräfte der syrisch arabischen Republik an der Grenze zwischen Israel und Syrien bleiben sollen“ ist zu bemerken, dass er das Problem während einer Pressekonferenz mit dem Minister von Mosambik angesprochen hat und nicht als Teil einer Diskussion über den Nahen Osten.

Nach dem zu urteilen, wie die Dinge in Moskau zu sein scheinen, gibt es anscheinend einige Verständnisse mit Israel, wenn auch kein abgeschlossenes Geschäft. Auf jeden Fall ist das wichtige Detail, das die russischen Medien in diesem Zusammenhang hervorheben, dass Bashars Truppen in der Nähe der südsyrischen Grenze stationiert werden, während das Thema der iranischen und schiitischen Milizen heruntergespielt wird.

Wut und Sorge in Teheran

Reaktionen aus dem Iran ließen nicht lange auf sich warten. Auf die Verständigung zwischen Russland und Israel reagierte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Bahram Kasami, der sagte: „Niemand wird den Iran zwingen, etwas zu tun. Der Iran ist ein unabhängiger Staat, dessen Politik von seinen Interessen im Ausland bestimmt wird. Unsere Präsenz in Syrien wird so lange fortgesetzt, wie der Terror andauert und solange die syrische Regierung an unserer Hilfe interessiert ist.“

Der iranische Oberste Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Shamkhani, betonte ebenfalls, dass iranische Truppen auf Ersuchen der syrischen Regierung in Syrien seien.

Interessanterweise sind diejenigen die Russland offen kritisieren, tatsächlich Medien, die den Reformisten oder gemäßigten Konservativen angehören, während Journalisten die den Revolutionsgarden nahestehen, nichts von Russland berichten, mit dem sie generell sympathisieren.

Zum Beispiel fragte sich die liberale Zeitung E’temad, warum der russische Vertreter forderte, dass Hisbollah und die Iraner Syrien verlassen sollten, anstatt „die israelische Armee die besetzten Golanhöhen?“ Die Journalisten von E’temad glauben, dass dies die revidierte russische Position wäre. Dies wurde möglich durch den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen und auch als Folge der Gespräche zwischen Putin und Netanyahu am 9. Mai.

Die gemäßigte konservative Nachrichtenseite „Tabnaq“, die dem ehemaligen Revolutionsgarden-Chef Mohsen Rezai nahe steht, verband auch die russische Position mit dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen. Die Website erklärte, dass „vor dem Hintergrund des Austritts der Vereinigten Staaten aus dem Nuklearabkommen und insbesondere, wenn der Iran russische Unterstützung braucht, Moskau versucht, Konzessionen vom Iran in Syrien zu erpressen. Diese sollen Russland dem Westen näher bringen, denn eine der Bedingungen die der Westen von Russland fordert, ist die Begrenzung des Einflusses des Iran in Syrien.“

Die Zeitung „Sharq“, die dem verstorbenen Präsidenten Hashemi Rafsanjani nahe stand sagte, dass die Veränderungen in der russischen Position von der Annäherung mit Saudi-Arabien herrührten. Dem Autoren Hadi Azari zufolge, will Riad politische Vorteile durch Annäherung an Moskau und Investitionen in die russische Wirtschaft ernten. Der Verfasser sieht den Beweis der Abstimmung zwischen Saudi-Arabien und Russland, als ein russisch-saudisches Abkommen über die Koordinierung der Ölpreise. Nicht zufällig heißt der Titel des Artikels „Magic of Black Gold“ [Magie des schwarzen Goldes].

Der persische Diplomat Firdon Majlasi glaubt, dass Russland im Gegensatz zu einigen iranischen Politikern, die Russland vertrauen, kein Verbündeter des Irans ist und sicherlich nicht dafür kämpfen wird. Seiner Meinung nach will Russland in Syrien ohne Rivalen allein bleiben und wenn die iranischen Kräfte nicht in Syrien bleiben, werden die Amerikaner auch keinen Grund mehr haben dort zu sein und genau das will Russland.

Zwischen Theorie und Wirklichkeit

Es ist jetzt klar, dass zwischen Russland und Iran tatsächlich ernsthafte Meinungsverschiedenheiten bestehen und dass es sich nicht um eine stabile strategische Allianz handelt. Es scheint, dass Majlesi Recht hat und das russische Verhalten klar und richtig sieht, wenn er sagt, dass der Iran Russland nicht vertrauen kann.

Aber beide Seiten haben eine gegenseitige Affinität – Russland und Iran brauchen einander, auch wenn sie sich nicht mögen. Russland kann das Territorium ohne eine iranische Präsenz nicht kontrollieren und der Iran kann seine Milizen nicht ohne russische Luftabwehr bewegen und manövrieren.

Die Unterschiede zwischen den beiden Ländern liegen in der Zukunft Syriens. Moskau kann sich mit dem Überleben des Assad-Regimes begnügen und deshalb hat Russland offenbar nicht die Absicht, einen Krieg zu führen, um alle Gebiete die Assad verloren hat, zurückzuerobern. Russland führt auch den Prozess der „Regulierung“ in Astana mit dem Iran durch und nicht gegen seinen Willen. Dies ist ein weiterer Grund, warum es noch zu früh ist, über eine echte Kluft zwischen Russland und dem Iran zu sprechen.

Auf der anderen Seite befürchtet Russland eine totale Konfrontation zwischen Iran und Israel und will sicher nicht ins Kreuzfeuer geraten. Daher bleibt Russlands strategisches Ziel unverändert – die Aufrechterhaltung guter Beziehungen sowohl zum Iran als auch zu Israel. Russland wurde gegen seinen Willen in einer neuen Situation gefangen, die es vorher nicht geplant hatte.

Von Anfang an war die russische Politik in Bezug auf die Vereinigten Staaten unkontrolliert, da Russland seinen Partnern in Bezug auf Wirtschaftshilfe nichts Greifbares bieten kann.

Russland genoss diese Position bis zu dem Moment, als die Amerikaner beschlossen, die syrische Arena mehr oder weniger zu verlassen. Die neue Situation, in der jeder Russland als die Adresse für die Lösung der Probleme und Krisen in Syrien sieht, hat in der Tat das diplomatische Ansehen Russlands erhöht. Aber auf der anderen Seite hat es eine Verantwortung für das geschaffen, was in Syrien geschieht. Moskau hat natürlich weder die Absicht noch den Willen, wirklich Verantwortung für irgendetwas zu übernehmen.

Der Preis für Israel

Viele Probleme entstehen aus diesem Punkt. Zunächst einmal ist anzumerken, dass es in Syrien keine echten iranischen Kräfte gibt, sondern vielmehr Berater der Revolutionsgarden und vieler schiitischer Milizen – von der libanesischen Hisbollah bis zum afghanischen „Fatemiyoun“, die alle unter iranischem Kommando stehen. Gleichzeitig ist es wichtig sich daran zu erinnern, dass Russland keine physischen Fähigkeiten hat, diesen Milizen Befehle zu erteilen und ihnen sicher nicht zu begegnen, schon gar nicht für die Interessen Israels.

Die meisten russischen Kommentatoren glauben, dass Russland aus den Vereinbarungen mit Israel keine wirklichen Gewinne erziehen wird, da der Einsatz von Assads Truppen an der Golan-Grenze für Assad selbst, aber nicht für Russland günstig ist. Ein anderes und noch komplizierteres Problem ist, wie man zwischen Assad-Kräften und den pro-iranischen Milizen vor Ort trennt. Schließlich arbeiten sie zusammen und es ist unmöglich, zwischen ihnen zu unterscheiden.

Zum Beispiel ist die Abu al-Fadhel al-Abbas-Brigadenmiliz, Teil der 105. Brigade der Republikanischen Garde von Assad. Weitere Milizen sind in die vierte Panzerdivision unter dem Kommando von Maher al-Assad, dem Bruder des Präsidenten integriert. Auch in Südsyrien gibt es Milizen und andere schiitische Organisationen, die mit Hisbollah und Iran operieren können und Russland hat offensichtlich keine Möglichkeit, sie zu kontrollieren.

Es ist immer noch nicht klar, wie die Vereinigten Staaten handeln werden, da das in der Übersicht enthaltene Gebiet auch für den amerikanischen Militärstützpunkt Al-Tanf nahe dem Jordan gilt.

Ein anderes komplexes Problem ist der „Preis“, den Russland von Israel forderte. Schließlich kann Russland nicht einmal zustimmen, Druck auf den Iran auszuüben, nur weil Netanyahu danach gefragt hat. Die Sorge ist, dass Israel tatsächlich der Kapitulation der Rebellen zugestimmt hat, denen es in den letzten Jahren geholfen hat. Dies bedeutet, dass sie von Assad massakriert werden, weil es schwer vorstellbar ist, dass irgendeiner der Rebellen die Versprechen der Amnestie des mörderischen und blutrünstigen syrischen Regimes glauben wird.

Selbst wenn Israel die Unterstützung der Rebellen als humanitäre Hilfe und „gute Nachbarschaft“ beschreiben würde, um es nicht als Unterstützung für eine der Seiten im Bürgerkrieg zu interpretieren, würde dies als ein israelischer Verrat an seinen Verbündeten angesehen werden, was auf kurze Sicht schwerwiegende Folgen haben wird.

Dies wird für alle Seiten in der arabischen Welt eine weitere Illustration sein, dass Israel nicht in der Lage ist seine Verbündeten zu verteidigen und daher hat es keinen Wert, sich mit Israel zu verbünden. Ich hoffe nur, dass die Führer der politischen und militärischen Ränge in Israel sich dessen bewusst sind.

Krise in Jordanien

Zukünftige Ereignisse in Syrien werden auch Jordanien betreffen, das sich selbst in schwierigen Zeiten befindet. Die Wirtschaftskrise und die sozialen Unruhen im Haschemitischen Königreich haben viele Gründe. Einer davon ist die Schwierigkeit, Hunderttausende syrischer Flüchtlinge in den überfüllten Lagern zu unterzubringen.

Diese Flüchtlinge sind bereit jede Arbeit für winzige Löhne anzunehmen, was natürlich zu verstärkten Spannungen zwischen Jordaniern und Syrern führt. Im Falle eines neuen Massakers von Assad ist mit einem weiteren Strom syrischer Flüchtlinge in Jordanien zu rechnen, was die Führer der Jordanier, deren anhaltende Stabilität ein strategisches israelisches Interesse ist, zutiefst erschüttert.

In der Zwischenzeit wurde berichtet, dass pro-iranische Kämpfer nach einer vorübergehenden Unterbrechung nach Südsyrien zurückgekehrt seien und sich aus Angst vor israelischen Luftangriffen mit Assad verbündet hätten. Es ist sehr gut möglich, dass eine der russischen Bedingungen für das Abkommen die Einstellung der israelischen Angriffe tief in Syrien und die Vermeidung der Verletzung von Assads Streitkräften ist. Wie der nachstehend aufgeführte Fall zeigt, können pro-iranische Milizen dieses „Problem“ sehr leicht lösen.

Am 4. Juni brach der erste Konflikt zwischen den russischen Streitkräften und der Hisbollah aus, als eine russische Einheit in al-Qusayr nahe der libanesischen Grenze eingesetzt wurde. Zum ersten Mal kritisierten Hisbollah-Mitglieder Russland scharf dafür, dass der Einsatz von Streitkräften ohne Koordination mit Assad und ohne vorherige Ankündigung an die Hisbollah erfolgt sei.

Ein hochrangiges Mitglied der Terrororganisation, das anonym von der Nachrichtenagentur Reuters interviewt wurde, sagte, dass das Ziel der russischen Einheit darin bestünde, Israel zu beruhigen. Es ist nicht bekannt, ob die Russen in Al-Qusayr geblieben sind, aber es ist vernünftig anzunehmen, dass Russland keinen offenen Konflikt mit dem Iran und der Hisbollah riskieren wird, insbesondere wenn klar ist, dass Russland keine wirklichen Gewinne daraus ziehen wird.

Von Alex Grinberg (MiDA)

Alex Grinberg ist ein Nahostforscher, der sich auf iranische Politik spezialisiert hat und als geopolitischer Analyst in einer Risikobewertungsfirma arbeitet.

Übersetzt aus dem Hebräischen von Dr. Dean Grunwald

 

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Von am 28/06/2018. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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