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Die Rolle der Frau im Reich der Nationalsozialisten – II. Folge

Der Bund Deutscher Mädchen (BDM) erfüllte den Wunsch vieler Mädchen nach Gemeinschaft und eventuellen dauerhaften Freundschaften, ob sie nun dem Regime politisch gesinnt waren oder nicht. Für nicht wenige unter ihnen war die Zugehörigkeit zum BDM ein Sprungbrett zur Karriere in der „Bewegung“, und zugleich ein Schritt in die Aufnahme der NSDAP; -dort lernten sie die entsprechenden Fertigkeiten. Unter den BDM-Führerinnen gab es autoritäre junge Frauen, die auch vor schroffen Tönen nicht zurückschreckten. Noch die schlimmsten und widerlichsten lokalen BDM-Führerinnen konnten so als Rollenmodell für junge Mädels dienen, die in Kleinstädten aufwuchsen.

BDM, Marschieren im Gleichschritt. Foto: Archiv/RvAmeln

Die jungen Frauen dieser Zeit blickten nach vorne, nicht zurück. Sie waren auch keine selbsternannten Feministinnen, denn tatsächlich lehnten die meisten dieser Generation die sogenannten Suffragetten ab. Als die Nazis im Jahre 1933 das Stimmrecht der Frauen abschafften wollten, traten die deutschen Frauen in keinen Hungerstreik. Ihr Gegner war nicht der „männliche Unterdrücker“, für viele wurde „Der Jude, der Asoziale, der Bolschewist oder die Feministin“ zum Feindbild. Der jüdische Intellekt habe das Wort von der Emanzipation der Frauen erfunden, erklärte Adolf Hitler 1934 in Nürnberg. Der Nazi-Bewegung hingegen ging es mit den Worten Alfred Rosenbergs um die „Emanzipation der Frau von der Frauenemanzipatoin“.

Tatsächlich hatten deutsche Jüdinnen eine wichtige Rolle bei den Sozialreformen und in den Frauenbewegungen der Weimarer Republik gespielt. Hitlers Äußerungen dienten also zwei Zielen: Juden aus der deutschen Politik zu entfernen und eine unabhängige Frauenbewegung zu zerschlagen.Deutsche Frauen, die sich durch die Nazi-Bewegung gestärkt fühlten, erfuhren eine Art der Befreiung in der Kameradschaft, nicht als Feministinnen, die das Patriarchat in Frage stellten, sondern als Verfechterinnen einer konservativen, rassischen Revolution. Als vollwertige „arische“ Mitglieder von Hitlers faschistischer Gesellschaft waren sie allesamt gleichwohl politisch.

Tatsächlich nahm die „Frauenfrage“ nun eine andere Form an: dass nämlich Frauen und Mädchen für Umzüge und Aufmärsche auf die Straße gingen; dass sie auf Bauernhöfen Arbeitseinsätze leisteten; dass sie an sogenannten Sommer-Camps, an Marschübungen, an Hauswirtschaftskursen, an Musterungen und an feierlichen Fahnen-Appellen teilnahmen. Die völkische Ideologie hatte ihre ganz eigene weibliche Ästhetik. Schönheit war nach dem Empfinden der Partei das Ergebnis gesunder Ernährung und sportlicher Betätigung und hatte nichts mit Kosmetik zu tun. Deutsche Frauen und Mädchen lackierten sich nicht die Fingernägel, zupften sich die Augenbrauen, trugen Lippenstift auf, färbten sich die Haare oder sollten zu schlank sein.

Hochrangige Nazi-Bonzen verurteilten den Schmink-Boom der 1920er Jahre als jüdisches Gewerbe, das die deutsche Weiblichkeit herabwürdige, da es die deutsche Frau zu Prostituierten mache und zu „rassischem Verfall“ führe. Deutsche Männer sollten das Mädchen aus der Nachbarschaft heiraten, und nicht irgendeine Großstädterin..! Der natürliche Glanz einer jungen Frau sollte von körperlicher Betätigung, vom Draußensein und, in seiner höchsten Form, von der Schwangerschaft herrühren. Hitler wollte das „Rassenbewusstsein“ der normalen Deutschen steigern, doch für so manche der Frauen war das „rassische Erwachen“ auch ein politisches.

Die deutschen Frauen begannen nach der ehrgeizigen Vorstellung zu handeln, dass sie eigentlich mehr vom Leben erwarten durften, denn als sie die Volksschule hinter sich hatten und das junge Erwachsenenalter erreicht hatten, merkten sie, dass aus ihnen etwas werden musste. In heutigen Zeiten mag es ein Klischee sein, aber im Nazi-Regime war es revolutionär. Junge Frauen aus bescheidenen Verhältnissen behaupteten sich, indem sie ihre kleinen Heimatdörfer verließen, eine Ausbildung zur Krankenschwester oder Schreibkraft begannen und sich einer politischen Bewegung anschlossen. Die Töchter der Frauen, die in der Weimarer Republik erstmals hatten wählen dürfen, witterten ihre Chance in Deutschland und darüber hinaus.

Aber: Wussten deutsche Frauen und Mädchen, dass die „Judenfrage“ im Zentrum von Hitlers Rassenwahn stand, und bekamen sie mit, was mit den Juden geschah? Selbstverständlich sahen Mädchen, die im Regime der Nazis aufwuchsen, auf Plakaten und in der Presse die primitive und zynische Propaganda, die Bilder von den Juden als „minderwertige Rasse“..! In Filmen und Romanen wurde der Jude als gefährlich – und im Hinblick auf die Mädchen als lüstern – dargestellt. In dieser sexualisierten Form traf der Antisemitismus den intimsten, emotional aufgeladensten Bereich, in dem Nichtjuden und deutsche Juden miteinander verkehrten. Er richtete sich gezielt an die „arische“ weibliche Bevölkerung im Deutschen Reich, die Frauen galten als verletzliche Sexualobjekte, deren Körper von wachsamen Beschützern gegen die Juden verteidigt werden mussten. Diese krasse Form des Antisemitismus rührte auch an den Masochismus deutscher Männer: Ihre Frauen vor den „gefährlichen Juden“ zu schützen war eine „Frage der Ehre und Männlichkeit.“

Selbst vor den Kindern machte das Regime nicht Halt: In weiterführenden Schulen erstellten alle Kinder ausgefeilte Abstammungstafeln, die zweierlei zum Ziel hatten: Die Kinder wurden sich ihrer deutschen „Blutszugehörigkeit“ bewusst, und die Lehrer wussten, wer „arisch“ war und wer nicht. In den Neuausgaben von Schulbüchern paarten sich antisemitische Parolen und fratzenhafte Darstellungen von Juden mit Nazi-Symbolen und „erbaulichen Zitaten“, die einem attraktiven, retuschierten „Führer“ zugeschrieben wurden. Das öffentliche Beschimpfen und Schikanieren von Juden auf den Spielplätzen, in Schwimmbädern und bei Sportereignissen wurde geduldet und sogar gefördert.

In der Zwischenkriegszeit wurden deutsche Mädchen auf den Straßen sowie in den Schulen Zeugen politischer Gewalt. Sie lernten nicht nur, wie man diese Gewalt tolerierte, sondern auch, wie man gegen ausgewählte Feinde und verletzliche Klassenkameraden vorging. Als im November 1938 die Pogromnacht begann, waren viele, die den Ersten Weltkrieg miterlebt hatten, bereits erwachsen. Sie wurden Zeugen der zerstörerischen Angriffe auf Juden überall in Deutschland oder hörten oder lasen die Hetzartikel in den „gleichgeschalteten“ Zeitungen darüber. In großen und kleinen Städten wurden Hunderte von Synagogen in Brand gesteckt und Schaufenster von jüdischen Geschäftsleuten zertrümmert.

SA und SS verwüsteten jüdische Friedhöfe, stürzten Grabsteine um und schlugen die kurz und klein. Tausende von Juden wurden verprügelt, 30.000 verfrachte man kurzerhand in Konzentrationslager. Mehr als drei Viertel der der rund 9.000 jüdischen Geschäfte im Reich wurden geplündert und zerstört. Frauen und Mädchen erlebten die Zerstörung, und viele von ihnen meinten, das ganze Durcheinander müsse beseitigt werden, oder beschwerten sich über die Unannehmlichkeiten und die Unordnung..! Der „normale Berliner“ bezeichnete das Pogrom als „Kristallnacht“, womit man den Eindruck erwecken wollte, die Zerstörungen seien in erster Linie materieller Art. Als eine Berlinerin am Morgen all die Glasscherben sah, sagte sie der Überlieferung nach: „Die Juden sind die Feinde des neuen Deutschland. Sie haben diese Feindschaft heute in der Nacht zu spüren bekommen.“

Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe der IN.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 28/02/2019. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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