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Alltag im Hitlerreich: Die Tremonia berichtet am Freitag, den 7. Mai 1937 was sie schreiben musste

Auf der Titelseite unten rechts berichtet das Dortmunder Blatt, auch Westdeutsche Volkszeitung genannt: Tiefste Verworfenheit. Erschreckende Selbstanklage eines Bolschewistenhäuptlings. DNB St. Jean de Luz, 6. Mai:

Im Verlaufe der Auseinandersetzungen in Spanien zeigte es sich jeden Tag aus neue in erschreckender Weise, welcher furchtbaren Verbrechen und Grausamkeiten die bolschewistischen Elemente fähig sind. Man ist daher kaum überrascht, daß bei dem jetzt in Barcelona wie überhaupt in Katalonien ausgebrochenen bolschewistischen Bruderstreit auch in den eigenen Reihen ein furchtbares Blutbad und unzählige gemeine Verbrechen verübt werden, zu denen nur dieses bolschewistische Untermenschentum fähig ist. Daß die Bolschewisten aber vor ihren eigenen Horden und Methoden Angst bekommen, beweist ein Rundfunkaufruf de Leiters der katalonischen bolschewistischen Leitung „Solidaridad Obrera“, der in einer erschreckenden Selbstanklage die entsetzlichen Geschehnisse in Barcelona schilderte und die bolschewistischen Genossen beschwor, ihren blutigen Streit zu beenden, da die nahe Front dadurch demoralisiert würde.

Dieser Bolschewistenhäuptling von Barcelona erklärte wörtlich: „Ich war in den Hospitälern und habe mich entsetzt vor dem Anblick der verstümmelten Leichen. Es sind Verbrechen geschehen, die die größte Schlechtigkeit, den ärgsten Sadismus, zu dem Menschen fähig sind, beweisen. Die schlechtesten menschlichen Instinkte sind zu Tage getreten. Noch nie hat man eine so tiefe Verworfenheit gesehen! Blutige Verbrechen sind mit einer unausdenkbaren Grausamkeit begangen worden..!“ Er wandte sich weiter an die Mütter und Familien der streitenden Genossen und forderte sie auf, ihren ganzen Einfluß aufzubieten, um diesem Morden, das schon unzählige Opfer verlangt hat, ein Ende zu bereiten.

An dieser Stelle sei gestattet, anzumerken, dass die „Großdeutsche Wehrmacht sowie die sogenannten Einsatzgruppen das jüdische Volk bestialisch, grausam und Menschen verachtend gemordet hat. Aber das will in heutigen Tagen ja niemand mehr wissen; – der Gedenktage sind es genug und man hat seine „Pflicht und Schuldigkeit“ erfüllt.

Auf der letzten Seite berichtet das Blatt: Späte Sühne für einen Raubüberfall. Essen, 5. Mai: Die große Essener Strafkammer verurteilte den Angeklagten Busch aus Essen-Steele wegen schweren Raubes und schweren Einbruchdiebstahls unter Zubilligung mildernder Umstände zu vier Jahren, einem Monat Gefängnis sowie zu fünf Jahren Ehrverlust. Busch gehörte zu der Räuberbande, die am Ostersonntag 1930 in das Pfarrhaus Altendorf/ Ruhr eindrangen, den durch das Geräusch aufgeweckten Pfarrer misshandelten und, nachdem er den Räubern den Geldschrank öffnen mußte, ihn und seine Haushälterin fesselten und in den Keller sperrten. Die Räuber, die vor der Oeffnung des Geldschrankes vor dem Pfarrer schwören mußten, nicht die im Schrank befindlichen Kirchengeräte zu berühren, erbeuteten nur 1000 Reichsmark in bar und eine Armbanduhr. Der Anführer der Bande, der bereits mehrfach vorbestrafte heute 38 Jahre alte Ernst Wittig aus Altendorf/Ruhr konnte schon bald nach der Tat festgenommen werden. Er wurde auf Grund der Aussage des Pfarrers und eines lückenlosen Indizienmaterials überführt und zu acht Jahren Zuchthaus, zehn Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. In kommunistischen Versammlungen und in Skandalblättern der gleichen Richtung wurde gegen dieses Urteil Sturm gelaufen, denn auch Wittig gehörte diesen Kreisen an. Wie hiebfest aber das zusammengetragene Belastungsmaterial war, ergab die jetzige Verhandlung, denn Busch war voll geständig und gab an, den Raubüberfall mit Wittig und einem gewissen Stovronnek, der augenblicklich in Spanien sein „Glück“ versucht, ausgeführt zu haben.

Und weiter schreibt die „Tremonia“: 70 Prozent Wucherzinsen. Köln, 5. Mai:

Vor der 7. Großen Strafkammer in Köln begann ein großer Wucher-Prozeß, dessen Dauer auf mindestens sieben Wochen berechnet ist. Es handel sich um 12 in sich geschlossene Strafkomplexe, von denen gegenwärtig sechs zur Verhandlung stehen. In der Voruntersuchung wurden bisher weit über 100 Zeugen vernommen. Das Verfahren richtet sich gegen acht Kölner Geldverleiher und vier auswärtige Kreditinstitute. Die Geldverleiher hatten keine einschlägige Vorbildung, sondern übten früher die verschiedenartigsten Berufe aus. Die Darlehen wurden durchschnittlich in Höhe zwischen 100 und 300 Reichsmark gegeben. Die Umsätze betrugen bei einigen der auswärtigen Betriebe mehrere 100.000 Reichsmark. Die Geldverleiher, die nicht etwa nur Darlehensvermittler waren, wenn sie auch die Mittel nicht stets aus eigenem Kapital zur Verfügung stellen konnten, wandten sich fas ausschließlich an Festbesoldete (Beamte und langjährige Angestellte). Sie legten einen Fragebogen vor, wobei die Darlehensnehmer angeben mußten, daß sie die Darlehen zum Zwecke von Anschaffungen, zum Beispiel im Haushalt benötigten, keine Schulden hätten und nicht in Not wären. Die Wucherzinsen, die genommen wurden, bewegten sich durchschnittlich zwischen 40 und 80 Prozent pro Jahr.

Und weiter geht es: Zeche „Sachsen“ meldet Höchstförderung seit Bestehen. Heeßen, 5. Mai: Bei einem Betriebsappell der Zeche „Sachsen“ konnte Bergassesor Dr. Naerert die erfreuliche Mitteilung machen, daß im Vorjahr die Zeche mit einer Förderung von 715.000 Tonnen die höchste Förderung seit ihrem Bestehen erreicht hat. Insgesamt 280 Neueinstellungen von Bergleuten konnten seit Oktober 1936 erfolgen, außerdem wurden 51 Jungbergleute am 1. Mai neu eingestellt. Das ist die Zeche, um die vor Jahren heftige Kämpfe entbrannt waren, weil man sie als unrentabel schließen wollte. Glücklicherweise zog sich die Sache im Hin und Her so in die Länge, daß der inzwischen zur Macht gelangte Nationalsozialismus ein Machtwort sprechen konnte.

Ein weiterer Beitrag trägt den Titel: Motorendrosselung bei leichtsinnigem Verhalten der Fahrer. Neue wirksame Maßnahmen der Kölner Polizei im Straßenverkehr. Köln, 6. Mai:
Der Polizeipräsident von Köln wird auf Anordnung des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutze der Verkehrsteilnehmer mit neuen Maßnahmen gegen solche Kraftfahrzeugfahrer vorgehen, die durch ihr Verhalten in besonders leichtsinniger Weise den Verkehr gefährdet haben. Derartigen Kraftfahrern wird in Zukunft, falls nicht der Führerschein entzogen werden sollte, durch Polizeiverfügung aufgegeben, binnen einer kurz bemessenen Frist die Motore der von ihnen geführten Kraftfahrzeuge auf eigene Kosten auf diejenige Geschwindigkeit drosseln zu lassen, die von den Fabriken für die erste Einfahrt vorgeschrieben ist. Zum Zwecke der Kontrolle haben Kraftfahrzeugführer, die durch ihr Verhalten Anlaß zu Durchführung dieser Maßnahme gegeben haben, ihre Fahrzeuge nach erfolgter Drosselung persönlich einmal wöchentlich der Polizei vorzuführen. Für jede Vorführung bzw. Nachprüfung wird eine Verwaltungsgebühr von drei Reichsmark erhoben. Die Anordnung der Drosselung wird in den Führerschein eingetragen.

Mit einem Beitrag über einen Priester geht es weiter, und man titelt: Freigesprochen aus Mangel an Beweisen. Münster, 5. Mai: Vor der großen Strafkammer des Landgerichts Münster stand eine Verhandlung an gegen den 1887 in Emsdetten geborenen und 1915 zum Priester geweihten Felix Deitmaring, der seit 1928 Vikar in Hoetmar im Kreise Warendorf ist. Die Anklage lautete auf Sittlichkeitsverbrechen an Jungen unter 14 Jahren. Vikar Deitmaring gab den Schülern aus Hoetmar, die zum Gymnasium nach Warendorf fuhren, von Zeit zu Zeit nach Bedarf Nachhilfestunden. An vier dieser Schüler soll er sich dann in der Zeit von 1933 bis August 936, wo er verhaftet wurde, in unsittlicher Weise vergangen haben.

Vor Gericht gab der Angeklagte an, nichts anderes getan zu haben, als daß er den Jungen in ihrer Not, in die sie durch die Entwicklungsjahre gekommen seien, habe helfen wollen. Die Pädagogik und Seelsorge hat sich von jeher mit diesem Problem stark beschäftigt. Nach dem Kriege drangen auch in die katholische Seelsorge Ideen und Bestrebungen ein, die ihren Niederschlag in einer umfangreichen Literatur fanden. In ihr wurde eine unmittelbare und direkte Aufklärung der Jugend gepredigt. Der Angeklagte nun hatte sich Zugang zu dieser Lektüre verschafft und dann auch die Methoden, die dort angegeben waren, angewandt. Sah er unter den Jungen, die zu ihm kamen, einen, der anscheinend in die entscheidende Entwicklung gekommen war und mit sich selber nicht mehr fertig zu werden schien, dann rief er ihn zu sich, ließ ihn sich völlig entkleiden und stellte ihn vor den Spiegel.

Dabei habe er ihm gezeigt, daß er in seinem ganzen Körper ein heiliges Werk des Schöpfergottes sei, das heilig zu halten er die Pflicht habe. Die Anklage warf dem Vikar vor, diese Art der „Aufklärung“ dazu benutzt zu haben, sich unsittlich an den Jungen zu vergreifen. In der mehrstündigen Verhandlung jedoch, der auch der Vertreter des Generalvikars beiwohnte, konnte dafür ein zwingender Beweis nicht erbracht werden. Die maßgeblichen Zeugen wichen vielfach von ihren früheren Aussagen ab und leugneten jede Berührung, andere wieder gaben Berührungen zu, wollen aber den Eindruck gehabt haben, daß sie unabsichtlich und ohne bösen Willen geschahen.

Die Jungen müssen aber zugeben, daß sie sich durch dieses Verfahren des Kaplans abgestoßen fühlten, und einige von ihnen vermieden seitdem, mit ihm noch einmal näher zusammen zu kommen. Andere wieder sagen, daß ihnen wirklich im Enderfolg geholfen worden sei. Über Wert und Berechtigung dieser seltsamen Erziehungsmethode mußte sich der Angeklagte das vernichtende Urteil des katholischen Moraltheologen Professor Meyer von der Paderborner Akademie gefallen lassen. Der als Gutachter gehörte Professor räumte ein, daß tatsächlich derartige Bestrebungen auch in der katholischen Geistlichkeit Eingang gefunden hätten, daß aber festzustellen sei, daß sie objektiv falsch und unangebracht seien und daß sie auch vom Klerus abgelehnt würden.

Richtig sei, daß die Jugend aus ihrer Not, die zum größten Teil aus Angstkomplexen bestehe, befreit werden müßte, daß man sie zu einem natürlichen Empfinden zurückführen müßte. Deshalb sei es sehr zu begrüßen, wenn unsere Jugend heute wieder durch Wandern, Sport und Gemeinschaftsfahrten und durch die ungezwungene Natürlichkeit, mit der sie in Lagern und dann beim Militär dem Körperlichen gegenübergestellt werden zu einer Gesundung und inneren Stärkung geführt werde. Derartige Methoden, die hier heilsam und angebracht seien, gehörten jedoch nicht in das verschlossene Zimmer eines Geistlichen.

Die Frage des Vorsitzenden, ob dem Angeklagten die gute Absicht seiner Handlungen zuzubilligen sei, glaubte der Sachverständige bejahen zu können. Wenn aber nur ein geringer Beweis dafür vorhanden sei, daß er sein Amt als Seelsorger mißbraucht habe, dann stehe das Urteil eindeutig fest. Das sei es ja gerade, was uns in diesen Tagen bei all den Prozessen so tief erschüttere und was uns den Glauben an alles nehmen könnte. Wenn der Angeklagte schuldig sei, dann sei er nicht nur Verbrecher am Staat, seinem Volk und seiner Jugend, sondern auch an der Kirche. Das Gericht schloß sich dem Urteil des Sachverständigen über die Verwerflichkeit der angewandten Methoden voll und ganz an. Es lasse sich jedoch nicht mit zwingender Sicherheit der Beweis führen, daß der Angeklagte nur aus edlen Motiven handelte, und es sei nicht ausgeschlossen, daß nicht doch sexuelle Motive zum mindesten mitbestimmend gewesen seien. Ein nicht unerheblicher Verdacht bleibe bestehen, und der Angeklagte könne keineswegs erhobenen Hauptes den Gerichtssaal verlassen. Es sei notwendig gewesen, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen, weil die Anwendungen solcher verstiegenen Methoden zum mindesten der Verdacht einer strafbaren Handlung aufkommen musste.

Was den letzten Artikel anbetrifft, so möge sich die geneigte Leserschaft der Israel Nachrichten ihre eigenen Gedanken machen; – denn: Man erinnere sich an die zuletzt durch die Weltpresse gegangenen Missbräuche an Schutzbefohlenen Jugendlichen durch die Geistlichkeit beider Konfessionen.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 24/05/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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