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Wider das Vergessen: Das Regime der Nationalsozialisten und die Konzentrationslager; Leben im Lager 3. Folge

Im zweiten Teil hatten wir Odilo Globocnik erwähnt und wollen hier noch einige Worte über ihn verlieren: Er war möglicherweise Himmlers kriecherischer Gefolgsmann und ein entsetzlicher Henker. Globocnik hatte sich seine ersten „Verdienste“als gewalttätiger junger Fanatiker in der illegalen Nazi-Bewegung verdient. Sein kurzes Gastspiel als Gauleiter von Wien nach dem „Anschluss“ endete schmachvoll in einem Sumpf aus Korruptionsverdächtigungen. Doch wie vielen „alten Kämpfern“ gab Himmler auch ihm eine neue Chance, und dieser Henker ergriff sie begierig. Ende des Jahres 1939, nachdem man ihn nach Lublin versetzt hatte, machte er sich rasch einen Namen als Vorkämpfer einer radikal antijüdischen Politik.

Odilo Globocnik (Mitte). Foto: Archiv

Seit dem Herbst 1941 koordinierte er die Massenvernichtung von Juden in seinem Bezirk, eine Aufgabe, die später auf das gesamte Generalgouvernement ausgeweitet wurde. Himmler nannte ihn im Scherz „Globus“ und Globocnik war begeistert, als sein Herr im Juli 1942, nach seinem Besuch in Auschwitz, die umgehende Vernichtung im Generalgouvernement befahl: „Der Reichsführer-SS war nun hier und hat uns so viel neue Arbeit gegeben, dass nun alle unsere geheimsten Wünsche damit in Erfüllung gehen“, schwärmte er und fuhr fort: „Ich bin ihm so sehr dankbar dafür, denn das eine kann er gewiss sein, dass diese Dinge, die er wünscht, in kürzester Frist erfüllt werden.“

Wie Höß sich erinnerte, wurde Globocniks Hunger auf immer weitere Deportationen in seine Todeslager unersättlich, und Höß führte an: „Er konnte gar nicht genug bekommen.“

In der zweiten Hälfte des Jahres 1942 entfaltete sich der Holocaust im Generalgouvernement mit nicht nachlassender Gewalt. Ein Eisenbahnzug nach dem anderen brachte Hunderttausende Juden in Globocniks Vernichtungslager. Sehr wenige von den Häftlingen überlebten mehr als wenige Stunden; – kaum hatte man sie in die Gaskammern eingepfercht, liefen starke Motoren an und pumpten Kohlenmonoxid hinein. Die Deportationen wurden von Globocniks Lubliner Büro koordiniert. Die Todeslager selbst waren mit erfahrenen SS-Mördern aus dem „Euthanasie“-Programm besetzt. Mit Beginn des Herbstes 1941, wurden mehr als 120 „T-4-Veteranen“ – meistens Männer zwischen Ende zwanzig und Ende dreißig – ins Generalgouvernement versetzt, um die neuen Vernichtungslager aufzubauen und zu leiten.

An der Spitze stand Christian Wirth, ein ehemaliger Polizeibeamter, der während der „Euthanasie-Aktion“ zum wichtigsten Problemlöser geworden war. Nun setzte Wirth seine mörderische „Betriebserfahrung“ als „T-4-Vertreter“ vor Ort und Inspekteur von Globocniks Todeslagern ein und erwarb sich den Beinamen „Der wilde Christian“.

Seit dem Sommer des Jahres 1942, als der Holocaust an Fahrt aufnahm, überwachte er größere Veränderungen in Belzec, Sobibor und Treblinka, einschließlich der Tötungsanlagen, um den reibungslosen Ablauf des Genozids an den Juden zu sichern. Das gleiche Ziel wurde auch weiter westlich in Auschwitz verfolgt. Auch dort arbeiteten SS-Verbrecher hart daran, die Maschinerie des Todes für den Holocaust weiter zu entwickeln und zu vergrößern.

Juden im Konzentrationslager

In den frühen Jahren des Zweiten Weltkrieges hatten die Konzentrationslager noch am Rand der antijüdischen Nazipolitik gestanden; die Gegenwart drehte sich in der Hauptsache un Ghettos und Zwangsarbeitslager, und die Zukunft um tödliche „Judenterritorien“. Konzentrationslager hingegen waren noch Nebensache, und selbst als das „Dritte Reich“ sich auf die systematische Vernichtung des europäischen Judentums hinzubewegen begann, gab es noch keine Anzeichen dafür, dass die Konzentrationlager in absehbarer Zeit wichtig werden könnten. Darin spiegeltn sich die Zahlen der Häftlinge: Anfang des Jahres 1942 waren weniger als 9.000 von den 80.000 Kl-Insassen Juden.

Haus der Wannsee-Konferenz. Foto: Wikipedia

Im grünen Vorort des Berliner Wannsees fand am 20. Januar 1942 eine wichtige Konferenz statt. Am Mittag dieses denkwürdigen Tages versammelte sich dort eine Gruppe höherer Parteifunktionäre und Regierungsbeamten, um die „Endlösung“ zu koordinieren, unter der Leitung des Reichssicherheitshauptamtes. Den Vorsitz führte – wie bekannt – Reinhard Heydrich, der die allgemeine Richtung vorgab. Einige Aspekte waren noch offen, aber das Gesamtziel war nun geklärt: Europäische Juden sollten im besetzten Osten konzentriert und dort getötet werden, entweder sofort nach den Ankunft oder indem man sie sich zu Tode arbeiten ließ.

Das Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“ war ein wichtiges Element dieser Planungen. Wie Heydrich es in Berlin-Wannsee ausdrückte – laut dem Besprechungsprotokoll, geführt von Adolf Eichmann, dem Reichssicherheitshauptamt-Referenten, der die Deportationen aus West- und Zentraleuropa leitete -, sollten im Osten große Arbeitskolonnen für den Bau von Straßen gebildet werden, „wobei ohne jeden Zweifel ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird“, so Eichmann. Obgleich die Einzelheiten vage blieben, gab es in diesen Völkermordplanungen keinen Platz für die Konzentrationslager, weder als Zentren der Vernichtung noch als Drehkreuze für tödliche Arbeit. Die Konzentrationslager standen am Wannsee auf jeden Fall nicht auf der Tagesordnung, und kein Vertreter des Konzentrationslagers Systems war zu dem Treffen eingeladen worden.

Fortsetzung folgt in einer der nächsten Ausgabe der Israel Nachrichten.

Als Schlusssatz sei mir die Anmerkung gestattet, dass auch in heutigen Tagen in vielen Polizeidienststellen Beamte in rechtsextremen Netzwerken verknüpft sind; – eine Schande für die Bundesrepublik, aber ein altes Sprichwort besagt: „Geschichte wiederholt sich.“

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 12/10/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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