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Auschwitz – Täter und Opfer im Vorhof zur Hölle Teil 1

Die Leitung über das Krematorium IV. hatte ein gewisser Johann Gorges. Er wurde am 1.12.1900 in Fell bei Trier geboren, ging zur Schule und brachte es schließlich zum Bauhilfsarbeiter. Im Jahre 1933 wurde er Mitglied der NSDAP und trat wenig später der von Himmler aufgestellten SS bei, wurde 1944 zum Unterscharführer ernannt. Ab April 1941 war er nach Auschwitz abkommandiert.

 

Zunächst musste er im „Wachsturmbann“ seinen „Job“ verrichten; – das heißt, er war für die Vergasung der jüdischen Insassen zuständig. Er sagte selber: „Bei Birkenau waren zunächst nur zwei Bauernhäuser zu Vergasungsanlagen umgebaut worden. Diese wurden später nicht mehr benutzt, als vier neue Krematorien mit Gaskammern gebaut wurden. In den alten Bauernhäusern war nur vergast worden, die Leichen der vergasten Häftlinge wurden in Massengräbern vergraben. Später kam eine Kommission zur Besichtigung, die feststellte, dass diese Massengräber das Grundwasser verseuchten. Daraufhin mussten die Leichen wieder ausgegraben werden und sind verbrannt worden. Die Asche wurde entweder als Düngemittel verwandt oder in die Weichsel geschüttet. Die Verbrennung der Leichen wurde von Häftlingen durchgeführt; ich selbst war dabei  n u r  (!) als Wachtposten eingesetzt.“

 

Ab Juli des Jahres 1943 wurde er zum Chef des Krematoriums IV. ernannt. Gorges: „Die Krematorien in Birkenau trugen die Bezeichnungen I. II. III. und IV. In jedem Krematorium befanden sich nicht nur Verbrennungsöfen, sondern auch Gaskammern. Die Leichen der vergasten Häftlinge konnten deshalb im gleichen Gebäude verbrannt werden. Die Krematorien I. und II. waren größer und hatten unterirdische Gaskammern, die Krematorien III. und IV. waren kleiner, und ihre Gaskammern lagen zu ebener Erde.“

 

Ab dem 23. September 1944 selektierte er mit einem anderen SS-Mann namens Busch an der Rampe von Auschwitz „Sonderhäftlinge“, die ermordet werden sollten, und im Januar 1945 war er Leiter des zuletzt noch betriebsfähigen Gasbunkers V. Gorges über das Ende: „Am 16. 1. 1945 wurde mit der Räumung des Lager Auschwitz und seinen Nebenlagern begonnen. Ich musste mit einem kleinen Kommando der SS noch einige Tage länger in Birkenau bleiben und die Sprengung der Krematorien vorbereiten. Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee sprengten wir die vier Krematorien in die Luft!“

 

Laut Aussagen eines SS-Schergen, Filip Müller, feierte er 1944 seine Beförderung zum Untersturmführer mit einem Gelage im Krematorium. Müller: „Einer von ihnen hatte seine Zieharmonika mitgebracht. Immer wieder erklangen die <Lili Marlen> und die <Rosamunde>.“ Nach Kriegsende im Mai 1945 war Gorges wieder als Bauhilfsarbeiter, Landarbeiter und Furhmann tätig. Er starb am 18. Juli  1971 in Trier. 

Für seine Taten wurde er nie belangt, recht schnell „entnazifiziert“ und lebte unter uns.

 

Und dann gab es noch ein „Gegenstück“: Filip Müller vom „Jüdischen Sonderkommando“ mit der eingebrannten Häftlingsnummer 29236. Er wurde am 3.1.1922 in Sered/Slowakei geboren. Ankunft in Auschwitz am 13.4.1942 aus Sered. Ab Mai 1942 war er im Alten Krematorium eingesetzt.

 

Er beschrieb seinen „Arbeitsbeginn“, als die Opfer noch bekleidet in die Gaskammer gepresst wurden: „Vor uns lagen zwischen Koffern und Rucksäcken Haufen aufeinander- und durcheinanderliegender toter Männer und Frauen. Ich war starr vor Entsetzen. Ich wusste nicht, wo ich mich befand und was hier vor sich ging. Er bekam einen heftigen Schlag, der vom Gebrüll eines SS-Mannes begleitet wurde: „Los, los, Leichen ausziehen!“, und das veranlasste mich, das zu tun, was auch ein paar andere Häftlinge taten, die ich jetzt erst bemerkte. Vor mir lag die Leiche einer Frau. Zuerst zog ich ihr die Schuhe aus. Meine Hände zitterten dabei. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mit einer Leiche in Berührung. Sie war noch nicht richtig erkaltet.“

 

Unter den Toten am ersten Tag sind seine ehemalige Mitschülerin Jolana Weis und seine Nachbarin Rika Grünblatt. Wenig später war er als „Leichenauszieher“ und „Heizer“ in den Krematorien tätig. Filip Müller berichtete über die Tötung Kleinwüchsiger in den Krematorien: „Ich selbst war Augenzeuge von Sektionen von Zwillingen, die – worauf besonders Wert gelegt wurde – zur gleichen Zeit im Krematorium getötet werden mussten und zwar durch Genickschuss. Es wurden dann alle erdenklichen Messungen durchgeführt, wobei mir noch der SS-Mann mit Namen Nyiszli in guter Erinnerung ist, wie er die Messungen durchführte. Es wurden auch innere Organe für weitere Untersuchungen durch SS-Ärzte entnommen. Außer Zwilligen wurden auch Liliputaner sektiert. Ich selbst habe dabei nur gesehen, wie diese Liliputaner erschossen wurden. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem ein Häftling mit einem Buckel erschossen wurde. Ich habe dann im Sektionsraum von „N“ gesehen, wie diese Leiche in einem Behälter mit einer Säure gelegt wurde und dort so lange verblieb, bis das Skelett vollkommen frei gelegt war.“

 

Filip Müller korrigierte vor den Alliierten seine Legende über das Sonderkommando: „Mir ist ein einziger Fall bekannt, wo ein Birkenauer Sonderkommando vollkommen vernichtet worden ist, und zwar war dies im Dezember 1942 oder Anfang 1943. Diese Vernichtung fand statt im Krematorium des Stammlagers. Es war jedenfalls nicht so, dass regelmäßig alle drei Monate das gesamte Sonderkommando, von einzelnen zufallsbedingten Ausnahmen abgesehen, vollkommen vernichtet wurde. Letzteres wird zwar von verschiedenen Seiten so behauptet, ist aber tatsächlich in dieser Weise nicht immer der Fall gewesen.“

 

Nach der Befreiung im Jahre 1945 lebte Filip Müller in der BRD und brachte 1971 als Autor das Buch „Sonderbehandlung. Drei Jahre in den Krematorien und Gaskammern von Auschwitz“ heraus.

 

Von Rolf von Ameln

 

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

 

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Von am 13/05/2014. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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