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Ich möchte durchbrennen in meine Welt

Josua Sommer wurde 1880 in der Bukowina geboren, in Hadikfalva, einem eher ungarisch besiedelten Dorf. Er lernte Berta Burg kennen, die 1888 in Kimpolung das Licht der Welt erblickte. Das Paar Berta und Josua heirateten im Januar 1914 im Städtchen Kimpolung im Herzogtum Bukowina. Noch existierte die Donaumonarchie, doch der 1. Weltkrieg hatte bereits begonnen. Die Tochter Sylvia war das erste Kind, im Mai 1920 kam sie in Kimpolung auf die Welt, drei Schwestern folgten.

Der 1. Weltkrieg ging zu Ende, der Kaiser in Wien dankte ab, die Donaumonarchie war beendet. Die Bukowina wurde Rumänien zugesprochen andere Gebiete ebenso, Groß Rumänien entstand. Prinz Karl von Hohenzollern Sigmaringen war seit dem 19. Jahrhundert Fürst von Rumänien und König Karl I. übernahm das Zepter bis 1914, König Ferdinand I. folgte. Karl II. wurde zum Verzicht des Throns gezwungen, der minderjährige Sohn Michael I. wurde kurzfristig Thronerbe, andere Wechsel folgten.

Weitere große politische Veränderungen gab es in Deutschland. Adolf Hitler wurde 1933 in Potsdam zum Reichskanzler ernannt, jüdische Bürger wurden aus staatlichen Institutionen entlassen, die Progrome gegen Juden folgten auf dem Fuß. Nationalistische Bewegungen, politische Morde, Attentate, Diskriminierungen, Erschießungen und Morde an der jüdischen Bevölkerung und der Minderheit der Roma wurden in Rumänien zur Tagesordnung. Die Eiserne Garde schlug zu, der Antisemit und Faschist Horia Sima und der Diktator Ion Antonescu trieben diese mörderischen Spiele.

Sylvia Sommer lernte Josef Rosenhek kennen, der 1909 in Czernowitz als Sohn von Klara Rosenhek, geborene Moldau, aus Lemberg und dem k & k Postoberoffizials Jakob Rosenhek aus Suceava, geboren wurde. Jakob Rosenhek starb 1914. Der Sohn Josef kannte seinen Vater kaum.

Die Sowjetische Armee besetzte 1940 für ein Jahr die Nordbukowina. Josef Rosenhek wurde auf der Straße von den Russen verschleppt, wurde ein hoher Offizier in der Sowjetischen Armee und zog mit ihr bis nach Usbekistan. Seine jüdische Religion und Kultur musste er auch hier verbergen, betete täglich heimlich mit Tallit und Tefillin und hielt die jüdischen Feiertage ein. Zu Pessach aß er nur Kartoffeln, durfte nicht als Jude erkannt werden.

1941 begannen die Deportationen der jüdischen Mitbürger und auch der Roma in die Todeslager des besetzten Gebietes Transnistrien, zwischen den Flüssen Dnister und Bug. Durch Hunger, Entkräftung, Fleckfieber und Typhus starben die Deportierten, im Winter kamen Erfrierungen hinzu.

Auch Sylvia Sommer und Josef Rosenheks Mutter Klara kamen 1941 in das Czernowitzer Ghetto. Nach Auflösung des Ghettos wurden sie mit anderen jüdischen Nachbarn in Viehwaggons gepfercht und nach Transnistrien, in das Todeslager Mogilev (Mohyliv-Podilskyi) deportiert. Klara Rosenhek überlebte das Lager und die unmenschlichen Strapazen nicht. Sie starb im September 1942. Josef Rosenhek kehrte in die Bukowina zurück, Sylvia Sommer überlebte Transnistrien. Beide heirateten im Oktober 1944 in Czernowitz. Das junge Paar Sylvia und Josef bestachen die Sowjets, kauften sich eine illegale Ausreisegenehmigung, verließen ihre Heimat, verließen das nördliche Buchenland, das 1945 der Sowjetunion zugesprochen wurde und gingen im gleichen Jahr nach Bukarest. Der Sohn Julian wurde 1946 in Bukarest geboren. 1947 bereits wurde König Michael I. von der Kommunistischen Partei und dem Stalinisten und Despoten Gheorge Gheorgiu-Dej vom Thron gestoßen und verjagt. Die Rosenheks wollten nach Israel auswandern, beantragten bereits im kommunistischen Königreich Rumänien die Ausreise und kamen erst im Herbst 1951 in dem noch jungen Land Israel an. Hochschwanger landete Sylvia Rosenhek im Hafen von Haifa und brachte 1952 in Jaffo ihr Töchterchen Batya auf die Welt. Die Großmutter Berta aus Kimpolung gab dem neugeborenen Mädchen den Namen, im Hebräischen wurde aus Berta Batya.

Berta und Josua Sommer, die Großeltern von Batya, blieben in Kimpolung in der Südbukowina in Rumänien, starben dort 1950 und 1959 und wurden auf dem Jüdischen Friedhof begraben.

Schwer war das Leben der Einwanderer im Gelobten Land, einfache Lebensgewohnheiten erwarteten sie. Die Rosenheks wohnten wie andere jahrelang in Zelten, Sylvia Rosenhek arbeitete im Hotel Ramat Aviv in Herzlia bei Tel Aviv und Batya wurde als Kleinkind bereits in ein Heim gebracht. Weinend verbrachte sie dort so manche Tage ihres kindlichen Lebens ohne Mutter, erinnert sie sich.

Der Urgroßonkel von Batya, Rechtsanwalt Dr. Rudolf Dreiling, wohnte in Wien in der Rauhensteingasse 3, er lud die junge Familie Rosenhek ein und holte sie 1955 nach Wien. In der sehr großen Wohnung des Onkels begannen sie ihr Leben in Österreich, begann der Vater von Batya seinen Import/Export Großhandel in der Salvatorgasse. Batya und ihr Bruder Julian besuchten die Schulen in Wien, die Mutter Sylvia versorgte die Familie. Batya arbeitete später in der Kulturabteilung des Außenministeriums, ging ein Jahr an die Österreichische Botschaft nach Tel Aviv, kam zurück, heiratete in Wien. Die Ehe ging zu Ende und Batya Horn begann ihre Verlagsarbeit im Juni 1990 in der Salvatorgasse, zwei Monate später starb Josef Rosenhek, der Vater.

Sylvia Rosenhek, die Mutter, kümmerte sich um den Urgroßonkel in Wien und pflegte die kranke Schwester monatelang in Australien. Ein Herzinfarkt folgte, ein Schlaganfall kam dazu. Batya, die Tochter war immer zur Stelle, versorgte die Mutter von Wohnung zu Wohnung, brachte sie ins Spital, sorgte sich um sie. Irgendwann litt die Mutter unter der Einsamkeit, die Freunde starben, die Demenz schlich sich in ihr Leben. Die Mutter kämpfte gegen jede fremde Hilfe, nur die Tochter war genehm, doch auch Batya wollte sie nicht alleine lassen. Irgendwann hielt sich Sylvia Rosenhek nur noch in der Wohnung auf, konnte alleine nichts mehr besorgen und sich nicht mehr versorgen. Die letzten fünf Jahre war sie auf Hilfe angewiesen. Tochter Batya pflegte und versorgte sie stundenweise morgens, mittags und wartete bis sie nachts einschlief. Am 22. Januar 2012 starb Sylvia Rosenhek, geborene Sommer aus Kimpolung in der Bukowina, in Wien und auf dem Jüdischen Friedhof am Zentralfriedhof fand sie ihre ewige Ruhe.

Die Verlegerin der splitter edition Batya Horn hat beifällige Aussagen, Worte, Zitate und Sätze der Mutter in der Zeit der fortschreitenden Demenz der letzten eineinhalb Jahre notiert. Eine ungewöhnliche Sammlung ist entstanden. Batya Horn hat sie gebündelt und in einem kleinen, feinen Büchlein „Ich möchte durchbrennen in meine Welt“ im Jahr 2013 herausgegeben. Entstanden ist eine Hommage an die geliebte Mutter. 2011 erschien die Anthologie „Handicap – Schicksal & Chance“ mit Texten unterschiedlicher Autoren zum 20. Geburtstag der edition splitter wien. Batya Horn hat auch in dieses Buch bereits zwei Seiten von ihrer Mutter Sylvia Rosenhek „hereingeschmuggelt“, wie sie sagt. Diese zwei Seiten haben im Freundeskreis und bei den Lesern großes Interesse und Mitgefühl hervorgerufen. Dadurch war die Motivation geboren, weiter Aussprüche der Mutter zu ihren Lebzeiten zu notieren.

Ich möchte durchbrennen in meine Welt

Sylvia Rosenhek

Ich möchte durchbrennen in meine Welt
Wien 2013
96 Seiten
ISBN 978-3-901190-41-4
€ 17,00

Edition Splitter & Galerie Splitter Art
Salvatorgasse 10 / Fischerstiege 1-7
A-1010 Wien

Telefon +43 (0) 1 532 73 72
Mobil +43 (0) 664 4030 172
www.splitter.co.at
horn@splitter.co.at

„Ich möchte durchbrennen in meine Welt“ sollte in Ruhe gelesen werden, es sind Aussprüche, philosophische Gedanken einer Demenzkranken, die in ihrer Welt Worte und Sätze findet und erfindet. Was sagt uns „Wir haben Geduld und warten auf ein herrliches Ende“?

Von Christel Wollmann-Fiedler

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 26/08/2015. Abgelegt unter Bücher,Europa,Rezensionen. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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