„Von dort bis heute“ ist der Titel des neuen Buches von Margit Bartfeld-Feller. „Gesammelte Geschichten aus Czernowitz sowie aus der sibirischen Verbannung und danach 1925-2015“ sind der Inhalt.
Wer ist eigentlich Margit Bartfeld-Feller? Ralph Giordano gratulierte in einem Brief von Februar 2014 der damals einundneunzigjährigen Margit für die gewaltige Arbeit, die sie geleistet hat und behauptet, dass Czernowitz ihr ein Denkmal setzten müsse, weil sie die Seele dieser Kultur sei! Gleich weiter in einem Vorwort von Helmut Kusdat „Man muss nur ein Mensch bleiben“, lesen wir „Sie ging ihren Weg. Immer. Das ist fast die Definition irdischen Glücks“. Ein abgewandeltes Zitat von Egon Friedell gebraucht er für Margits Leben und Mentalität. Gerald Stourzh, der langjährige Freund aus Wien, betitelt sein Vorwort „Zeugin verschwundener Welten“ und rät jedem Leser dieses Buches „Bitte weitergeben – wenn möglich, bitte weiterschenken -, und beides vor allem den Jüngeren!“ Der Herausgeber der zwölf Bücher, die sich Margit Bartfeld-Feller in den zweiundzwanzig Jahren nach ihrer Einwanderung in das Gelobte Land von der Seele schrieb, überschrieb Erhard Roy Wiehn aus Konstanz mit „Heimgeholt ins Heute“. Seine Publikationsliste übertrifft alles, was auf dem wissenschaftlichen Weg unterwegs ist. Alleine in der Edition Shoa & Judaica im Hartung-Gorre Verlag Konstanz, sind es hunderte von Bücher. Hanna Blitzer, die deutschsprachige Schriftstellerin, übernahm eine Aussage von Margit, dass sie „drei Leben gelebt hat bzw. lebt“. Der Literaturprofessor aus Czernowitz, Peter Rychlo, kennt sich aus in der Literatur der Bukowina, einst und heute, kennt das Leben von Margit Bartfeld-Feller, kennt ihre Bücher. „Chronik einer lebenslangen Sibiriade“ von ihm ist sicherlich die treffendste Aussage über das Leben von Margit Bartfeld-Feller.
Der Lebensweg von Margit Bartfeld-Feller ist ein eigener, ist ein kaum zu begreifender, ihre Bücher erzählen sehr viel über die fünfzigjährige Verbannung im Sumpfgebiet Sibiriens.
1941 wurde Margit mit den Eltern und dem Bruder Otti bei Nacht und Nebel aus Czernowitz von den Sowjets nach Sibirien in die Taiga deportiert. Stalin, der Tyrann, befahl diese Untaten. Juden, Intellektuelle, Fabrikanten und politisch Andersdenkende wurden vom Estland bis ans Schwarze Meer in Viehwaggons gepfercht, nordöstlich in Richtung Sowjetunion transportiert und weiter auf Schiffen nach Sibirien zum Schwerstarbeiten verschleppt. „Verrecken“ sollten sie, war Stalins Befehl! Margit war jung, gerade 18 Jahre alt, ihr Bruder jünger. In Czernowitz in der Bukowina wurde Margit Bartfeld 1923 geboren, ging dort zur Schule, für Literatur und Musik begeisterten sie die Eltern. In Czernowitz, der Stadt Rose Ausländers und Paul Celans, lebte Margit in Geborgenheit. Noch bevor Hitlers Schergen in die Bukowina kamen, ließ Stalin die erwähnten Bewohner abholen und schickte sie zum Sterben durch Hunger und unmenschliche Lebensverhältnisse in die Taiga an den Vasjugan. Ein schreckliches Leben erwartete die Deportierten dort. Wie Fliegen starben sie. Moritz Bartfeld, der geliebte Vater, starb bereits ein Jahr später an den erbärmlichen Lebensqualen. 1948 heiratete Margit Bartfeld den ebenfalls aus Czernowitz deportierten Kurt Feller. In Krassnojarka, dem „Todesnest“, wie sie den Ort nannten, trafen sie sich wieder. 1954 wurde Anita, die Tochter, geboren, die kleine Familie Bartfeld-Feller teilte sich ein Zimmer in Tomsk“. 1979 starb Kurt Feller, der inzwischen in Tomsk ein bekannter Architekt und Baumeister geworden war. Margit arbeitete bis zu ihrer Ausreise nach Israel als Musiklehrerin in einem Tomsker Kinderheim. Mama Cilly, Anita mit Ehemann und die beiden Söhne konnten zusammen mit Margit Bartfeld-Feller 1991, fünfzig Jahre nach der Deportation, nach Israel auswandern. In Tel Aviv, der neuen Heimat, wohnt sie seitdem. Der Bruder Otti blieb in Sibirien. Auch eine kurze Geschichte schrieb er in das neue Buch seiner Schwester Margit, schrieb über eine Begebenheit von 1948, beschrieb den Bau eines Brunnens für Menschen und Tiere am Ort.
Die latente Sehnsucht nach der Stadt der Geburt, nach der Kindheit und Jugend in Czernowitz, nach der Landschaft der Bukowina sind ein Erinnerungsfeld, das nie wiederkommt, doch immer wieder von Margit beschrieben wird, Mythologien eingewebt. Gedanken kommen und gehen, so auch bei Margit Bartfeld-Feller der zweiundneunzigjährigen Czernowitzerin. Die Lehrer des Hoffmann-Lyzeums kommen auf die Bühne, haben ihren Auftritt, die Freundinnen und Klassenkameradinnen ebenso. Die ewige Freundschaft zu Selma Meerbaum-Eisinger, die bereits mit achtzehn Jahren in Transnistrien im Arbeitslager an Typhus starb, ist bis in die Gegenwart ein Herzensthema. Die Leidenschaft zur Musik begleitete Margit in die Hölle, in die Taiga, nach Sibirien, 1941. Über die fünfzig Jahre Sibirien, die Sozialisierung dort, über die Verbannung überhaupt unter unmenschlichen Gegebenheiten, die Lebensverhältnisse und das Überleben wollen, spürt man noch heute in ihren Buchtexten. Ein Schnippchen schlagen wollte sie Stalin! Wie oft werden bei dieser tapferen Frau und der ebenso tapferen Mama Cilly Tränen geflossen sein? Mit erhobenem Haupt, nie anklagend, akzeptierend, lässt Margit in ihrem Buch die vielen schwierigen Jahrzehnte vorbeiziehen.
Helga, meine Freundin, begleitete mich im Frühjahr 2015 in Tel Aviv in die Nordau zu Margit Bartfeld-Feller. Die jugendliche Zweiundneunzigjährige empfing uns, erzählte, wie immer strahlend und enthusiastisch über ihr Leben. Dann setzte sie sich ans Klavier und sang für uns alte jiddische Lieder. Das musikalische Erlebnis ist Helga und mir bis heute geblieben!
Geehrt wurde Margit Bartfeld-Feller mit dem Theodor Kramer Preis 2013 in Wien. In ihrer Wohnung in Tel Aviv überreichte 2014 der Österreichische Botschafter in Israel, Dr. Franz Josef Kuglitsch, der Schriftstellerin und Zeitzeugin für ihre hochinteressanten und historisch sehr wichtigen Bücher das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.
Besonders junge Menschen sollten sich an diese Literatur, an dieses Buch, heranwagen, wie Professor Stourzh es sich zu Beginn bereits wünschte. Über Lebensumstände würden diese jungen Menschen erfahren, die kein Geschichtsunterricht vermitteln kann. Die Verbannung der Juden und anderer in die wenig lebensmögliche Landschaft der Sowjetunion, ist bei uns in Westeuropa kaum bekannt. Durch das soeben erschienene Buch von Margit Bartfeld-Feller kann dieses Defizit ausgeglichen werden.
Von Christel Wollmann-Fiedler
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