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Aus der Geschichte der militärischen Luftfahrt: Operation Black Buck – Erinnerung an den Falkland-Krieg

Die Argentinier erkannten recht schnell, dass es den Engländern mit den Falkland-Inseln ernst meinten. Ende April des Jahres 1982 war bereits ein Schiff mit einer Kampfgruppe der Royal Navy nach Süden unterwegs – die internationalen Bemühungen um eine friedliche Einigung führten zu keinem Ergebnis. Aber die größte Gefahr drohten den Briten von der argentinischen Luftwaffe. So lange deren Einsatz auf das Festland begrenzt werden konnte, ließen sich die Landungen aufgrund der eingeschränkten Reichweite der feindlichen Maschinen ohne weitere Probleme durchführen. Man musste also die befestigte Landebahn bei Port Stanley für die Argentinier unbrauchbar machen.

Die Einsatzgruppe würde Tage brauchen, um das Gebiet zu erreichen. Aus diesem Grund wurde die Aufgabe der Royal Air Force übertragen, deren nächster Stützpunkt – Wideawake Airfield – auf der Insel Ascension lag. Die Flugzeit von Ascension bis Port Stanley betrug acht Stunden bei einer Entfernung von 6.254 Kilometer auf der kürzesten Route. Es war die größte Angriffsentfernung, die je in der Geschichte der Luftkriegführung mit Kampfflugzeugen zugrunde gelegt wurde. Für eine solche Aufgabe geeignet waren nur die Avro Vulcans der Geschwader 44, 50 und 101. Um aber die Bombenlast von 9.525 Kilogramm nach Port Stanley zu befördern, mussten die Victor-Tankmaschinen der Squadrons 55 und 57 eingesetzt werden.

Am 30. April 1982 um 22:50 Uhr – Ortszeit Ascension, 19:50 Uhr Ortszeit Port Stanley – starteten elf Victor-Tanker vom Wideawake Airfield. Kurz nach ihnen hoben zwei Vulcans ab. Die Operation „Black Buck“ hatte begonnen.“Wir rollten zum Startpunkt“, erinnerte sich Flight Lieutenant Martin Withers vom 101. Squadron und Pilot der Reservemaschine Vulcan XM607. „Die Vulcans kamen als letzte dran. Wir starteten in Ein-Minuten-Intervallen. Es war die schwerste Vulcan, die ich je geflogen hatte, aber ich kam hervorragend mit ihr zurecht. Die Steiggeschwindigkeit der Victors betrug 445 km/h. Zum Aufschließen stiegen wir mit 555 km/h auf.

Unsere Mindestgeschwindigkeit lag bei 270 km/h, so verfügten wir über einen Spielraum von 185 km/h. Anders die Victors. Ihre Piloten waren nicht sehr glücklich, wenn sie diese vollbeladenen Lufttanker mit weniger als 445 km/h fliegen mussten.“ Je eine Victor und eine Vulcan hatte man als Reserve mitfliegen lassen. Und es zeigte sich schon bald, dass beide wirklich gebraucht wurden. Eine Victor konnte ihren Auftankschlauch nicht abspulen, während die Kabine der ersten Vulcan, geflogen von Suadronleader John Reeve, sich nicht druckaufladen ließ. „Wir passierten gerade erst eine Höhe von 5.000 Fuß, als die Crew der zweiten Vulcan uns meldete, dass sie nicht einsatzbereit war: ´Red-Four, Sie sind jetzt Red-Two´“.

Noch heute erinnern sich die noch lebenden Besatzungsmitglieder, dass Withers zunächst lange schwieg. Dann sagte er: „Es sieht so aus, als ob wir eine Menge Arbeit hätten, Boys.“ Das erste Auftanken begann eindreiviertel Stunden nach dem Start. Aber schon bei diesem Auftanken stellte sich heraus, dass aus verschiedenen Gründen der Kerosinverbrauch wesentlich höher lag als geplant. Dieses Problem vergrößerte sich mit jeder Stunde und stellte letztendlich den Erfolg des gesamten Einsatzes in Frage. „Wir stiegen auf Flughöhe 270 (27.000 Fuß – 8.300 Meter)“, erinnerte sich Flying Officer Peter Taylor, der Copilot der Vulcan.

„Der gesamte Einsatz wurde von der Höhe diktiert, die eine vollbeladene Victor fliegen kann. Sie hat bei einer Geschwindigkeit von weniger als 482 km/h Probleme, kann aber vollbeladen auch nicht sehr viel höher gehen. Wir wären natürlich lieber in unserer normalen Flughöhe von 40 K (40.000 Fuß – 12.192 Meter). Auch hätten wir eine Geschwindigkeit von etwa 610 km/h vorgezogen, denn bei der relativ geringen Höhe verbrauchten wir mehr Treibstoff als geplant. Wir tankten zwar, wie vorgesehen, fünfmal auf, mussten aber jedesmal etwas mehr Kerosin aufnehmen.“ Nach einer Flugzeit von fünfeinhalb Stunden wurden die Tanks der Vulcans 4.425 Kilometer südlich von Ascension wieder gefüllt.

Kurz darauf bereitete sich Suadronleader Bob Tuxford, der den Tanker flog, darauf vor, die einzige noch verbliebene Victor aufzutanken. Doch genau in diesem Augenblick gab es neue Schwierigkeiten. Tuxford erinnerte sich: „Wenn es irgendwo ungünstiges Wetter gibt, dann trifft es einen sicher genau dann, wenn man gerade auftanken soll. Die kleine Formation befand sich in einem gewaltigen Sturm, dessen Wolken bis auf unsere Flughöhe von 31.000 Fuß (9450 Meter) reichten. Genau in dieser Höhe hätte das Auftankmanöver stattfinden sollen“. Aus seiner Vulcan heraus – einige hundert Meter rechts von den beiden Victors – beobachtete Flight Lieutenant Martin Withers seinen Kameraden Steve Biglands kurz hinter der Maschine von Tuxford.

„Wir hatten gewaltige Turbulenzen. Mal waren wir in den Wolkenspitzen, dann wieder außerhalb. Elmsfeuer tanzten nur so um das Cockpit. In dieser extremen Situation versuchte die Victor, Treibstoff aufzunehmen. Steve Biglands hatte deutlich erkennbar enorme Probleme. Wir konnten die beiden Flugzeuge gut beobachten und sahen den Schlauch mit Korb sich jeweils sechs Meter nach oben und unten schwingen..!“ Nach einer hervorragenden Flugleistung gelang es Biglands schließlich, den Stutzen in den Fangtrichter einzuführen. „Doch plötzlich gab Steve über Bordfunk durch, dass sein Stutzen gebrochen sei. Dies brachte uns in eine schlimme Situation“, erinnerte sich Tuxford.

Um den Einsatz fortzuführen, mussten Tuxford und Biglands die Rollen tauschen. Tuxford hatte sich hinter Biglands zu setzen und den gerade abgegebenen sowie zusätzlichen Treibstoff zu übernehmen, um die Vulcan für den Einsatz gegen Port Stanley versorgen zu können. Dieses Manöver brachte die Victors um einiges südlich über den geplanten Umkehrpunkt hinaus. Den beiden verbliebenen – Victor und Vulcan – blieb dadurch für die vor ihnen liegende Aufgabe nur noch wenig Treibstoff. Als Biglands seine Victor herumzog und nach Norden abdrehte, gab es immer noch ein Problem. Sollte das Ende des gebrochenen Tankstutzens nun in Tuxfords Betankungskupplung festsitzen, so wäre die Vulcan nicht mehr in der Lage, weiteren Treibstoff aufzunehmen.

„Das war genau zu dem Zeitpunkt, als wir uns dem Fangtrichter näherten“, erinnerte sich Withers. „Plötzlich hörten die Turbulenzen auf, und Tuxford sagte uns ganz ruhig, er rechne damit, dass das Stutzenende in seiner Betankungskupplung stecke. Er bat uns nachzusehen, und wir näherten uns daraufhin bis auf zwei Meter dem Fangtrichter. Als wir ihn mit Hilfe von Hughs Taschenlampe absuchten, konnten wir nichts entdecken; – er war absolut in Ordnung. Erleichtert führten wir unseren Stutzen ein und nahmen etwas Treibstoff auf, um ganz sicher zu sein.“ Es war ein enormer Schock, als eine halbe Stunde später mitten im letzten Auftankvorgang der Vulcan vor dem Ziel plötzlich und unerwartet an der Victor rote Kontrolllampen aufleuchteten.

Sie zeigten an, dass die Kerosinabgabe beendet war. Die Vulcan benötigte jedoch noch etwa 2750 Kilogramm Treibstoff. „Wir begannen früh mit dem letzten Auftanken, denn wir hatten noch ein ganzes Stück vor uns. Dann gingen plötzlich die grünen Kontrolleuchten aus und die roten an. Tuxford informierte uns über Funk, dass dies der gesamte Treibstoff sei, den er uns abgeben könnte. Ich versuchte, mit ihm zu diskutieren – die gesamte Formation war schließlich da, um mich zum Ziel zu bringen. Sein eigenes Treibstoffproblem konnte schließlich jemand anderes lösen. „Du musst uns mehr Treibstoff geben“, sagte ich zu ihm. A ber die Victor hatte bis jetzt schon selbst mehr verbraucht, als sie für den Rückflug benötigte.

Ohne ein zusätzliches Auftanken würde sie cirka 650 Kilometer vor Ascension ins Meer stürzen. „Wir hatten den Auftrag, von den Tankern mit vollen Tanks abzukoppeln. Da das nicht zutraf, war ich ohne weiteres ermächtigt, den Einsatz abzubrechen. Ich kam dann jedoch zu der Überzeugung, dass es wichtiger sei, das Ziel zu treffen, als die Maschine zurückzubringen. Der Stabschef der Luftwaffe hatte uns vor dem Start in Waddington besucht, und daher kannten wir die Bedeutung unserer Mission nur allzu gut. Meine vorrangige Aufgabe war es, das Ziel zu erreichen und zu zerstören – selbst wenn wir mit dem letzten Tropfen Kerosin ankämen.

Das Flugzeug selbst spielte eine untergeordnete Rolle – ich hatte früher schon mehrere Maschinen zur `Verschrottung´ überführt. Es war vorgesehen, den im voraus bestimmten Rendezvous-Sammelpunkt mit 9.000 Kilogramm Treibstoff zu erreichen. Bei einer Mindestmenge von 2750 Kilogramm hatten wir immer noch eine ausreichende Reserve. Es war beruhigend, die Vulcan gut oberhalb des genehmigten Minimums zu fliegen. Wir näherten uns der Insel mehr oder wenige auf Kurs und begannen mit dem Sinkflug ungefähr 465 Kilometer vor dem Ziel. Ohne die Luftbremsen einzusetzen, sanken wir mit 7,5 bis 12,5 m/sek bei einer Geschwindigkeit von 555 km/h und mit dem Schubleistungshebel in hinterster Stellung.

Etwa 370 Kilometer vor dem Ziel fingen wir die Maschine in 600 Meter ab. Während des Sinkflugs war die Geschwindigkeitsanzeige ausgefallen, das brachte zusätzliches Herzklopfen. Wir sanken schrittweise weiter und flogen 74 Kilometer vor dem Ziel noch in 300 Fuß (100 Meter) Höhe.“ Als das Ziel noch ungefähr 100 Kilometer entfernt war, aktivierte der Navigator und Radarspezialist der Vulcan das H2S-Bombenradar. Auch hier zeigten sich gewisse Startprobleme. Es vergingen einige bange Momente, bevor Flight Lieutenant Bob Wright das Radar unter Kontrolle brachte. Ohne korrekt arbeitendes Bombenradar ist ein exakter Angriff unmöglich. „75 Kilometer vor dem Ziel zogen wir die Maschine auf 150 Meter, um zu überprüfen, ob das Radar auch wirklich intakt war“, fuhr Withers fort.

„Sofort schaltete sich der passive Warnempfänger ein. Er gab in Zehn-Sekunden-Intervallen kurze, hohe Töne ab: Signale der in den USA gebauten Frühwarnradaranlage TPS-43 in Port Stanley. Die Antenne dort arbeitet mit sechs Umdrehungen in der Minute. Ich ließ die Signale eine Weile kommen, stellte das Gerät dann aber ab – sollte Hugh sich doch mit diesen Dingen beschäftigen. 55 Kilometer vor dem Ziel zogen wir die Maschine auf 10.000 Fuß (ca. 3.000 Meter) hoch, um sicher zu gehen, dass die Bomben mit ausreichend hoher Geschwindigkeit und Wucht die Landebahn trafen. Die Insel war durch die Wolkenlücken hindurch gerade noch zu erkennen.

Aber ich hatte mein Helmvisier geschlossen, da ich befürchtete, die Nachtsicht zu verlieren, sobald das erwartete Flak-Feuer einsetzte. Ich erwartete eigentlich eine Situation wie am 5. November 1981, als die Argentinier anfingen. Deshalb konzentrierte ich mich strikt auf das genaue Einhalten von Kurs und Höhe, während das Navigationsradar mit bestätigte, dass alles nach Plan lief. Dann erkannte ich die Ablagepunkte im Zielgebiet. Es war eine ruhige Nacht, und wir näherten uns dem Ziel. Alle Schaltungen waren abgeschlossen, als wir etwa 18 Kilometer vor dem Ziel die Bombenschächte öffneten. Ich erwartete Flak und aufsteigende Raketen – aber nichts passierte. Der AEO (Air Electronics Officer) meldete keine Aktivitäten irgendwelcher Luftverteidigungssysteme.“

In Wirklichkeit gingen Flight Lieutenant Hugh Prior wohl eine Menge an Gedanken durch den Kopf. Doch er entschloss sich, die Crew zu diesem kritischen Zeitpunkt nicht zu verunsichern. Als sich die Bombenschächte öffneten, hörte der AEO ein ganz typisches hohes Kratzgeräusch vom Radarwarnempfänger – ein Skyguard-Feuerkontrollradar versuchte, den bomber zu erfassen. Das Skyguard war an 35-mm-Oerlikon-Flugabwehrkanonen gekoppelt, deren Geschosse schnell die Höhe der Vulcan erreichen würden. Hugh drückte den Schaltknopf auf seinem Steuerpult, um den Störsender unter der Steuerbord-Tragfläche zu aktivieren, dann verschwanden die feindlichen Radarsignale.

„Ich hatte geplant“, berichtete Withers, „die Schubhebel unmittelbar nach dem Auslösen der Bomben bis zum Anschlag nach vorne zu schieben und die Maschine mit 1,8 g in eine linke Steilkurve zu ziehen. Als nichts passierte, atmete ich tief durch – ich empfand das wie einen plötzlichen Spannungsabfall. Die Bomben mussten bei einer Geschwindigkeit von 650 km/h 3.200 Meter vor dem Eintreffen über dem Ziel abgeworfen werden. Die Zeit zwischen dem ersten Bombenabwurf und der ersten Detonation betrug 20 Sekunden. Es dauerte fünf Sekunden, bis alle 21 Bomben abgeworfen waren. Als die ersten Bomben explodierten, befanden wir uns bereits seit 15 Sekunden in der Kurvenlage und hatten um 45 Grad nach Backbord abgedreht.“

Pete Taylor auf dem Sitz des Copiloten schaute nach links und erkannte durch die Wolkendecke 11 Kilometer westlich Port Stanley. Plötzlich wurden in viel geringerer Entfernung die Wolken über dem Flugplatz erleuchtet. Es sah aus, als ein ein starkes, aber flackerndes Licht hinter einer Milchglasscheibe eingeschaltet worden. Die Besatzung fühlte mehr, als sie es hörte, wie in der Entfernung die Explosionen aufeinander folgten. An Bord der Vulcan breitete sich – anders als bei den englischen Anrainern in Port Stanley, die den Angriff mitbekamen – keine Jubelstimmung aus. Die Anstrengungen der vorausgegangenen acht Stunden machten sich bei der Crew bemerkbar.

„Nach dem Angriff waren die Männer sehr ruhig, fast traurig. Wir hatten gerade einen Krieg begonnen. Es geschah alles außerordentlich kaltblütig, als wir uns dort morgens um 4:30 Uhr einschlichen, um unsere Bomben abzuwerfen“, kommentierte Martin Withers später, als alles vorbei war. Als der Bomber wieder in größere Höhe aufstieg – jedes Kilogramm Kerosin trägt ihn dort doppelt so weit wie im Tiefflug – bereitete Hugh Prior die Meldung an die Zentrale vor. Die Crew war sich einig darüber, dass der Einsatz erfolgreich verlaufen war, und so wurde das Codewort „Superfuse“ nach Ascension gemeldet. Als die ersten erfolgreichen Sea-Harrrier wieder zu ihren Flugzeugträgern zurückkehrten, tankte die Vulcan über der Küste Brasiliens Treibstoff nach. „Die verbliebenen vier Flugstunden bis Ascension waren etwas langweilig“, erinnerte sich Withers, „es kam uns so vor, als würde es ewig dauern“. Nach 16 Stunden Flug und dem längsten Bombeneinsatz der Geschichte landete die Vulcan sicher wieder in Wideawake.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 09/06/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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