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Zeitgeschichte in den Israel Nachrichten: Adolf Hitlers Dichterfürsten – eine Analyse

Im Jahre 1933 stand Goebbels vor einer schweren Aufgabe: Jahrelang hatte er seinen Anhängern und Lesern erzählt, dass „rotes Bonzentum“ und „jüdische Asphaltpresse“ die wahre deutsche Literatur unterdrückt hätten, wie der Phönix werde sie bei der nationalen Erhebung aus der Asche steigen. Jetzt brauchte Gobbels die neue Dichtung und hatte sie nicht. Im Jahre 1942 freilich, nach acht Jahren der Tyrannei, lief ein erklecklicher Haufen nationalsozialistischer Dichterlinge zusammen, wenn Goebbels sie zum Appell befahl, und es lohnte sich, aufzuzeichnen, wie und wo das Nazi-Großmaul Goebbels die Heroen der neuen Kunst aufgelesen hatte.

Reichspropaganda Minister Goebbels. Foto: US-Archiv

Was Goebbels zuerst brauchte, waren die „leuchtenden Vorbilder“. Und davon gab es wenigstens Einen: den Dietrich Eckhart. Der hatte zwar seine literarische Karriere mit einer Auswahl aus Heinrich Heines Lyrik – „für deutsche Mütter“ – begonnen, aber das ließ sich über seinem Spätwerk, betitelt „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin“ vergessen. Außerdem war er einer der frühesten Redakteure am „Völkischen Beobachter“, der Erfinder des sogenannten Kampfrufes „Deutschland erwache“, ein persönlicher Freund Hitlers, und da er im Jahre 1925, kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis gestorben war, ließ er sich leicht als politischer Märtyrer frisieren.

Der Dietrich Eckhart Kult nun reichte für Heimatabende der SA zwar aus, aber um die deutschen Schriftsteller für die Partei zu gewinnen, braucht man mehr, man brauchte den „Großen Bekehrten“. Goebbels, dereinst ein Hörer in in Friedrich Gundolfs Heidelberger Auditorium, versuchte die Reichsprophetie Stefan Georges auszunutzen. Das Glück schien ihm günstig: George starb im Sommer 1933 und die Partei schickte sich gerade an, ihn als den neuen Heros zu entdecken, als Georges Testament bekannt wurde; der Dichter wollte ohne Beteiligung öffentlicher Stellen und außerhalb Deutschlands bestattet werden – Goebbels blies die bereits befohlene George-Verehrung in aller Eile ab.

Statt dessen verfiel er auf den gleichfalls im Mai 1933 verstorbenen Paul Ernst, der nunmehr zum unverstandenen Vorläufer des „Dritten Reiches“ ernannt wurde. Zwar passte Ernst´s ästhetischer Klassizismus überhaupt nicht zur Naziterminologie, aber seine verschwommene „Reichsmystik“ und seine kirchenfremde Religiösität ließen sich immerhin verwenden, und sein Bruch mit den Sozialdemokratie, aus der er gekommen war, ließen ihn als „Großen Bekehrten“ geeignet erscheinen. Eckhart und Ernst – die Parolen waren da, aber wo blieben die neuen Dichter? Am einfachsten war es in der Lyrik. Da gab es in den eigenen Reihen Einen, der spottschlechte Verse machte: Baldur von Schirach, dessen Reimereien bei Heimabenden und Märschen gesungen werden mussten.

Damit war der Ton gefunden, und es war simpel, ihn nachzumachen. Sie konnten es alle. Die Zahl der Dichter von „Kampfliedern“ ist heute Legion. In der Romandichtung hatten die Nazis einen Dichter von Rang als Parteigenossen: Emil Strauss. Aber der alte Eigenbrödler, der aus Aversion gegen die Republik zu Hitler gestoßen war, schien ihnen suspekt, sie gaben ihm den „Adlerschild“, eine nicht von ihnen geschaffene Auszeichnung und ließen ihm im übrigen in Ruhe. Dafür begannen die Nazis eine Art Literatur zu pflegen, die in der Presse gemeinhin durch den Satz „schlechter Bericht“ gekennzeichnet wurde, eine höfliche Umschreibung dafür, dass die Autoren persönliche Erlebnisse ungeformt und in schlechtem Stil vortrugen.

Aber – die Auflageziffern der Verlage sprechen eine unbarmherzige Sprache – niemand wollte das Gewäsch lesen, und deshalb ernannte man kurzerhand ein paar der Partei treu ergebene Verfasser jämmerlicher Unterhaltungsromane zu deutschen „Nationaldichtern.“ Das Prinzip war einfach! Die alte Frage: Kriegen sie sich am Ende doch nicht? wurde in bäuerliches Gewand gekleidet, die Vokabel „herb“ oft missbraucht und am Ende hält sich das Paar an den Händen, „während draußen die braunen Battaillone marschieren“. So stand an der Spitze des Kataloges des offiziellen Hitler-Verlages Eher für Jahre das Buch: „Barb, die Geschicht einer deutschen Frau“, von dem allein im Jahre 1933 über 200.000 Exemplare verkauft wurden.

Auch die alte Gräfin Editha Salburg, mit ihren 800 Seiten langen Manuskriptes, durch Jahrzehnte der Schrecken eines jeden deutschen Verlagslektors, wurdee nun für das deutsche Volk entdeckt. Bei einem derart in die Augen fallenden Mangel an genuinem Nazi-Lesestoff schöpften naturgemäß geschickte Routiniers die Sahne ab. Kurt Schenzinger bedachte die deutschen „Volksgenossen“ mit dem Roman vom Hitlerjungen Quex, der, ach, so tapfer ist und von den bösen Kommunisten erschossen wird, und Wilfried Bade, der sich 27-jährig mit zwei kriecherischen Lobschriften auf seinen Herrn und Meister einen Posten im Propagandaministerium kaufte, nutzte seine junge Macht, um der am besten zahlenden deutschen Wochenschrift, der „Berliner Illustrierten“, seine seichten Unterhaltungsromane „Thiele findet seinen Vater“ und „Gloria über der Welt“ aufzuzwingen.

Auch Maxim Ziese, einer jungen Hoffnung der Partei, fiel kein anderer Roman ein als der, der unter dem kämpferischen Titel „Bitte, bitte, heirate mich“ erschien und als Schilderung „eines brennenden Zeitproblems mit glücklichem Ausgang“ angepriesen wurde. Die Summe aus all dem ergab: die Nazis hatten keinen ursprünglichen „Roman der Bewegung.“ Aber sie hatte ja einen Dramatiker, Hanns Jobst, einst eine Hoffnung expressionistischer Bühnenkunst, einen Mann, der früh auf Hitler gestoßen war und der demgemäß 1933/34 die Spielpläne der deutschen Bühnen mit seinen Dramen „Schlageter“ und „Thomas Paine“ beherrschte.

Aber die Nazis hatten Pech mit Jobst. Sie machten ihn zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Dichtung und der Reichschrifttumskammer und sie rieben ihn im Hin und Her politischer Intrigen auf. Schlimmer noch: Im Gange der Überorganisation geschah es, dass die deutschen Volksbüchereien im Jahre 1934 den neuen Roman des Herrn Präsidenten „So gehen sie hin“ als „reaktionär, und nicht tragbar“ vom Leihverkehr ausschlossen. Selbst Jobst´s Reisebuch „Gesicht und Maske“ wurde nur mehr ein lauwarmer Empfang zuteil. Außerdem gab es freilich Graff und Müller, die sich zur Leitern der Theaterabteilung im Propagandaministerium ernennen ließen, weshalb gehorsame Intendanten ihre Dramen gehorsam aufführten.

Sigmund Graff sonnte sich in dem Ruhm, Mitverfasser des Kriegsstückes „Die endlose Straße“ zu sein, dessen Hauptautor C.E. Hintze jung gestorben war. Graffs Anteil an diesem Drama lässt sich aus der Güte der später von ihm allein verfassten Machwerke leicht ablesen. Eberhard Wolfgang Müller war ein gewandter Vielschreiber mit einem guten Näschen für Publikumsbedürfnisse. 1929 schrieb er ein Kriegsstück, in der Zeit der wirtschaftlichen Depression wartete er mit einem Schauspiel über den Panamaskandal („Lesseps“) auf und schrieb ein antikapitalistisches Stück um Suter, dem er, um sich nach allen Seiten zu decken, ein antikommunistisches Stück folgen ließ, 1932 fand er zu den Nazis und arbeitete eine historische Anekdote, die er für den Rundfunk geschrieben hatte, zu dem antisemitischen Schauspiel „Rothschild siegt bei Waterloo“ um.

Und dann landete er beim „Frankenburger Hörspiel“, einem Mischwerk zwischen Drama und jenem ehorischen „Thingspiel“, das die Nazis aus den Sprechchören der Arbeiter-Bewegung entwickelten. Aber all das war nicht viel. Und weil mit den „Dichtern der Bewegung“ kein Staat zu machen war, wandte sich Goebbels an die Überläufer. Um aus den Reihen der Zögernden Hilfstruppen zu gewinnen, gab es ein einfaches Mittel: Zuckerbrot und Peitsche! Das alte Mittel wirkte – sie kamen in hellen Haufen und entdeckten plötzlich, „dass sie mit dem Herzen ja eigentlich schon immer dabei gewesen“ seien! Es war ein beschämendes Schauspiel zuzusehen, wie sie kompangnieweise Kotau machten, zynisch die Einen, mit einem nebulosen Wortschwall entschuldigenden Weltanschauungsgeschwätzes die Anderen.

Und recht schnell bildete sich ein „Idealtypus“ heraus: der dichterische Volksschullehrer. Es gab aber auch Oberlehrer dabei, Amtsrichter, Bibliothekare, Redakteure -. Volksschullehrer stand hier nicht für einen ehrenwerten Beruf, sondern für eine bestimmte Haltung, mit der nach einem Worte Bismarcks die Schlacht bei Königsgrätz gewonnen – und seither jede Schlacht in geistigen Gefilden verloren worden ist. Es waren die „nationalliberalen“ Romanschreiber, die treuen Diener ihres jeweiligen Herren, die im Jahre 1918 Sozialdemokraten wurden, sich dann nacheinander für bewaffneten Widerstand an der Ruhr, für Stresemann und Hindenburg begeisterten, sich zu Ortsgruppen-Vorsitzenden des „Vereins für das Deutschtum im Auslande“ wählen ließen und bei Festreden am Tag der Republik im Schmuck des Eisernen Kreuzes vom Fronterlebnis sprachen. Die meisten Vokabeln der Nazis kannten sie schon, es bedurfte hier nur eines Kurses für „Fortgeschrittene“, in dem sie ihre Furcht vor „revolutionärem Elan“ verloren, aktiven Antisemitismus und „Volksgemeinschaft“ lernten – sie hatten, sich kaum geändert und waren doch plötzlich richtig braun. Ihre Namen wurden Legion, und der Typus invariabel.

Zu welchen „Schriftstellern“ man mich zu zählen hat, kann ich nicht beantworten. Nur eines hat mir zu schaffen gemacht: Mein „Roman“ interessierte nur wenige Menschen; – dabei bin ich doch kein „Volksschullehrer“. In diesem Sinne: Ein Gruß an die Leserschaft.

Von Rolf von Ameln

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Von am 02/10/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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