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Zum Tod von Frau Univ.-Professor Dr. Sarina Ionescu aus Bukarest

Gerne hätte ich mich mit ihr weiter unterhalten

Vor vielen Jahren sollte meine Ausstellung „Schillers Orte und Landschaften“ im Schillerhaus in Bukarest gezeigt werden. Hedy, meine alte Freundin in Haifa wusste davon, sie wohnte ja über dreißig Jahre in Rumänien, in Ploiesti, seit 1982 in Haifa. Ein Telefonat von Haifa nach Bukarest fand statt, beim abendlichen Skype von einem der Haifaer Hügel in die hügellose Kantstraße in Berlin erfuhr ich von Hedy, dass ich bei ihrer Freundin Sasa in Bukarest im Stadtteil Floreasca wohnen würde. Klar, was sie organisierte wurde umgesetzt!

Eingang zum Sephardischen Friedhof Bukarest, Rumänien. Foto: Wollmann-Fiedler

Vom Flughafen in Otopeni wurde ich von Frau Professor Sarina Ionescu persönlich abgeholt, durch die unterschiedlichen Quartiere der mir fremden Stadt fuhr sie mich mit vielen Informationen bis in die Str. Bizet. Alle Tage kümmerte ich mich um meine Ausstellung und begann Bukarest kennenzulernen. Über Bukarest, die Historie Rumäniens, das eigentlich kaum noch vorhandene Jüdische Leben in dem Balkanland, über ihren Beruf als Chemikerin und ihre Zeit in Asien erfuhr ich von meiner Gastgeberin während unserer intensiven abendlichen Unterhaltungen. Im Auftrag der UNO wurde ihr Ehemann für einige Jahre (?) während der Ceaucescu Administration nach Asien gesandt. Von dort aus bereiste Sarina west- und nordeuropäische Länder, auch die USA und Afrika u.a. Das Ehepaar Ionescu kam zurück nach Bukarest und nach der Revolution in Rumänien 1989 trennte sich das Ehepaar nach sechzig Jahren, für Sasa eine schlimme Erfahrung. Über die jüdische Kultur damals in der Bukowina erzählte sie, kam wie alle Bukowiner ins Schwärmen, alljährlich reiste sie für Wochen nach Kimpolung. Meine Wissbegier war groß, Sarina (Sasa) Ionescu eine hochgebildete Frau, eine Chemieprofessorin.

Zusammen reisten wir damals nach Ploiesti und Boldesti ins Petrolgebiet, nördlich von Bukarest. Sasa zeigte mir die ehemaligen Domizile von Hedy und ihrer Familie in beiden Orten, auch die Synagoge, stellte mir ihre Verwandten vor und schließlich fuhren wir vorbei an Öltürmen durch die Weingärten dieser hügeligen Landschaft, die sie und auch Hedy sehr liebten. Auch Sarina Ionescu hatte Jahre in Ploiesti als Chemieprofessorin in einem Erdölinstitut gearbeitet. In den 1930iger Jahren haben sich die beiden Mädchen, Hedy Langhaus aus Czernowitz und Sarina Feyer aus Kimpolung kennengelernt und während der Sommerfrische alljährlich wiedergesehen bis der 2. Weltkrieg begann. Über achtzig Jahre dauerte die Freundschaft bereits, an der ich teilnehmen durfte. Über eine gemeinsame Reise nach Kimpolung haben wir oft gesprochen.

In einem kleinen Ort bei Kimpolung im südlichen Teil der Bukowina wurde sie als Sarina Feyer 1930 geboren, wuchs als einziges Kind in einer wohlhabenden Familie auf und wurde 1941 mit den Eltern und Großeltern nach Transnistrien deportiert, wie so viele Bukowiner und Bessarabische Juden. Vom Sammelpunkt aus ging der Transport mit einem vorgeschriebenen Stück Handgepäck pro Person in Viehwaggons nach Transnistrien. In die Häuser von Heim ins Reich geholten deutschen Familien und bereits umgebrachten oder verschollenen Jüdischen Familien, wurden sie gepfercht, ohne hygienische Versorgung, Essen oder wärmende Öfen, einfach unmenschlich mussten sie hausen. Erschießungen fanden in der Umgebung alltäglich und allnächtlich statt, andere Deportierte starben an Typhus, verhungerten oder konnten die Schwerstarbeit körperlich nicht ertragen. Juden waren für die Nachbarn zum Freiwild geworden. Der Vater von Sasa begann mit den Wärtern zu feilschen, gab Geld für ein wenig Essen. Die Familie überlebte, kam 1944 in die Südbukowina zurück. Ihr Haus war inzwischen von anderen bewohnt, ihr Hab und Gut über alle Berge.

Erst nach der Öffnung der Grenzen im Jahr 1989 durfte in Rumänien über den schrecklichen Leidensweg der Juden und auch über die Deportationen nach Transnistrien gesprochen werden, wie mir Sasa erzählte. Im Jahr 2000 bereits machte sich Sarina Ionescu auf den Weg ins ehemalige Transnistrien, wo schreckliches Unheil passierte, um den Schauplatz ihrer Kindheit wieder zu sehen. Unerschrocken und mutig war Sarina Ionescu.

Sephardischer Friedhof Bukarest, Rumänien. Foto: Wollmann-Fiedler

Für Holocaustüberlebende war sie durchsetzend unterwegs, setzte sich für deren Rechte ein und kämpfte beim Rumänischen Staat um Anerkennung und Rentenzahlungen. In der Organisation B’nai Brith, in der Jüdischen Gemeinde und im Altenheim in Bukarest engagierte sie sich, zu Zeitzeugengesprächen wurde sie eingeladen, Verwandte in Israel und Deutschland besuchte sie. Für die „Zigeuner“ hatte sie ein übergroßes Herz, erzählte von deren Leid in Transnistrien und die Nicht Anerkennung durch den Staat.

Vor Jahren bekamen Sarina Feyer-Ionescu und andere Überlebende im Palatul Cotroceni, dem ehemaligen Königspalast, vom damaligen Staatspräsidenten Traian Basescu die höchste Rumänische Auszeichnung, den Orden „Stern von Rumänien“, überreicht, der 1877 von Fürst Carol I. gestiftet wurde. Eine frühere Auszeichnung erhielt sie als anerkannte Chemikerin.

Alljährlich besuchte ich Sarina Feyer-Ionescu in der Bizet. Ihre Wohnung konnte sie schon seit längerer Zeit nicht mehr verlassen. Im Oktober 2017 telefonierte ich von Sibiu aus mit ihr, erzählte von meinen bevorstehenden Tagen in Bukarest und meinem Wunsch, sie zu sehen. Freude war zu vernehmen. Ihr Telefon verstummte bereits im November, das Wiedersehen fand nicht mehr statt. Sarina Ionescu starb im Januar 2018 und wurde auf dem Sephardischen Friedhof in Bukarest beerdigt.

Ich denke an Sasa, ihren Mut und ihre Unerschrockenheit, ihre Bescheidenheit, ihr ruhiges und kluges Agieren und denke gerne an unsere wunderbaren Gespräche.

Von Christel Wollmann-Fiedler

 

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Von am 16/02/2018. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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