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Wider das Vergessen: Das Regime der Nationalsozialisten und die Konzentrationslager; – Auschwitz, Hölle auf Erden 5. Folge

Ende Februar des Jahres 1942 bereitete sich Auschwitz auf den Massenzustrom von Frauen vor, die in Himmler, dem „Reichsführer SS und Chef der Polizei“ in die Pläne zur Deportation einbezogen waren. Heinrich Himmler wandte sich an „seine hauseigenen Experten“ für Fraueninternierung in Ravensbrück. Das Lager selbst besuchte er am 3. März 1942 und besprach sich am darauf folgenden Tag mit Pohl, was hektische Aktivitäten hervorruf. Am 10. März 1942 beorderte die Inspektion der Konzentrationslager zwei Auschwitzer SS-Offiziere nach Ravensbrück, „um den Betrieb eines Frauenkonzentrationslager kennen zu lernen!“ Wenig später reiste Johanna Langenfeld, die Oberaufseherin von Ravensbrück, in die entgegengesetzte Richtung, um die Leitung der neuen Frauenabteilung in Auschwitz zu übernehmen; – ihr folgten mehr als ein Dutzend SS-Aufseherinnen aus Ravensbrück. Als Langenfeld ankam, bereitete die Auschwitzer SS den neuen Bereich der Frauen für Frauen bereits vor, am Anfang in den Blocks 1 bis zehn des Stammlagers, und auf Höß Befehl hin wurde in aller Eile eine Mauer errichtet, um die Frauen von den Männern zu trennen. So war der Weg frei für den riesigen Zuwachs an weiblichen Häftlingen während der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkrieges.

Der Ort der Bestimmung: Auschwitz

Ende März des Jahres 1942 begannen die ersten Massendeportationen von Juden nach Auschwitz. Der erste „Reichssicherheitshauptamt-Zug“ mit 999 Frauen aus der Slowakei kam am 26. März an; der nächste Transport aus der Slowakei mit weiteren 798 Frauen traf zwei Tage später ein. Dann jedoch, am 30. März, hielt der erste Massentransport aus Frankreich mit mehr als 1.100 Männern in der Nähe des Lagers. Die Männer in den Viehwaggons waren mehrere Tage zuvor losgefahren, eingepfercht in die Waggons und kaum versorgt mit Essen und Trinken; etliche überlebten die Fahrt nicht! Vorher hatte man ihnen bedeutet, dass sie zur Schwerarbeit in den Osten eingesetzt würden.

Deportation von Juden durch die Deutsche Reichsbahn. Foto Archiv

In Auschwitz jedoch marschierten sie in Fünferreihen zum Stammlager, vorwärts getrieben von den Knüppeln der SS-Schergen.Im Lager waren sie weiterer Gewalt ausgesetzt, – darunter ihre erste „Kostprobe von SS-Sport“, – und erhielten eine armselige Essensration. Bereits am nächsten Tag mussten sie sich wieder in Bewegung setzen. Umzingelt von berittener SS marschierten sie im Laufschritt nach Birkenau, ihre Holzschuhe durch den sumpfigen Boden schleifend. Am Tor der neuen Umzäunung erwarteten sie mit Knüppeln bewaffnete SS-Männer und Kapos. Etliche Häftlinge wurden mit den Knüppeln gleich totgeschlagen, so dass die Nächsten, ins Innere des Lagers laufend, über sie hinweg springen mussten.

Hier versammelten sie sich zu ihrem ersten Appell in Birkenau, blutend, erschöpft und verängstigt, ihre neuen „Uniformen“ voll Schlamm. Mit diesen Uniformen hatte es eine besondere Bewandtnis. So wie die Slowakinnen, die vor ein paar Tagen Auschwitz erreicht hatten, trugen die jüdischen Männer aus Frankreich die Kleidung der getöteten russischen Kriegsgefangenen. Die Lager-SS betrachtete das wohl als eine zweckdienliche Lösung des permanenten Kleidermangels. Aber es symbolisierte auch das Schicksal der Neuankömmlinge. Sie waren nach Auschwitz gekommen, um die Kriegsgefangenen zu ersetzen, und wie diese würden sie auch bald tot sein.

Diese Symbolik blieb den jüdischen Häftlingen nicht verborgen, die vom Schicksal der Kriegsgefangenen erfuhren; es gab sogar – das nicht überlieferte Gerücht – dass Tausende Soldaten direkt unter den Baracken von Birkenau begraben lägen, die jetzt den jüdischen Männer Obdach boten. Im Frühling des Jahres 1942 war Auschwitz noch lnge nicht zur „Hauptstadt des Holocaust“ geworden. Zwar war das Lager nun ein Teil des anlaufenden gesamteuropäischen Vernichtungsprogramms, aber die Zahl der jüdischen Häftlinge lag immer noch weit unter den Größenordnungen, die Himmler Ende Januar angekündigt hatte. Bis Ende Juni 1942, als die „Reichssicherheitshautamt-Deportationen“ seit drei Monaten in Gang waren, hatten sechzehn Transporte aus Frankreich und der Slowakei nicht mehr als 16.000 Juden nach Auschwitz verbracht.

Auch sollte n o c h keiner dieser Häftlinge bereits bei der Ankunft umgebracht werden. Sie waren als Zwangsarbeiter vorgesehen, und die Auschwitzer SS-Besatzung sollte eine Minimalversorgung bereitstellen. Man kann nur vermuten, dass die Inspektoren der Konzentrationslager eine Wiederholung des rapiden Sterbens der russischen Kriegsgefangenen zu vermeiden suchten – bereits einige Monate früher hatte Liebehenschel die Kommandanten daran erinnert, dass alles getan werden muss, um die Arbeitsfähigkeit der Juden zu erhalten! Die Wirklichkeit jedoch sah ganz anders aus. Auch wenn Auschwitz noch kein voll entwickeltes Vernichtungslager war, war es für die Juden bereits tödlich; es ist wahrscheinlich, dass zwei Drittel oder mehr aller jüdischen Häftlinge, die von Frühjahr bis zum Sommer 1942 neu registriert wurden, innerhalb von nur acht Wochen vom Leben in den Tod befördert wurden.

Einige „Reichssicherheitstransporte'“ wurden fast völlig ausgelöscht; – drei Monate nach ihrer Ankunft am 19. April 1942 waren nur 17 der 464 männlichen Juden aus dem Transitlager Zilina (Slowakei) noch am Leben. Unter den Toten waren auch einige Jungen, denn die slowakischen Behörden hatten begonnen, ganze Familien zu deportieren; das jüngste Opfer war gerade mal sieben Jahre alt! Die jüdischen Männer litten in Birkenau unter trostlosen Bedingungen, tödlicher Gewalt und mörderischer Arbeit. Die dort ansässige SS betrachtete Birkenau als ein Lager für die zum Sterben verdammten und leitete während des Frühjahrs einen riesigen Todesstrom. Das Lager war immer noch im Bau, und nur wenige der primitiven Baracken waren fertiggestellt.

Alles war verkrustet von Exkrementen und Schmutz, und es fehlte selbst die elementarste Ausstattung, ebenso wie an Medikamenten und Nahrung. Viele jüdische Männer wurden in den Bau der Lager gezwungen, obgleich es auch viele sinnlose Arbeit gab. Häftlinge, die diese Härten überlebten, wurden totgeschlagen, erschossen oder auf andere Art und Weise ermordet. Selektionen schwacher und unproduktiver Insassen begann in Birkenau gegen Anfang des Monat August 1942. Rund drei Kilometer entfernt im Stammlager Auschwitz erwartete jüdische Frauen im Sommer 1942 gleichfalls ein schreckliches Schicksal. Sie bildeten die große Mehrheit der Häftlinge im neuen Frauenlager, das rasch an Zuwachs zunahm. Provisorisch von der Ravensbrücker Verwaltung geführt, – erst im Juli 1942 wurde es organisatorisch in den Auschwitz-Komplex eingegliedert -, überflügelte es bald sein „Mutterlager“.

Ende April 1942 waren bereits über 6.700 Frauen in Auschwitz inhaftiert, im Vergleich zu etwa 5.800 in Ravensbrück; innerhalb eines Monats war Ravensbrück von der hastig improvisierten Anlage in Auschwitz überholt worden – ein frühes Zeichen für die Auswirkungen des Holocaust auf das gesamte SS-Lagersystem. Mehr und mehr weibliche Häftlinge trafen über die kommenden Monate ein, bis der Auschwitzer Frauenbereich hoffnungslos überfüllt war. Die SS ließ zusätzliche Holzbaracken errichten, die zwischen die alten steinernen hinein gezwängt wurden. Das Frauenlager war eine sanitäre Katastrophe: Ruhr, Lungenentzündung und offene Wunden waren weit verbreitet, und auch das Fleckfieber nahm rapide zu, ebenso wie Verletzungen während der Schwerstarbeit in der Landwirtschaft und auf den Baustellen.

Viele kranke und schwache Frauen wurden zur Vernichtung ausgesondert; etliche wurden ins Gas geschickt, anderen wieder wurde Phenol gespritzt. Der Massentod von Frauen in Auschwitz war in der Geschichte der Konzentrationslager ohne Beispiel. Zu diesem Zeitpunkt, da die überlebenden Frauen im August 1942 in den neuen Abschnitt B1a in Birkenau verlegt wurden, war etwa ein Drittel der 15.000 bis 17.000 Frauen, die man seit März in das Stammlager gezwungen hatte zu leben bereits tot.

In der nächsten Ausgabe erfährt die geneigte Leserschaft der Israel Nachrichten etwas über ein regionales Tötungszentrum!

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 26/10/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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