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Wie die Nazi-Presse das deutsche Volk stärker an die Staatsmacht bindet: „Kraft durch Freude“

 

Mit unüberbietbaren Lobgesängen feiert „Die Tageszeitung der Deutschen Arbeitsfront“, „Der Deutsche“, die erste Bühnenaufführung der beliebten Freizeitorganisation des nationalsozialistischen Systems „Kraft durch Freude“. Das Stück „Die Räuber“ im „Theater des Volkes“ habe „auch die kühnsten Erwartungen übertroffen.

"Der Deutsche", Ausgabe von Sonnabend, 20. Januar 1934. Foto: Archiv/RvAmeln

„Der Deutsche“, Ausgabe von Sonnabend, 20. Januar 1934. Foto: Archiv/RvAmeln

Mit ihrer Aufmachung folgt die Zeitung dem obersten Ziel ihrer Organisation, der Deutschen Arbeitsfront (DAF): der Arbeiterschaft den Zugang zu Kultur, Urlaub und Sozialleistung zu ermöglichen und ihr damit das Gefühl zu geben, dem „Bildungsbürger“ gleichgestellt zu sein. Die Zeitung ist voll von Verlautbarungen der Deutschen Arbeitsfront – allerdings konzentrierten sich die Nachrichten stark auf Freizeitangebote. Politisches, wie das „Gesetz zur nationalen Arbeit“ wird eher nur am Rande erwähnt. So sind von den zwölf Seiten der Ausgabe vom 20. Januar 1934 allein sieben Seiten der Unterhaltung gewidmet. Es geht um Veranstaltungen der Organisation „Kraft durch Freude“ (KDF) in Stuttgart, Ludwigshafen und Pommern, um die erste KDF-Urlaubsreise, mit der verdiente Berliner Arbeiter „die Großartigkeit der oberbayrischen Alpenwelt“ erleben dürfen und um ein Porträt des Dichters vom Deutschlandlied, von Fallersleben. Darüber gibt es Kurzgeschichten und viele Veranstaltungshinweise.

 

All das passt zur Strategie der DAF nach dem Januar 1933. Leiter und Alkoholiker Robert Ley musste sich nach heillosem Kompetenzgerangel geschlagen geben, seine DAF hatte durch den Einsatz  von Treuhändern aus dem Reichsarbeitsministerium in Betrieben nur noch beratende Funktion.  Daher konzentrierte man sich auf die im November 1933 gegründete Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“, die den Arbeitern im Alltag und Freizeit begleitete. Urlaub, Weiterbildung, Kulturerlebnisse, Vereinssport, Ausflüge – durch die KDF erlebten viele Arbeiter erstmals solche modernen Freizeitvergnügungen der Massenzivilisaton. Auf der Titelseite von „Der Deutsche“ findet allerdings in dieser Ausgabe auch üble Hetze gegen das „wesensfremde Literatentum“ statt. Namentlich werden Georg Bernhard, Alfred Kerr, Hellmut von Gerlach und Kurt Tucholsky erwähnt, die alle auf der ersten „Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs“ von 1933 standen und das Land verlassen mussten.

 

Die Hetze stammt aus der Feder von Alfred-Ingemar Berndt, dem Stellvertreter des Reichspressechefs der NSDAP, Otto Dietrich, und Hauptschriftleiter des Deutschen Nachrichtenbüros (DNB), das er bereits erfolgreich vom Wolffschen Telegraphenbüro in eine stramm nationalsozialistische Agenur umgewandelt hatte. Er bezeichnet die prominenten Theaterkritiker, Journalisten und Schriftsteller als „Kreaturen, die niemals die Süße des Wortes `Heimat´ verspürt haben“ und schwört seine Leser auf einen ganz eigenen Begriff von geistiger Freiheit ein: „Wir kennen nur eine Freiheit auf dem Boden von Volk und Staat, nur eine Freiheit, die sich der Verantwortung gegenüber der Nation bewusst ist..!“ Und weiter: „Innerhalb dieses Freiheitsbegriffs gibt es schließlich genügend Spielraum für weltanschauliche Erörterungen!“ Berndt scheint seine Sache auch in den folgenden Jahren exzellent gemacht zu haben: Auf Wunsch von Josef Goebbels übernimmt er im Jahre 1938 die Abteilung Schrifttum im Propagandaministerium, die unter anderem die Zensur der Literatur und die ideologische Überwachung von Schriftstellern zur Aufgabe hat. Berndt starb, so soll überliefert sein, bei einem Tieffliegerangriff in Ungarn im März des Jahres 1945. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden viele seiner Schriften in der sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.

Werbeplakat der Organisation "Kraft durch Freude". Foto: Archiv/RvAmeln

Werbeplakat der Organisation „Kraft durch Freude“. Foto: Archiv/RvAmeln

Wichtig erscheint auch ein Bericht: Die Frage der Saarabstimmung vor dem Völerbundsrat. Es handelt sich- um die Sprachformeln des NS-Regimes zu beschreiben – um einen „Eigenen Drahtbericht“.

Genf, 19. Januar. Der Völerbundsrat wird heute nachmittag in Genf mit der Beratung der Saarfrage beginnen. Bisher steht es noch nicht fest, ob diese Frage in der Nachmittagssitzung bereits endgültig abgeschlossen oder ob die Aussprache morgen vormittag fortgesetzt wird. Zur Vorbereitung der Saarabstimmung soll ein Ratsausschuß von drei bis fünf Mitgliedern ernannt werden. Darüber hinaus besteht jedoch eine starke französische Tendenz, die Gelegenheit zu einer öffentlichen großen Debatte über die gegenwärtige Lage im Saargebiet zu benutzen. Präsident Knor soll zunächst sprechen und anschließend Paul-Boncour und vielleicht auch der englische Außenminister Simon das Wort ergreifen. Die Engländer sind jedoch von dieser Aussicht nicht sehr erfreut und geben zu verstehen, daß sie am liebsten gar keine Debatte dieser Art möchten, und auf jeden Fall, wenn sie reden müßten, nur kurz sprechen würden. Der Ratspräsident Beck hat heute morgen die Delegation der deutschen Front des Saagebiets empfangen. Der englische Außenminister, Sir John Simon hat heute vormittag seinen französischen Kollegen Paul-Boncour einen ersten längeren Besuch abgestattet, nachdem beide gestern abend bei Gelegenheit des vom Ratspräsidenten Beck veranstalteten Ratsdiners bereits miteinander gesprochen hatten. Bei diesem englisch-französischen Gespräch soll die Abrüstungsfrage im Mittelpunkt gestanden haben.

Sir John Simon traf heute vormittag sodann mit dem italienischen Vertreter, Baron Aloisi, zusammen, der seinerseits auch mit Paul-Boncour verhandelte. Man glaubt, daß sich die Unterhaltung zwischen Paul-Boncour und Aloisi zwar auch um die Abrüstungsfrage, hauptsächlich jedoch um das Saar-Problem und um die Frage Österreichs gedreht habe. Daß sogenannte Kleine Büro der Abrüstungskonferenz, daß aus Henderson, Benesch, Politis und Avenol besteht, ist ebenfalls auf heute nachmittag einberufen worden. Was in diesem Büro geschehen wird, ist gegenwärtig noch völlig unklar, denn in der Situation der Abrüstungsfrage hat sich während der ganzen Ratssitzung noch nicht das mindeste geändert. Der heutige Freitag in Genf wird also ein regsamer Tag werden.

 

Im Innenteil konnte man es sich jedoch nicht verkneifen, zu schreiben: „Nur nichtjüdische Arbeitnehmer dürfen der Organisation Kraft durch Freude beitreten!“

 

Und was mit dem Saargebiet und Österreich wenige Zeit später geschah, ist noch in bester Erinnerung.

 

Von Rolf von Ameln

 

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

 

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Von am 28/04/2014. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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