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Das Kunstverständnis der Nazis – Heroisch und idyllisch: Wald-, Feld- und Wiesenmalerei

Nur einen Tag vor der Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ wurde am 18. Juli 1937 als Gegenausstellung die „Große Deutsche Kunstausstellung“, ebenfalls in München, im dafür eigens von Paul Ludwig Troost errichteten „Haus der Deutschen Kunst“ eröffnet. Der Kunstbegriff der Nazis war bestens dazu geeignet, die Philosophie dieses Systems ebenso wie dessen Widersprüche aufzuzeigen. Das Regime bot eine dualistisch vereinfachte Weltsicht an: Das „Wir“ der gleichgeschalteten „Volksgemeinschaft“ auf der einen Seite, das ausgegrenzte und zu vernichtende „Ihr“ auf der anderen Seite, charakterisiert als jüdisch, bolschewistisch oder „entartet“.

Ausstellung „Entartete Kunst“. Foto: Archiv

So wie in fast allen Bereichen des Nazi-Regimes fand sich auch im Kunstbetrieb die biologisch-rassische Komponente, ganz nach Hitlers Aussage „Das Gebot unserer Schönheit soll immer heißen Gesundheit“. Umso wichtiger war den Nazis die Darstellung ihres Gesellschaftsmodells, die Abbildung der „Herrenrasse“ und die Vorstellung des „Volkskörpers“. Wie so oft im Nationalsozialismus war es auch in der Kunst einfacher zu definieren, was „artfremd“ war, als festzulegen, was als deutsch und systemkonform zu gelten hatte. So stritten etwa Josef Goebbels und Alfred Rosenberg, die beiden einflussreichsten Nazi-Propagandisten, viele Jahre lang um diesen Code der Deutung.

Während Goebbels bis in das Jahr 1935 hinein den Expressionismus als „nordisch-germanische Kunst“ verteidigte, lehnte Rosenberg diese Kunstrichtung schon immer als „undeutsch“ ab. Erst nachdem Goebbels wegen des antimodernen Kunstgeschmacks des „Führers“ um seinen Einfluss fürchtete, schwenkte auch er um. Die Teilnahme an der „Großen Deutschen Kunstschau“ war fast unverzichtbar für die Karriere eines Künstlers im Staate der Nazis. In der Kunstschau wurde nun gezeigt, was die Nationalsozialisten unter „Staatskunst“ verstanden. „Schönheit, Reinheit und Einheit“ prägten das Bild, Akte, Porträts, Stilleben, Landschaften, Tierbilder, Handwerker, Bauern- und Dorfszenen – von den Kritikern als „Wald-, Feld- und Wiesenmalerei“ verspottet – wurden gezeigt.

Dies waren unter anderem Werke von Josef Thorak, Fritz Koelle, und vielen anderen mehr. Der offizielle Charakter der Ausstellung wurde auch dadurch unterstrichen, dass Adolf Hitler, der verhinderte „Kunstmaler“, persönlich die Eröffnung der Ausstellung vornahm. Viele Bilder dieser Zeit zeigen Kriegs- und Kampfszenen, ebenso wie die für die NS-Inszenierung so wichtigen Aufmärsche, Kolonnen und Massenkundgebungen. Im Mittelpunkt der Bilderwelt der Nazis stand aber der Akt. Der menschliche Körper wurde idealisiert, zugleich aber pornographisch-konkret abgebildet; diese Aktbilder hoben sich damit deutlich von antiken Darstellungen ab und können eindeutig als zeitgenössisch definiert werden. Viele Kunstwerke heroisieren die germanische Vergangenheit und feierten die angeblich vielversprechende Zukunft des deutschen Volkes unter nationalsozialistischer Führung.

Zugleich idealisierten sie das vorindustrielle Kleinbauerntum, blendeten jedoch die industrielle Gegenwart weitgehend aus. Sieben weitere derartige Ausstellungen unter der fachlichen Leitung von Hitlers Haus- und Hof-Fotografen Heinrich Hoffmann sollten bis in das Jahr 1944 hinein folgen und damit der Provinzialität zu Triumphen verhelfen. Dazu passte aber auch, dass Goebbels ab dem Herbst des Jahres 1936 die – als jüdisch diffamierte – Kunstkritik verbot und im Frühjahr 1937 durch „Kunstbetrachtung“ ersetzte, die „weniger Wertung als Darstellung und damit Würdigung sein“ sollte. Werke aller Kunstgattungen konnten nur noch von Schriftleitern besprochen werden, „die mit Lauterkeit des Herzens und der Gesinnung der Nationalsozialisten sich dieser Aufgabe unterziehen“.

Hitler beim Besuch der Ausstellung „Deutsche Kunst“. Foto: Archiv/USA

Nicht zu vergessen ist, dass mit der Gründung der Reichskulturkammer bereits im September 1933 kaum eine Chance auf Widerstand gegen den NS-Kulturbetrieb bestand. Diese Kammer, die aus der Reichsschrifttumkammer, Reichspressekammer, Reichsrundfunkkammer, Reichstheaterkammer, Reichsmusikkammer und einer Reichskammer der bildenden Künste bestand, hatte das Recht, Mitglieder abzulehnen. Da eine Mitgliedschaft in der jeweiligen Kammer die Voraussetzung war, innerhalb Nazi-Deutschlands künstlerisch tätig zu sein, kam dies einem Berufsverbot gleich. Und Mitglied werden durfte nur, wer rassisch und politisch als unbedenklich eingestuft wurde – „Ariernachweis, keine marxistische oder kulturbolschewistische Einstellung.

Darüber hinaus machte Goebbels den Künstlern inhaltliche Vorgaben. Von einer Freiheit der Kunst konnte ab dem Jahre 1933 nicht mehr gesprochen werden, viele bedeutende Künstler wählten deshalb auch den Weg ins Exil. Aber zu dieser Zeit war die jüdische Abstammung für den Schritt in die Emigration oft noch nicht ausschlaggebend. Viele engagierte Schriftsteller, Künstler moderner Schulen und fortschrittliche Vertreter der Sozial- und Geisteswissenschaften wurden primär aufgrund ihrer Werkinhalte vom Regime angegriffen und sahen in der Auswanderung einen Akt des Widerstandes. Rund 5.000 Mitglieder der kulturellen Elite Deutschlands, darunter 30 damalige und spätere Nobelpreisträger, verließen Nazi-Deutschland – ein drastischer Aderlass an Kreativität. Besonders gefragt warn zur Zeit des Nationalsozialismus plastische Darstellungen, denen man weit mehr Einfluss auf den Menschen attestierte, als der Malerei.

Man erhoffte sich sogar eine politisch-erzieherische Wirkung dieser Kunstwerke und ging davon aus, dass Bildhauer den nationalsozialistischen Idealen von Schönheit, Macht und Gewalt effektvoller Ausdruck geben konnten als die Maler. Warum die Bildhauerei in den Jahren 1933 bis 1945 einen derartigen Boom erlebte, lässt sich aber auch durch die vielen staatlichen Aufträge erklären, schließlich benötigte man für die zahlreichen neuen Staatsgebäude und städtebaulichen Veränderungen eine große Zahl an Statuen. Zudem war die Plastik die ideale Kunstgattung, um den für die Nazis typischen Gegensatz von „Leibvergottung“ und „Leibverachtung“ – nach K. Wolbert – darzustellen. Und, zu guter Letzt: In der Plastik konnte dem konservativen Geschmack der Nazis einfacher entsprochen werden, weil abstrakte Darstellungen selten waren, figurative Darstellungen dagegen die Norm.

Im Bereich der Plastik war es auch möglich, frühere Traditionen, etwa bürgerlich-liberale oder humanistische, zu übernehmen. Hatten sich diese Künstler schon zuvor der Natur und der Idee des Menschen an sich gewidmet, so war es zur „natürlichen Ordnung“ der Nationalsozialisten kein allzu großer – teils opportunistischer – Schritt. Für diesen Trend stehen die Namen der Bildhauer Georg Kolbe, Fritz Klimsch und Richard Scheibe. Zugleich muss angemerkt werden, dass die Nazis mit ihrer Kunstpolitik vielfach dem Geschmack der Massen folgten. Schönheitsideale, „sittsame Erotik“, die Inszenierung der Massen, Marschmusik und Volkskultur waren nicht unbedingt Elemente, die der breiten Masse der deutschen Bevölkerung aufgezwungen werden mussten, im Gegenteil.

So wenig die Erwartungen an eine „neue deutsche Kunst“ erfüllt werden konnten, so unverzichtbar war der NS-Kunstbetrieb zur Illustrierung der nationalsozialistischen Weltanschauung; – mit fatalen Folgen.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 14/12/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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