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Rezension „Jüdische Tänzerinnen und Musikerinnen“

Sie alle kennen Sie, die in Czernowitz geborene, in Ploiesti im Erdölgebiet drei Jahrzehnte gewohnte, seit 32 Jahren in Haifa, der 3. Heimat, in der Silver Street, lebende und schreibende. Neugierig war sie schon als Kind, neugierig und wissbegierig ist sie noch immer, selbst mit achtundneunzig Jahren! Nun, wer ist sie? Ja, natürlich Hedwig Brenner, auf niemand anderen könnten diese kurzen, knappen Worte zutreffen, noch im Alter wurde sie Lexikographin und Schriftstellerin. In der Stadt der jüdischen deutschsprachigen Lyrik, der unterschiedlichen Ethnien, die bis 1918 zur Donaumonarchie gehörte, wurde sie geboren, ging dort zur Schule, die deutsche Sprache ist ihre Muttersprache, die ihr bis heute geblieben ist, drei andere Sprachen kamen in der Schule und in den Jahren der politischen Wandlungen hinzu, Hebräisch hebt sie sich fürs nächste Leben auf, verspricht sie.

Hedwig Brenner. Foto: Wollmann-Fiedler

Man kennt Hedwig Brenner auf allen Kontinenten dieser Welt, schließlich recherchiert sie über jüdische Künstlerinnen seit Jahren, telefoniert, korrespondiert, sucht in Museen dieser Welt, entdeckte mehr und mehr Namen in verschiedenen Winkeln unseres Globus, um die Biographien und die Kunstwerke zu finden. Malerinnen, Bildhauerinnen, Fotografinnen, Architektinnen, Designerinnen, Illustratorinnen, Weberinnen, Töpferinnen, Gold- und Silberschmiedinnen vereinte Hedwig Brenner in ihren unkonventionellen Lexika, wie sie sagt, die Professor Dr. Wiehn im Verlag Hartung und Gorre in Konstanz herausgegeben hat.

In den kurzen Pausen des Suchens entstanden weitere Familienbücher, Erinnerungsbücher über Czernowitz in der Bukowina, ein Erinnerungsbuch über Menschen, die sie vor Jahrzehnten auf ihren vielen Reisen traf. Vor Chanukka und dem Christfest 2016 flatterte das 6. Lexikon „Jüdische Frauen in Musik und Tanz“ von Warschau über Konstanz zu mir nach Berlin. Auf dem Umschlagbild ist Bella Salomon, geborene Itzig, aus Berlin abgebildet, die von 1749 – 1824 lebte, der Mode nach ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Ein schönes Umschlagbild, eine schöne Idee, war sie doch die Großmutter der berühmten Fanny Hensel und ihrem Bruder Felix Mendelssohn-Bartholdy, komponierte selbst und spielte wunderbar Piano.

Für die großartige Erinnerungsarbeit, für die Lexika über jüdische Künstlerinnen, verlieh Hedwig Brenner vor vier Jahren die Bundesrepublik Deutschland das „Bundesverdienstkreuz“, kurz darauf bekam sie das „Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst“. Eine hohe Ehre waren die beiden Auszeichnungen für die Lexikographin und machten sie stolz. Nicht nur eine Ehre, auch ein Vermächtnis und Ansporn wurden diese ehrenvollen Medaillen mit Adler und bunten Schleifen.

Wieder einmal liefen Hedwigs Gedanken durch die Welt der Kunst. Diesmal beobachtete sie Tänzerinnen beim Üben und auf der Bühne, schaute den Komponistinnen über die Schulter und lauschte den Klängen der Musikerinnen und Sängerinnen, in Konzert- und Opernhäusern, hörte Solistinnen auf ihren unterschiedlichen wohlklingenden Instrumenten zu, ob klassische oder moderne Musik auf den Programmen stand. Professor Wiehn schreibt in seiner Einführung, dass „dieses biographische Verzeichnis 235 Biographien enthält, darunter mehr als 60 Pianistinnen, etwa 45 Sängerinnen, mehr als 30 Opernsängerinnen, knapp 30 Komponistinnen, 15 Pop-Sängerinnen, 12 Geigerinnen, 5 Cellistinnen, 17 Künstlerinnen anderer Instrumente und 21 Tänzerinnen, Choreographinnen, und Tanzpädagoginnen…“

Esther Bejarano wurde 1924 im Saarland geboren, besuchte Nahe Herrlingen ein Jüdisches Landschulheim, wurde auf die Alija vorbereitet, kam mit den Eltern nach Berlin. Vom Sammellager in der Hamburger Straße wurde sie mit vielen anderen in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und rettete ihr jugendliches Leben im „Mädchenorchester in Auschwitz“. Die Eltern wurden im KZ Kowno in Litauen ermordet. Vom Frauenkonzentrationslager Ravensbrück schickten sie die Nazis auf den Todesmarsch. Esther überlebte sämtliche Qualen und Erniedrigungen, lebt seit 1960 in Hamburg. Seit Jahren geht sie gegen Rassismus und Antisemitismus auf die Straße, streitet für den Frieden und gegen den Krieg, setzt sich für Flüchtlinge ein. In Dresden war sie mit einem übergroßen Plakat gegen Pegida unterwegs, mit ihrer Microphon Mafia tourt sie durch Deutschland und singt ihre hochpolitischen antirassistischen Lieder.

Stolperstein für Tatyana Barbakoff. Foto: Wollmann-Fiedler

Geboren wurde sie als Zipora Edelberg 1899 in Lettland, Tatyana Barbakoff hieß sie später. Ballettunterricht bekam sie bereits als Kind, wollte Tänzerin werden. Mit dem deutschen Soldaten Georg Waldmann, ging sie nach dem ersten Weltkrieg nach Deutschland, das Paar heiratete, trat gemeinsam in Kabaretts auf, im Renaissancetheater in Charlottenburg tanzte Tatyana zwischenzeitlich, 1927 trennte sich das Paar. 1933 verließ sie Deutschland, der Maler Gert Heinrich Wollheim begleitete sie nach Paris. 1940 wurde sie im Lager Gurs interniert, kam wieder frei, reiste nach Nizza, erneut schnappten sie die Menschenjäger und über Drancy bei Paris ging die Deportation nach Auschwitz-Birkenau, wo sie am 6. Februar 1944 in der Gaskammer ermordet wurde.

Aus New York kehrte Ursula Mamlok 2006 in ihre Geburtsstadt Berlin zurück, nach über siebzig Jahren. 1923 wurde sie als Ursula Meyer an der Spree geboren, 1939 konnte sie mit ihrer Familie nach Ecuador fliehen, die Großeltern wurden in Auschwitz ermordet. Ab 1940 studierte sie Musik in New York, später Komposition, heiratete Dieter Dwight Mamlok aus Hamburg, lehrte Komposition über vierzig Jahre lang. In den wenigen Jahren in Deutschland, in Berlin, wurden ihre Kompositionen in wichtigen Konzertsälen in verschiedenen Länder aufgeführt und uraufgeführt. Im Mai 2016 starb Ursula Mamlok in ihrer Geburtsstadt Berlin. Die Musik war ihre Heimat, wie sie selbst sagte.
Eine der jungen Künstlerinnen im Bunde ist die Opernsängerin Nadine Tamira Weissmann, mit Chernowitzer Wurzeln, 1974 in Berlin geboren. Gesang studierte sie in London und in den USA, an bekannten europäischen Opernhäusern hatte und hat die hochtalentierte Mezzosopranistin Engagements, die Erda in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ sang sie fünf Jahre lang in Bayreuth.

Ich persönlich gratuliere der achtundneunzigjährigen Lexikographin Hedwig Brenner zu ihrem 6. Lexikon und freue mich bereits auf das nächste!

Von Christel Wollmann-Fiedler, Berlin

 

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Von am 08/01/2017. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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