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Als die Judenverfolgung in Nazi-Deutschland begann: Stimmen dafür, wenige dagegen. (Fortsetzung)

Das Mannheimer Hetzblatt der Nazis, das „Hakenkreuzbanner“ gab in den Monaten August bis September 1935 folgende Schlagzeilen zum Besten: 01.08. „Ein Heidelberger Jude als Rassenschänder.“ 03.08. „Jüdischer Arzt mit seinem Judenliebchen eingesperrt.“ 10.08. „Jüdischer Rassenschänder festgenommen.“ 13.08. „Jüdische Sadisten und Rassenschänder.“ 22.08. „Rassenschänder werden ausgerottet!“ 23.08. „Wieder mehrere jüdische Volksverseucher in Haft.“ 26.08. „Rassenschänder in Schutzhaft.“ 28.08. „Rassenschänder Moch in Schutzhaft.“ 05.09. „Zwei jüdische Scheusale.“ 17.09. „Jude vergewaltigt zwölfjähriges Mädchen.“ 18.09. „Fünf Rassenschänder nach Kislau gebracht!“

Worms 1935: „Stürmerkasten“. Foto: Wikipedia

Januar 1936: Nach vielen anderen Städten haben nun auch die Kinobesitzer in Goslar Juden den Besuch ihrer Theater verboten; die Gemeinde Horrweiler in Hessen hat den Juden den Zugang untersagt, und der Berliner Polizeipräsident ließ zwei getarnte jüdische Lichtspielhäuser schließen. In Offenbach wurde wegen „stark verschmutzter Betriebsräume“ eine jüdisch-koschere Metzgerei geschlossen. In Aachen hat man den judenfreien Nutzviehmarkt eingeführt, die jüdischen Besitzer eines Warenhauses in Iserlohn wurden mit ihren Frauen in Schutzhaft genommen, weil sie sich wegen der von den Nazis geforderten Schließung der Lebensmittelabteilung an ihre jüdische Organisation gewandt hatten. Das Kaufhaus Barrasch in Magdeburg wurde wegen sittlicher Verfehlungen jüdischer Angestellter geschlossen. Allen jüdischen Künstlern wurde das Führen von Pseudonymen verboten; Reichsbahn und Reichspost haben die kostenfreie Anbringung von „Stürmer“-Kästen zugelassen! In der jüdischen Bevölkerung ist die Stimmung außerordentlich niedergedrückt. Man ist pessimistisch geworden, und hat sich innerlich vollkommen darauf eingestellt, dass man in Deutschland eine minderwertige Rasse ist und zieht sich freiwillig in ein Ghetto zurück, auch wo man es gar nicht nötig hat.

August 1936: Bayern. Der Umsatz der jüdischen Geschäfte geht von Tag zu Tag mehr zurück. Es kommt vor, dass sich über den Tag hinweg nicht ein Kunde in das Geschäft wagt und erst am Abend nach Einbruch der Dunkelheit durch Hintertüren einige Geschäfte mit alten Stammkunden getätigt werden können. Um den jüdischen Läden den letzten Stoß zu versetzen, will man nun die arischen Großerzeuger anhalten, dass ihre Vertreter keine jüdischen Geschäfte mehr besuchen.

Juli 1938: Das Schicksal der deutschen Juden ist seit der „Heimkehr ins Reich“ Österreichs in ein neues Stadium getreten. Die Nazis haben aus den österreichischen Erfahrungen den Schluss gezogen, dass ein rasches Vorantreiben der Verfolgung der Juden dem System nicht schaden könne, dass die „Entfesselung der antisemitischen Instinkte“ in den Reihen der Parteigenossen und Anhängerschaft die Duldung eines offenen Pogroms weder wirtschaftliche Schwierigkeiten noch einen erheblichen Prestige-Verlust in der Welt nasch sich ziehe. Man wird sich damit abfinden müssen, dass die Suche nach rein nationalen Beweggründen an ihre Grenzen stößt. Es wird ein wütender Rassenhass diktiert und es besteht geradezu eine Sucht, ohne Unterlass auf Wehrlose einzuschlagen. Diese Sucht, die der Nationalsozialismus übrigens nicht nur den Juden gegenüber an den Tag legt, ist für objektive Beobachter nicht zu fassen. Es wird gerade jetzt viel Gewicht darauf gelegt, die Kinder in dem anerzogenen Judenhass dauernd zu bestärken. Julius Streicher hat ein zweites Kinderbuch herausgebracht: „Der Giftpilz“, Bilder von Fips, Erzählungen von Hiemer. Unter anderem enthält es eine Geschichte mit der Überschrift: „Wie zwei Frauen von Juden-Anwälten betrogen wurden!“ Streicher selbst kündigte das Buch im „Stürmer“, Nummer 13 aus 1938, mit den Worten an: „Was in die Herzen der frühen Jugend hineingelegt wird, geht mit durchs ganze Leben. So, wie das Kirchen-Christentum schon in das Kind unablässig Dinge hineinhämmert, die es bis zum Abschiednehmen aus dieser Welt als religiöses Glaubensgut begleiten, so soll auch der deutsche Mensch schon in seiner frühen Jugend ein erstes Wissen vom Teufel in Menschengestalt – dem Juden – beigebracht erhalten.“

Schlesien: Wie stark die Judenverfolgungen auf die Juden selbst gewirkt haben, geht allein aus der Tatsache hervor, dass in Breslau während der Verhaftungswelle männliche Juden zu Hunderten auf den jüdischen Friedhof flüchteten und dort Nächte hindurch hinter den Grabsteinen ihrer Angehörigen blieben, weil sie hier noch den einzigen Platz sahen, wo sie das Recht hatten, sich aufzuhalten. Es haben sich dabei erschütternde Szenen abgespielt.

Dezember 1938, Berlin: Die Haltung der Bevölkerung war nicht ganz einheitlich. Bei dem Brand der jüdischen Synagoge in der Fasanenstraße konnte man eine große Anzahl von Frauen beobachten, die sagten: „Das ist ganz richtig so, bloß schade, dass keine Juden mehr drin sind, das wäre doch das Beste, um die ganze Bagage auszuräuchern.“ Niemand wagte es, gegen diese Äußerungen Stellung zu nehmen. Überliefert ist der Satz eines Taxifahrers, der meinte, das hätte die SA gemacht: „Die sind doch herumgezogen wie die Wilden. Das ist die größte Schweinerei, die ich je erlebt habe. Aber man muss ja die Fresse halten“

Vorausschauender Weise hatte der „Neue Vorwärts“, die zu dieser Zeit in Paris erscheinende Exilzeitung der Sozialdemokraten (SPD), schon rechtzeitig auf eine drohende Massenvernichtung der Juden hingewiesen, als die Redakteure am 20.11.1938 folgenden Beitrag zu Papier brachten: „Was sich in Deutschland vollzieht, ist eine Menschheitsschmach. Es ist eines jener großen Massenverbrechen, an die nachfolgende Genrationen <sich nicht mehr erinnern wollen>, weil ihnen sonst Weltgeschichte als eine Kette sinnlosen Grauens erscheinen könnte. Es leben in Deutschland noch 600.000 Juden. Diese Kollektivität ist vom Tode gezeichnet. Die Männer des Systems haben die Vernichtung der noch in Deutschland lebenden Juden beschlossen.

Man kann nicht mitten im 20. Jahrhundert, im Herzen von Europa, 600.000 Menschen vernichten? Man kann es doch! Es gehört zur Geheimwissenschaft des Dritten Reiches, daß andere Völker sterben können, daß man sie vernichten kann, wenn man sich über alle geistigen und ethischen Konventionen hinwegsetzt, die dem im Wege stehen. Es gehört ferner zu dieser Geheimwissenschaft, daß solche Verbrechen ungehemmt und ungestraft begangen werden können, wenn die wenigen, die sie planen, nur dafür Sorge tragen, daß furchtbare Tatbestände geschaffen werden, welche die Masse der besseren Menschen einschüchtern.“

Dass es am Ende sechs Millionen wurden, hatte man sich damals nicht träumen lassen. Und dennoch ist es geschehen, das unrühmlichste Kapitel der deutschen Vergangenheit.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 06/11/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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